Büro Hilfe, mein Chef spinnt

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Arbeit im Irren- oder Quelle: The Courier-Journal, Kylene Lloyd/AP/dapd

'Längst nicht alle Psychopathen sitzen im Gefängnis", sagt daher der Experte Robert Hare, "manche sitzen auch in der Vorstandsetage."

Die Aussage mag provokant sein. Falsch ist sie nicht.

Viele der Eigenschaften, die einen Psychopathen auszeichnen, sind für eine Managementkarriere nicht nur von Vorteil – sondern eine notwendige Bedingung.

Wer es in die Chefetage schaffen will, muss tendenziell extrovertiert sein – denn graue Mäuse und schüchterne Kerle fallen erst gar nicht auf. Außerdem sind Manager meist enthusiastisch und selbstbewusst, sonst würden sie sich erstens nicht erst zutrauen, eine so exponierte Stellung einzunehmen; zweitens könnten sie ihre Angestellten gar nicht erst mitreißen.

Und so infiltrieren sie ihr Unternehmen, indem sie sich zunächst als eifrige und ideale Angestellte gerieren. Sie bauen sich Netzwerke auf, manipulieren ihre Weggefährten und gelten irgendwann als optimale Kandidaten für eine Führungsposition – die sie dann auch ergattern.

Dort scheitern sie längst nicht automatisch. Unter gewissen Umständen können sich selbst negative Eigenschaften positiv auswirken: Wer einen Konzern beispielsweise sanieren soll, dem steht übertriebenes Mitgefühl eher im Weg. Wer hingegen Spaß daran hat, Mitmenschen zu schikanieren, dem bereitet es auch keine Probleme, Tausende vor die Tür zu setzen.

Unrühmliches Paradebeispiel hierfür ist der ehemalige amerikanische Top-Manager Albert Dunlap, der bei den US-Großkonzernen Sunbeam und Scott Paper einst als knallharter Sanierer galt und Tausende von Mitarbeitern feuerte. Selbst Führungskräfte warnte er davor, sie in Kürze "kaltzumachen".

Die Presse verlieh ihm zwei bezeichnende Spitznamen: "Kettensägen-Al" und "Rambo in Nadelstreifen".

Das Faszinierende ist: Je rücksichtsloser Dunlap sich in den Neunzigerjahren aufführte, desto erfolgreicher wurde er zunächst. Es wirkte fast so, als komme ihm sein grenzenloser Größenwahn zugute.

Scheinbar integer

Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 interessiert sich die Öffentlichkeit wieder für die Zustände hinter den Kulissen der Bürohäuser und Chefetagen. Nicht nur deshalb, weil Politiker, Top-Manager und Börsenmakler in schöner Regelmäßigkeit über Affären stolperten. Sondern weil selbst hochrangige, vermögende und moralisch scheinbar integre Persönlichkeiten in Wahrheit häufig psychische Wracks sind – und ihre charakterlichen Deformationen vor allem an den Menschen auslassen, mit denen sie die meiste Zeit des Tages verbringen: ihren Mitarbeitern.

Es scheint fast so, als rücke der Arbeitsplatz langsam in die gedankliche Nachbarschaft einer Nervenheilanstalt – was alles andere als ein Zufall ist. Denn zunehmend beschäftigen sich auch Psychiater mit den sprichwörtlichen Wahnsinns-Typen.

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