Der weltbeste Investor Warren Buffett auf die Finger geschaut

Warren Buffett ist gestärkt aus der Finanzkrise gekommen. Seine Finanzholding aber ist heute groß und schwerfällig, die Ära der spektakulären Gewinne ist vorbei. Dennoch können Anleger viel vom weltbesten Investor lernen.

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Warren Buffett, weltweit der Quelle: AP

Den weisen Ausspruch dürfte er heute bereuen: „Massenvernichtungswaffen“ nannte Warren Buffett Derivate, diese künstlichen Finanzinstrumente, die Wetten auf alles ermöglichen – von Schweinebäuchen über Börsenindizes bis hin zu Staatspleiten. Das war 2002, die Finanzkrise gab ihm fünf Jahre später recht. Doch selbst Buffett konnte nicht die Finger von ihnen lassen. Allein 2009 nahm Buffetts Beteiligungsholding Berkshire Hathaway mit dem Einsatz von Terminkontrakten rund 6,3 Milliarden Dollar ein. Er investiere in unterbewertete Derivate, „genau so wie wir in unterbewertete Aktien und Anleihen investieren“, rechtfertigt Buffett die umstrittenen Geschäfte, von denen er auch heute noch sagt, sie könnten so gefährlich sein wie Dynamit.

Seine Derivategeschäfte allerdings könnten Buffett bald deutlich teurer kommen. Denn in Washington konkretisieren sich Pläne, den Derivatehandel enger an die Kandare zu nehmen. Auch Berkshire müsste dann, womöglich sogar für bereits abgeschlossene Kontrakte, mehr Kapital als Sicherheit hinterlegen. Kapital, das Buffett lieber gewinnbringend anlegen will. Und deshalb schickte Buffett einen engen Vertrauten auf eine Lobbyistenmission.

Warren Buffett bemüht sich um Sonderregelung

Berkshire Hathaway Quelle: AP

David Sokol, der als potenzieller Nachfolger des 79-jährigen Buffett gilt, soll dafür sorgen, dass Berkshire eine Extrawurst gebraten bekommt: Bestehende Derivatekontrakte sollten von den neuen Regeln ausgenommen sein. Am vergangenen Montag wehrten die Abgeordneten im Senat die von US-Präsident Barack Obama vorangetriebene Finanzmarktreform erst einmal ab. Neben den Republikanern, was nicht überraschend ist, stimmte auch ein Demokrat gegen Obamas Entwurf. Senator Ben Nelson fürchtete, das Gesetz könne der Wirtschaft seines Heimatstaats schaden. Nelson kommt aus Nebraska – und in Omaha, Nebraska, sitzt Berkshire Hathaway. Sokol dürfte dies als Zwischenerfolg verbuchen.

Ein Berkshire-Hathaway-Manager, der mit dem Heer der Banklobbyisten an einem Strang zieht: Das ist brisant. Genug Stoff auf der Berkshire-Hauptversammlung am 1. Mai in Omaha für kritische Fragen. In der Kritik steht auch die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise eingegangene Beteiligung der Buffett-Holding an der Investmentbank Goldman Sachs, die vor zwei Wochen wegen Wertpapierbetrugs angeklagt worden ist. Zu allem Überfluss kocht jetzt auch noch ein Insiderskandal hoch: Ein Goldman-Sachs-Direktor soll Informationen über den Einstieg von Buffett bei der Investmentbank an einen Hedgefonds weitergegeben haben.

Pilgerfahrt nach Nebraska

An jedem ersten Mai-Wochenende zieht es an die 40.000 Buffett-Bewunderer zum jährlichen Aktionärstreffen nach Nebraska. Frühaufsteher warten am Samstag bereits lange vor Sonnenaufgang vor dem Qwest Center fröstelnd auf den Moment, in dem sich endlich die Eingangstore öffnen und sie, wie bei einem Popkonzert, die Halle stürmen können. Buffett reißt dort dann später mit seinem Freund und 86-jährigem Vize-Chairman Charlie Munger von der Bühne herab Witzchen und beantwortet gewissenhaft die Fragen der Aktionäre – zu Goldman, zu Derivaten, zur Regierungsverschuldung. „Nichts ist für uns ein größerer Spaß“, sagt Buffett über sein „Woodstock für Kapitalisten“, „wenn man uns drängen würde, wären wir wohl sogar bereit eine gebührliche Summe dafür zu zahlen, dass wir unsere Jobs haben dürfen – aber sagt das bitte nicht unserem Vergütungskomitee.“

