Aktienrally Angst vor kletternden Kursen

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Viel Liquidität hilft den Börsenkursen auf die Sprünge, verhindert aber nicht den nächsten Crash

Liquidität ohne tragende Konjunkturbelebung ist ein gefährliches Spiel für Aktieninvestoren. "Natürlich ist es für die Börse per saldo immer gut, wenn Geld im Überfluss da ist", sagt Seibold, "Liquidität ist aber nur eine nötige Bedingung für einen Kursanstieg und noch lange keine hinreichende. Das ist, als wolle man einen Grill ausschließlich mit Spiritus befeuern, aber ohne Holzkohle." Kommt keine Kohle nach, bricht der Markt ein. In der Vergangenheit passierte das mitunter lange vor dem absoluten Höhepunkt der Geldschwemme.

Aktienkurse orientieren sich nicht nur an Umsatz, Vermögensgütern und Gewinnmarge, sondern werden auch von Angebot und Nachfrage getrieben. Das Geld der Notenbanken erhöht die Nachfrage und führt so zu Übertreibungen an den Börsen. Derartige Blasen waren in diesem Jahrzehnt schon zwei Mal zu beobachten, zunächst bei den Tech-Aktien bis 2000, dann bei Immobilien in den USA, Großbritannien, Spanien und Irland bis 2007/08.

Industrieländer erwarten 2010 nur mäßiges Wachstum

Abseits der Nachfrage gilt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als Kernmaßstab für die Aktienmarktbewertung. Um es zu berechnen, wird der Nettojahresgewinn eines Unternehmens – nach Gewinnanteilen Dritter – durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien geteilt. Liegt das KGV – auf Basis der 2010er-Gewinne und bei 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum – unter 14, sind Aktien nicht überteuert.

Für die Industrieländer werden im kommenden Jahr aber nur mäßige ein bis zwei Prozent Wachstum erwartet. Gemessen am weltweit wichtigsten Index, dem S&P 500 der USA, werden Aktien derzeit jedoch mit dem rund 130-Fachen ihrer in den vergangenen zwölf Monaten erwirtschafteten Gewinne bewertet – und damit so hoch wie nie zuvor. Um auf einen halbwegs fairen Wert zu kommen, müssten US-Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ihre Gewinne verzehnfachen.

ThyssenKrupp mit riesigem Verlust

Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P 500 seit knapp 140 Jahren

Deutliche Gewinnsteigerungen dürften wegen der schlechten Vorjahresbasis zwar drin sein, und die Zahl der Verluste schreibenden Unternehmen sollte sinken, doch eine solche Ertragsvervielfachung ist reine Fantasie. Auch der Dax ist mit einem laufenden KGV von 55 teuer. Industrien wie Stahl und Chemie, die stark von der Konjunktur abhängen, kämpfen mit Verlusten oder sind gerade wieder in die Gewinnzone gekrabbelt. ThyssenKrupp verlor 2008/09 knapp 2,4 Milliarden Euro vor Steuern.

BASF verdiente in den zwölf Monaten bis zum 30. September netto rund 640 Millionen Euro oder 70 Cent je Aktie. Bei einem Kurs von 40 Euro kostet die Aktie damit den 60-fachen Gewinn der vergangenen vier Quartale. Der Kurs liegt nur noch 20 Prozent unter seinem Allzeithoch von Ende 2008. Damals erzielte BASF in der Zwölfmonatsperiode bis zum 30. September 2008 aber einen fast siebenmal so hohen Nettogewinn: vier Milliarden Euro. Kein noch so optimistischer Analyst rechnet auf absehbare Zeit wieder mit solchen Gewinnen.

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