Automatisch entdecken sie Tumorzellen in menschlichem Gewebe, erkennen Sprache oder Handschrift oder auch Verkehrszeichen für selbstfahrende Autos. Sie sagen Aktienkurse vorher oder übersetzen Texte besser als andere Verfahren.
Über den Autor
Jürgen Schmidhuber ist Kodirektor des Schweizer Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz IDSIA. Seine Forschungsgruppe für Künstliche Intelligenz (KI) leistet bereits seit 1991 Pionierarbeit zu tiefen künstlichen neuronalen Netzen. Viele Konzerne, darunter Apple, Baidu, Google und IBM nutzen heute die in Schmidhubers Labors entwickelten maschinellen Lernmethoden.
Selbstlernende künstliche neuronale Netze (NN) sind auch von kommerziellem Interesse: Google kaufte kürzlich die von einem meiner Ex-Studenten mitgegründete Firma Deepmind für über 500 Millionen Dollar. Unsere automatischen Problemlöser werden zusehends vielseitiger, und bald über mehr rohe Rechenkraft verfügen als ein Menschenhirn - ein paar Jahrzehnte später wohl über mehr als alle Menschenhirne zusammen.
Die entsprechenden Lernverfahren hinken nicht weit hinterher. Zumindest auf dem Papier gibt es bereits in meinem Labor entwickelte universelle Problemlöser, die in einem gewissen mathematischen Sinne optimal sind. Selbst Neugier und Kreativität lassen sich in Roboterhirnen verwirklichen.
Die grundlegenden Prinzipien kann man in wenigen Formeln zusammenfassen. Das legt nahe, dass es viel schwerer sein mag, ein existierendes intelligentes System (das Gehirn) zu analysieren, als ein neues durch Überlegung zu synthetisieren.
Das Gehirn weist einen enormen, evolutionär bedingten Detailreichtum auf, der das Wesen seiner Intelligenz eher verbirgt als erhellt. Seit den Neunzigerjahren bringe ich das meinen Studenten durch einen Vergleich nahe.
Wenn ein Neurowissenschaftler die Details einzelner Neuronen und Synapsen studiert, ist er wie ein naiver Elektrotechniker, der die charakteristischen Kennlinien der Transistoren eines Rechners misst, ohne zu ahnen, dass der simple Daseinszweck eines Transistors darin besteht, Binärschalter zu sein.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Wenn er Wärmebilder der Gehirnaktivität beim Denken studiert, ist er wie ein Physiker, der die zeitlich variierende Wärmeverteilung eines Mikroprozessors misst, ohne zu ahnen, dass die "Intelligenz" dieser Maschine nur darin besteht, ein einfaches Programm auszuführen, welches Adressen sortiert.
Die Sprache, die benötigt wird, um intelligente Systeme zu begreifen, ist nicht diejenige der Neurophysiologie, Elektrotechnik oder Physik, sondern die abstrakte Sprache der Mathematik und Algorithmen, insbesondere des maschinellen Lernens.
Veränderte Zivilisation
Die rapide Entwicklung immer klügerer Künstlicher Intelligenz wird voraussichtlich fast jeden Aspekt unserer Zivilisation sehr rasch sehr grundlegend verändern. In der nahen Zukunft werden lernende Maschinen die Arbeit vieler Menschen erleichtern, von Erdbeerpflückern, Lastwagenfahrern und Maschinenbauern hin zu Ärzten, deren Diagnosen mit künstlichen neuronalen Netzen beschleunigt und einer viel größeren Patientenschar zugänglich gemacht werden können.
Längerfristig wird es kaum eine heute von Menschen erledigte Tätigkeit geben, die nicht von KIs erlernbar ist. Und während es 20 Jahre dauert, eine neue Menschengeneration heranzuziehen, lassen sich einmal trainierte KIs sehr flott kopieren.
Serie "Wirtschaftswelten 2025"
Nichts wird bleiben, wie es ist. Das Internet verändert unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, das ganze Leben. Datenanalyse ersetzt Bauchgefühl (Big Data), Brillen sprechen mit Autos (Internet der Dinge). Unternehmen müssen sich neu erfinden, Märkte bilden sich neu (informationsökonomische Revolution). Was bedeutet das für Arbeit, Mobilität, Geld, medizinische Versorgung? Und was wird aus uns? In der Kurztextgalerie finden Sie alle im Rahmen der Serie erschienenen Artikel.
