Traditionsbetrieb trifft Digital Media: „Ich will Neues mit Altem verbinden“

Innerhalb weniger Jahre hat Jutta Zeisset aus einem ehemaligen Hühnerhof einen florierenden Gastronomiebetrieb gemacht. Das Geheimnis ihres Erfolgs: der clevere Einsatz von digitalem Marketing.

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Bild:  WirtschaftsWoche

Eine halbe Stunde verbringt Jutta Zeisset jeden Tag damit, die Social Media-Seiten ihres Cafés und Hofladens im baden-württembergischen Weisweil zu pflegen. In dieser Zeit kümmert sie sich um Facebook, Instagram, Youtube, Pinterest, Twitter und Google Plus.

Sie hat ihr Unternehmen durch den Einsatz von digitalen Medien so erfolgreich gemacht, dass sie inzwischen auch andere kleine und mittlere Unternehmen coacht, die sich bisher noch nicht an Facebook und Co herangewagt haben oder sich verbessern wollen. Die anfänglichen Hürden kennt sie sehr gut: „Eine der größten Ängste ist der Zeitverlust. Unternehmer fürchten, dass Social Media sie auffrisst. Aber das passiert nur, wenn man es zulässt“, sagt die Unternehmerin.

Zeisset gibt zu: Eine gewisse Routine erfordert es schon, bis man bei so vielen Plattformen mit 30 Minuten pro Tag auskommt, aber diese anfängliche Investition hat sich für sie mehr als ausgezahlt. Denn sie ist sich sicher, dass sie ohne digitales Marketing nie mit so einem Tempo zum Erfolg gekommen wäre.

Als sie 2002 das Museumscafé und den Hofladen Zeisset gründete, gab es Facebook, Instagram, Twitter und Co noch gar nicht. Eine Webseite war für sie jedoch selbstverständlich, obwohl Cafés und kleine Läden damals nur selten eine Online-Präsenz hatten. Seit 2009 macht sie auch via Social Media auf ihre selbstgebackenen Torten, Kuchen und Brote sowie auf die lokalen Produkte in ihrem Ladensortiment aufmerksam.

Der Medienkonsum verändert sich ständig, doch Zeisset hält mit. Facebook war einst das Portal von Schülern und Studenten, ist inzwischen aber reifer geworden. „Bei Facebook erreiche ich heute die Kundschaft ab 35 – aktive, interagierende Jüngere trifft man dort kaum an, diese sind bei Instagram zu finden.“

Café und Laden haben aktuell über 10.000 Facebook-Fans. Etwa jeder zweite ihrer Kunden informiert sich über das Netzwerk darüber, was gerade aus dem Backofen kommt. Wenn Jutta Zeisset einmal freie Tische beim Frühstücksbuffet hat, sagt sie ihrer Facebook-Community Bescheid. Innerhalb weniger Stunden seien dann jedes Mal alle Tische belegt.

Weiterhin setzt sie Facebook auch zum Recruiting neuer Mitarbeiter ein. Da sich die meisten Bewerber heutzutage online über Stellen informieren, bietet es sich aus ihrer Sicht einfach an, dort nach neuen Mitarbeitern zu schauen, wo diese auf Jobsuche sind.

Einen Großteil ihres Wissens über digitales Marketing hat sie sich selbst beigebracht. An der TU Graz hat sie später noch eine Ausbildung zur Social Media- und Online Marketing-Managerin gemacht. Heute hält sie neben der Leitung des Cafés und Ladens auch Seminare über Social Media Marketing, besonders für landwirtschaftliche und ländliche Betriebe.

Die haben viele Fragen und Ängste beim Thema digitale Medien. Landwirte fürchten zum Beispiel, dass Tierschützer auf sie aufmerksam werden, wenn sie sich und ihre Betriebe online präsentieren. Diese könnten nachts in Ställe einbrechen und Fotos machen, die den Betrieb in ein schlechtes Licht stellen.

„Solchen Landwirten sage ich: Zeigt euren Stall bei Tag, dann müsst ihr weniger Angst vor einem Einbruch bei Nacht haben“, erklärt Zeisset. „Macht transparent, wie ihr arbeitet. Denn so kann man alles selbst in den Kontext setzen und erklären. Bilder wirken ganz anders, wenn sie richtig erklärt werden.“ Auch Fleischbilder aus der Küche sind ein Beispiel für Aufnahmen, die den richtigen Kontext brauchen. „Wer auf seine Kunden zugeht und ihnen gegenüber offen ist, der kann auch auf sie zählen, wenn mal etwas schiefgeht.“

Attraktiv ist für Unternehmer vor allem die große Reichweite der Social-Media-Plattformen. Laut Prognosen von eMarketer nutzen 2017 52,2 Millionen Deutsche das mobile Internet. 30 Millionen deutsche Internetnutzer sind bei Facebook unterwegs, neun Millionen bei Instagram.

Laut Facebook haben inzwischen über eine Million kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland die Plattform für sich entdeckt, um Kunden zu erreichen. Und es lohnt sich: Laut einer Umfrage von Social Media Examiner konnten 88 Prozent der Unternehmen mit Social Media Marketing mehr Aufmerksamkeit erregen, 78 Prozent sorgten für mehr Traffic, und 69 Prozent steigerten die Kundentreue.

Angeschlossen an Jutta Zeissets Café und Hofladen ist ein kleines Heimatmuseum. An den Wänden hängen nostalgische Teller, Schmiedewerkzeug und Küchenutensilien. Alte Radios und mechanische Nähmaschinen erinnern an eine Zeit vor modernen Gadgets. Passen digitale Medien dort denn überhaupt ins Bild? „Absolut. Ich finde gerade den Stilbruch spannend – ich will Neues mit Altem verbinden“, sagt Zeisset.