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Auf Kurs mit Coastworxx Der Stoff, aus dem die Träume sind

Ahmad Alsalhani (studentische Aushilfe), Mohamed Alsalhani (zukünftiger Geschäftsführer Segelmacherei), coastworxx-Chef Christian Lübbe und Abdelkarim Malla Ahmed (derzeit Einstiegsqualifizierung zum Segelmacher). Quelle: Coastworxx

Von Null auf Hundert: Mohammed A. hat auf seiner Flucht nach Deutschland sein eigenes Unternehmen in Syrien zurücklassen müssen – jetzt wird er bei dem Kieler Segelmacher coastworxx neuer Geschäftsführer.

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Der Krieg in Syrien hat das Leben vieler Menschen auseinanderbrechen lassen wie ein Puzzle, das vorher ein halbwegs geordnetes Bild ergab. Für manchen Geflüchteten ist es dann ein Segen, wenn sich sein persönliches Puzzle in Deutschland wieder zusammensetzt. Und sich nicht nur ein Bild ergibt, das dem alten ähnelt. Sondern eines, das noch viel schöner ist.

Dieses Glück hat Mohammed A.. Vor zwei Jahren ist der heute 50-Jährige aus Damaskus, Syrien, mit seiner Frau, seinen zwei Söhnen und seiner Tochter nach Deutschland geflüchtet. Erste Station der Familie in der neuen Heimat war ein Flüchtlingslager in Kiel in Schleswig-Holstein. Dort erhielt Familie A. zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, aus dem Irak und dem Iran kostenlosen Deutschunterricht. Lehrerin war Svenia Matthießen; die Pädagogin engagierte sich neben ihrem regulären Schuldienst ehrenamtlich für die Integration von Flüchtlingen.

Christian Lübbe, 52, Inhaber von coastworxx: „Flüchtlinge wollen sich einbringen und mitarbeiten. Die facettenreichen beruflichen Erfahrungen dieser Menschen sind ein Schatz, den es zu heben gilt.“ Quelle: Coastworxx

Neugierig auf die Neuankömmlinge

Eines Tages besucht Christian Lübbe, Ehemann der Deutschlehrerin, die Flüchtlingsunterkunft. Lübbe, 52, ist Geschäftsführer von coastworxx. Das Kieler Kleinunternehmen näht Sonnensegel aus speziellen wasserabweisenden und besonders UV-beständigen Garnen sowie Taschen oder Rucksäcke aus Segeltuch. „Meine Frau hatte mir von ihrer ehrenamtlichen Arbeit erzählt“, sagt Lübbe, „und ich war einfach neugierig auf die Neuankömmlinge aus Syrien.“

Lübbes Unternehmen coastworxx ist Mitglied im Netzwerk „Wir zusammen – Integrations-Initiativen der Deutschen Wirtschaft“. Ausgelöst durch die Flüchtlingskrise hatte er im Juni 2015 das Projekt „Flüchtlingspaten Kiel“ mit anderen Unternehmen aus Kiel gegründet. „Anfangs nur, um Flüchtlingen bei Behördengängen, Deutschkursen, der Wohnungs- und Jobsuche zu helfen und ihnen das Leben vor Ort zu zeigen“, erklärt Lübbe. Der 52-Jährige ist ein lebensfroher Mensch mit wachen Augen und dunklem Vollbart mit silbergrauen Farbtupfern. Einer, der geistig flexibel ist und deshalb etwas bewegt. Einer, der gerne Klartext redet, der auch mal ungewöhnliche Wege geht. Als Lübbe im Sommer 2015 die Sprachschüler seiner Frau in der Flüchtlingsunterkunft besuchte und von seiner Arbeit und seinem Unternehmen erzählte, hörte er von allen Seiten: „Ich kann nähen! Ich würde gerne bei Ihnen arbeiten!“

„Wir zusammen“

Die schwierige Suche nach Arbeitskräften

Inspiriert von dieser Begegnung setzte sich Lübbe zuhause an seinen Schreibtisch und schrieb eine E-Mail an die Bundesagentur für Arbeit in Kiel. Er wollte wissen: Unter welchen Voraussetzungen kann er als Arbeitgeber eigentlich Flüchtlinge in Deutschland beschäftigen? Denn Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern hatte Lübbe. „Bisher war es nicht so einfach für mich, Arbeitskräfte zu finden, die motiviert sind und die vor allem mit Segeltuch umgehen können; Segeltuch ist ein schwieriger Stoff und nicht so einfach zu nähen“, erzählt er. „Mit meinem eher kleinen Team konnte ich unsere Aufträge kaum abarbeiten - Hilfe konnte ich gut gebrauchen! Ich wusste nur nicht: Was darf ich und was darf ich nicht als Arbeitgeber?“ Doch die Bundesagentur meldete sich nicht bei ihm zurück.

Da ergriff Lübbe selbst die Initiative. Bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Business-Talk“, einer Veranstaltungsreihe der Bundesagentur für Unternehmer, war zufällig auch der Geschäftsführer der BA anwesend. Lübbe schnappte sich das Mikrofon, stellte dem Geschäftsführer seine Fragen. Und trat damit eine Lawine los. „Seit diesem denkwürdigen Tag“, erzählt Lübbe, „vermittelt unser Projekt mithilfe des Jobcenters Flüchtlinge in Einstiegsqualifizierungen im Textilhandwerk.“

Die Studie fasst Erfahrungen und Erkenntnisse, die Unternehmen bei der Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt sammeln konnten, zusammen.

Mittlerweile hat er auch Mohammed, den geflüchteten Familienvater aus Damaskus und seine beiden Söhne in seinem Betrieb aufgenommen; ihr Asylantrag ist anerkannt, sodass Lübbe sie einstellen durfte. „Ich bin ausgebildeter Polstermacher, und in Damaskus war ich 30 Jahre lang Geschäftsführer meiner eigenen Polsterei“, erzählt Mohamad, „deshalb kann ich perfekt nähen.“ Und nicht nur er: seine Söhne Ahmed, 25, und Yousef, 23, können ebenfalls flink und gut mit Nadel, Faden und Nähmaschine umgehen.

Vom Geflüchteten zum Geschäftsführer

Eine klassische Win-Win-Situation, die für Mohammed in beruflicher Hinsicht quasi die Wiederaufnahme seines früheren Lebens bedeutet: Ab Juli 2017 soll er neben Lübbe zweiter Geschäftsführer in der Produktion von Sonnensegeln werden. Vom Geflüchteten zum Geschäftsführer – eine vorbildliche Karriere! Seine Söhne sind sehr stolz auf ihren Vater. „Mein Papa ist glücklich, deshalb bin auch ich so glücklich“, plaudert etwa Yousef in schon fast fließendem Deutsch.

Das ist coastworxx

Froh macht Yousef auch die Arbeit in Lübbes Betrieb. „Der Mensch hat zwei Hände, mit seinen Händen kann er etwas Schönes schaffen. Ich schaffe etwas Schönes“, lächelt Yousef. Wenn er fünf Jahre bei Lübbe gearbeitet hat, darf er bei der Handwerkskammer die Prüfung als Segelmacher ablegen. Am liebsten will er danach bei coastworxx und Christian Lübbe bleiben und weitermachen, was ihm einfach nur Freude bereitet: Segel nähen – aus dem Stoff, aus dem in Deutschland seine Träume entstehen.

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