Lange waren denkende Computer nur Science-Fiction. Nun aber beantworten die smarten Maschinen schon E-Mails, planen unseren Urlaub und arbeiten als Dolmetscher. Bald sind sie klüger als wir - und können jeden Job übernehmen. Hier geht es zum Artikel.
Viele Menschen fürchten, im Zuge der Digitalisierung von Maschinen ersetzt zu werden. Doch diese Angst trübt den Blick für die Vorteile neuer Technologien, schreibt
Maschinen lernen aus Daten, und zwar sehr schnell. Wie gut, dass wir ihnen etwas Entscheidendes voraushaben, meint Viktor Mayer-Schönberger.
Intelligente Roboter-Autos chauffieren uns schon in wenigen Jahren durch die Städte – und machen dabei auch den eigenen Wagen überflüssig, meint WirtschaftsWoche-Redakteur Jürgen Rees.
Künstliche Intelligenz zu verbieten, ist sinnlos. Doch wenn sie nicht eingeschränkt wird, wird sie uns nicht nur gewaltige Vorteile bringen - sondern auch gewaltige Nachteile, schreibt Gary Marcus.
Intelligente Maschinen werden die Arbeitswelt verändern. Es könnte zu Revolten kommen. Aber nicht durch die Maschinen - sondern durch jene Menschen, die von den Maschinen ersetzt wurden, warnt Patrick Ehlen.
Wir werden auch in Zukunft die Kontrolle über Maschinen behalten – falls wir uns klug und menschlich verhalten. Das ist möglich. Aber keinesfalls sicher, schreibt David Gelernter.
Ist das Ende 40.000-jähriger, durch den Homo sapiens sapiens dominierter Geschichte in Sicht? Selbstlernende künstliche neuronale Netze erledigen manche Aufgabe schon heute besser als Menschen.
Wichtige ethische Fragen sind bislang nicht nur unbeantwortet. Sie sind nicht einmal gestellt, mahnt Bernhard Rohleder.
Die Maschinen nähern sich einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Als speicherprogrammierte Rechner die ersten Befehle ausführen konnten, begannen die Maschinen die Kontrolle zu übernehmen, schreibt George Dyson.
Roboter könnten uns eines Tages als Arbeitskollegen oder Gefährten unterstützen, glaubt der Wissenschaftler Guy Hoffman. Aber wie viel Kontrolle wollen wir den Maschinen überlassen?
Globale Vernetzung und immer billigere Waffen machen Kriege erschwinglich für alle. Wie sich Kriegsführung und -abwehr verändern, beschreibt das fiktive Protokoll einer Attacke aus dem Jahr 2025.
Maschinen entscheiden, Werkstücke erteilen Befehle: Die digitale Fabrik verspricht die Annäherung an das Extrem einer Produktion ohne den Menschen. Die deutschen Unternehmen müssen aufpassen, dass die USA nicht vor ihnen in der Zukunft ankommen. Lesen Sie hier wie es um die Industrie 4.0 in Deutschland steht.
Diese Entwicklung wird sich schließlich verselbständigen und sich auch in den Weltraum ausdehnen. Letzterer ist menschenfeindlich, aber KI-freundlich. Das Sonnensystem ist voller ungenutzter Ressourcen, der Menschheit kaum zugänglich, doch von großem Interesse für zukünftige Roboterzivilisationen.
Die Erde trifft weniger als ein Milliardstel der Sonnenenergie; der Asteroidengürtel enthält Unmengen an Material für zukünftige selbstreplizierende KI-Fabriken. Im Gegensatz zu Astronauten in schwerfälligen Raumschiffen reisen KIs natürlich per Radio mit Lichtgeschwindigkeit von Sendern zum Empfängern.
Sie werden sich in höchst kreativer Weise unglaublich rasant weiterentwickeln, und sich dabei kaum für Menschen interessieren, sondern vor allem für andere KI.
Daher werden hoffentlich kaum Zielkonflikte entstehen mit der Menschheit, deren Interessen sich vor allem auf den dünnen Atmosphärenfilm um den dritten Planeten beschränkt, voller giftigem Sauerstoff, der Roboter rosten lässt.