Analystenschätzungen Allzu optimistische Börsenpropheten

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Fritz H. Rau, Vorstandsvorsitzender der Analystenvereinigung DVFA, schließt das nicht aus. „Interessenkonflikte zu verneinen, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung.“ Rau bezweifelt keineswegs die Ergebnisse, aber die von der Bundesbank angeführten Gründe für die Abweichungen will er so nicht stehen lassen: „Analysen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einer bestimmten Datenbasis entstehen, verlieren ihre Gültigkeit, wenn sich die Datenbasis ändert. Die Bundesbank hätte Gewinnschätzungen, die seit drei Monaten nicht mehr aktualisiert wurden, nicht in die Betrachtung nehmen dürfen.“

Basis für die Prognosen sind dem DVFA-Vorstandschef zufolge meist die Erwartungen der Unternehmen, die für ihr Geschäftsjahr schließlich ein Umsatzziel, eine Kostenstruktur und einen Ertrag anstreben und ihre Planung daran ausrichten. Allerdings würden die Unternehmen ihre eigene Zukunft oft falsch einschätzen. „Das ist wie mit den Konjunkturprognosen: die mussten in den vergangenen Monaten mehrfach nach unten angepasst werden.“ Jede Prognose, so Rau, sei nun mal mit Vorsicht zu genießen. „Ein Analyst hat ein Unternehmen einzuschätzen und ist nun mal kein Anlageberater. Für ihn und seinen Arbeitgeber geht es auch darum, Kompetenz zu zeigen.“

Die genauen Gründe für die Abweichungen der Gewinnschätzungen von der Realität lassen sich also nicht so genau identifizieren. Auch die Ergebnisse der Bundesbank sind da nicht eindeutig. Eins ist jedoch erwiesen: Eine größere Streuung der verschiedenen Analystenschätzungen zu einem Unternehmen bedeuten auch einen größeren absoluten Vorhersagefehler. Anleger, die sich also auf Konsensschätzungen und davon abgeleitete Börsenkennzahlen stützen, sollten deshalb besonders skeptisch sein, wenn die Analystenschätzungen weit auseinander liegen. Sie sind umgekehrt umso genauer, je mehr Schätzungen zu einem Unternehmen vorliegen und je enger die Ergebnisse beieinander sind. Denn dass die Unternehmensgewinne langfristig mit den Aktienkursen einher gehen, hat nicht erst die Bundesbank empirisch nachgewiesen.

Systematische Abweichung

Die Bundesbank spricht in ihrem Monatsbericht von einer „systematischen Abweichung“ der Analystenschätzungen und gibt deshalb Anlegern noch eine Empfehlung zur Interpretation der Analysen: Insbesondere in Abschwungphasen sollten sie auch das Verhältnis der positiven zu den negativen Revisionen der Analystenschätzungen im Auge behalten. In der aktuellen Krise überstieg die Zahl der nach unten revidierten Gewinnschätzungen erst im Oktober 2007 die der nach unten korrigierten Prognosen. Da waren die Börsen allerdings schon im Sinkflug. 

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