Belgiens Hauptstadt Brüssel verzichtet wegen Terrorgefahr auf ihr traditionelles Silvesterfeuerwerk. Auch das Begleitprogramm auf der Festmeile in der Innenstadt fällt am Donnerstagabend aus. Bürgermeister Yvan Mayeur sagte, in Restaurants, Cafés oder Hotels könne hingegen wie geplant gefeiert werden.
Ermittler nahmen im Zusammenhang mit Terrordrohungen gegen „symbolträchtige Orte“ in Brüssel sechs weitere Verdächtige vorläufig fest. Laut Staatsanwaltschaft gab es Durchsuchungen in mehreren Stadtbezirken und in Sint-Pieters-Leeuw im Umland der Hauptstadt.
Die Behörden hatten bereits vor wenigen Tagen Attentatspläne für die Silvesternacht aufgedeckt und zwei Männer wegen Terrorverdachts festgenommen. Die Verdächtigen im Alter von 27 und 30 Jahren bleiben weiter für einen Monat in Haft, so die Staatsanwaltschaft. Der 30-Jährige gilt als Drahtzieher und soll islamistische Komplizen für Terrorakte angeworben haben.
Das bedeuten die Anschläge in Paris für Deutschland
Die Bundespolizei schickt verstärkt Einsatzkräfte an die Grenze zu Frankreich, intensiviert Streifen an Flughäfen und Bahnhöfen. Die Polizisten patrouillieren dort mit Schutzwesten und schweren Waffen. Verbindungen von und nach Frankreich werden besonders in den Blick genommen.
Nach einem Anschlag in einem Nachbarland setzt sich bei Polizei und Geheimdiensten in Deutschland hinter den Kulissen automatisch eine Maschinerie in Gang: Die Behörden checken, ob es mögliche Verbindungen und Kontakte der Täter nach Deutschland gibt. Sie sprechen dazu mit den V-Leuten in der Islamisten-Szene, durchforsten Foren und Netzwerke im Internet. Und sie überwachen besonders die islamistischen „Gefährder“ - also jene, denen sie einen Terrorakt zutrauen. Aber auch Rechtsextremisten, die auf die Anschläge reagieren könnten, stehen unter besonderer Beobachtung.
Belastbare Erkenntnisse dazu gab es zunächst nicht, aber einen ersten Verdacht: In Oberbayern wurde am Donnerstag vor einer Woche auf der Autobahn zwischen Salzburg und München ein Autofahrer angehalten und kontrolliert. Schleierfahnder der Polizei entdeckten im Kleinwagen des 51-Jährigen unter anderem mehrere Kalaschnikow-Gewehre, Handgranaten sowie 200 Gramm TNT-Sprengstoff. „Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt“, sagt de Maizière. Auf dem Navigationsgerät des Mannes habe man eine Adresse in Paris gefunden. Ob das einen Zusammenhang zur Anschlagsserie bedeute, sei noch unklar. Der Verdächtige, der aus Montenegro stammt, sitzt in Untersuchungshaft.
Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris werden in Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren. Es werde in den nächsten Tagen eine für die Bürger sichtlich erhöhte Polizeipräsenz geben, kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Samstagabend (14. November) in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner Spezial“ an. „Die Polizei, die man sieht, wird auch etwas anders aussehen als bisher. Die Ausrüstung wird eine andere sein.“ Zugleich werde zusammen mit den Nachrichtendiensten die Beobachtung islamistischer Gefährder intensiviert.
Bislang gingen bei Polizei und Geheimdiensten etwa 100 Hinweise auf mögliche Terroristen ein, die auf diesem Weg ins Land gekommen sein sollen. Davon habe sich der Verdacht bisher aber in keinem einzigen Fall bestätigt, heißt es aus Sicherheitskreisen. „Aber man darf den IS nicht unterschätzen“, meint der Terrorexperte Rolf Tophoven. „Die Gefahr ist nicht auszuschließen. Unsere Sicherheitsbehörden können nicht jeden kontrollieren.“
Nach Einschätzung von Fachleuten dürften Terroristen eher auf anderem Weg versuchen, nach Deutschland zu kommen - etwa mit gefälschten Papieren im Flieger. Polizei und Geheimdienste beobachten allerdings, dass Islamisten versuchen, junge Flüchtlinge, die schon in Deutschland sind, zu rekrutieren. Generell gilt aber: Attentäter müssen nicht unbedingt von außen ins Land gebracht werden. Es gibt viele Fanatiker, die sich im Inland radikalisiert haben.
Mehr als 43.000 Menschen gehören insgesamt dazu. Die Szene ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - vor allem durch den starken Zulauf bei den Salafisten, einer besonders konservativen Strömung des Islam. Rund 7900 Salafisten gibt es inzwischen. Polizei und Geheimdienste stufen viele Islamisten als gefährlich ein: Etwa 1000 Menschen werden dem islamistisch-terroristischen Spektrum zugeordnet. Darunter sind 420 „Gefährder“.
Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Diese machen den Sicherheitsbehörden große Sorgen, weil viele radikalisiert und kampferprobt zurückkommen. Von den mehr als 750 Islamisten aus Deutschland, die bislang Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, ist ein Drittel wieder zurück - also rund 250 Leute. Etwa 70 davon haben Kampferfahrung gesammelt.
Die Männer kommen laut Medienberichten aus dem Brüsseler Stadtbezirk Anderlecht und sind Mitglieder des Motorrad-Clubs „Kamikaze Riders“, dessen Anhänger in sozialen Netzwerken zum Teil mit antisemitischen Parolen auffielen. Fahnder waren bei Razzien auf Propagandamaterial der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gestoßen. Von einem Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen vom November mit 130 Toten gehen die Ermittler nicht aus.
Auch die Polizei in Brüssel gilt als gefährdet. Sie verschärfte die Vorkehrungen zum eigenen Schutz.
Die Absage des Feuerwerks zum Jahreswechsel ist keine Premiere. Bereits 2007 untersagte die Stadt das Spektakel nach Terrorwarnungen. Vergangenes Jahr waren zu den Silvesterfeierlichkeiten rund 100 000 Menschen gekommen.
Premierminister Charles Michel sagte im Sender RTBF, er halte die Entscheidung in der gegenwärtigen „unsicheren Situation“ für gerechtfertigt. „Es gibt eine spezielle Unruhe, wenn es um Massenereignisse geht.“
Ende November war das öffentliche Leben in Brüssel mehrere Tage zum Erliegen gekommen, weil die Behörden einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag fürchteten und zeitweise die höchste Terrorwarnstufe ausriefen. Nun wurde nur die Warnstufe für die Polizeidienststellen sowie Polizisten und Soldaten auf den Straße angehoben. Ansonsten gilt im Land weiter Warnstufe drei von vier, bei der eine Bedrohung als möglich und wahrscheinlich eingestuft wird.
Im Zusammenhang mit den Pariser Terroranschlägen von Mitte November verhängte die belgische Justiz Haftbefehl gegen einen weiteren Verdächtigen. Dem 22-Jährigen werden Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung und terroristische Morde vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Es sei die zehnte Person, die nach den Pariser Attacken in Belgien vorläufig in Haft genommen wurde.
Der Mann mit belgischer Staatsangehörigkeit wurde bei einer Razzia im Brüsseler Stadtbezirk Molenbeek-St. Jean festgenommen. Aus Molenbeek stammt auch der Terrorverdächtige Salah Abdeslam, der an den Pariser Anschlägen beteiligt gewesen sein soll und der als Staatsfeind Nummer Eins gesucht wird.
In Deutschland ist die Sicherheitslage nach Angaben der Behörden unverändert. „Wir müssen weiterhin von einer hohen Gefährdung durch den internationalen Terrorismus ausgehen“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Für die Berliner Polizei besteht nach der Absage in Brüssel kein Anlass, die Feier am Brandenburger Tor infrage zu stellen. „Es gibt keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne“, teilte ein Sprecher mit. Zu Deutschlands größter Silvesterparty am Brandenburger Tor werden Hunderttausende Menschen erwartet.