Grafik: Kursentwicklung Berkshire Hathaway

Vor einem Jahr noch war den Aktionären von Berkshire nicht zum Lachen zumute. Innerhalb von zwölf Monaten hatte der Kurs um rund 50 Prozent nachgegeben. Zum ersten Mal seit dem Börsencrash 2001 musste Buffett einen Quartalsverlust verkünden. Der war vor allem auf ein missglücktes Investment in den Ölwert ConocoPhillips zurückzuführen, das Berkshire fast zwei Milliarden Verlust eingebrockt hatte. Das Timing dieses Kaufs auf dem Höhepunkt der Ölpreisblase sei „fürchterlich“ gewesen, gestand Buffett unumwunden ein.

Und es sei nicht sein einziger Fehler gewesen: „Ich habe 244 Millionen Dollar für Aktien von zwei irischen Banken ausgegeben, die mir billig erschienen.“ Bis zum Jahresende mussten darauf 89 Prozent abgeschrieben werden. Zudem lagen einige Buffett-Wetten mit Derivaten tief im roten Bereich. Die lang laufenden Verkaufsoptionen, die Buffett auf Börsenindizes geschrieben hatte, verzeichneten einen Buchverlust von über fünf Milliarden Dollar. Die Wall Street diskutierte heftig darüber, ob der Weise aus Omaha auf seine alten Tage seinen Midas-Touch verloren haben könnte.

Nicht verloren hatte Buffett seinen Humor – obwohl er laut US-Magazin „Forbes“ 2008 privat 25 von 62 Milliarden Dollar einbüßte. In einem Film zur Hauptversammlung trat er als Matratzenverkäufer auf. Weil Berkshire abgestürzt sei, habe ihn der Aufsichtsrat als Vorstandschef abgesetzt, er solle mal etwas anderes probieren. Verkaufsschlager im Möbelmarkt ist das Modell „Nervöse Nellie“, eine Doppelmatratze mit Geheimfach, in dem der eifrige Verkäufer Buffett Bargeld, Wertpapiere und eine Sammlung alter Playboy-Hefte aufbewahrt.

Meistbewundertes Unternehmen

In diesem Jahr aber ist Buffett wieder obenauf. Zuwächse von rund 40 Prozent reichen für den aktuellen Rang drei in der Weltliste der Superreichen – hinter Bill Gates und dem Mexikaner Carlos Slim, der auf Platz eins steht. Die Berkshire-Aktie ist seit der letztjährigen Hauptversammlung wieder um knapp 40 Prozent gestiegen, sie wurde zudem in den Kreis des Eliteindex S&P 500 aufgenommen. Die Flops sind nahezu vergessen. Anfang April wurde Berkshire zur am meisten bewunderten Gesellschaft Amerikas gekürt, noch vor Google und Apple.

Was fasziniert die Menschen so an Warren Buffett? Gewiss sein Reichtum, den er sich, seit er als kleiner Analyst begann, selbst erarbeitete. Sicher auch sein bescheidenes Auftreten, das wohl niemand mehr mit Schwäche verwechselt: „Warren Buffett hat einen sehr zurückhaltenden Führungsstil. Generell gilt, dass ich ihn anrufen kann, wann immer ich möchte. Falls ich schlechte Nachrichten habe, sollte ich ihn sofort anrufen“, sagt Tad Montross, Chef der General Re und der Kölnischen Rückversicherung, die beide zum Buffett-Imperium gehören.

Seine Mitaktionäre fühlen sich von ihm ernst genommen – nicht ausgenommen, wie von vielen Fondsmanagern. Sicher bewundern ihn viele wegen seines Lebensstils. Trotz seiner Milliarden wohnt er seit Jahrzehnten im selben Haus in Omaha, das er 1958 für 31 500 Dollar gekauft hat. Kein Bonus, keine Yacht, keine Villen – Vergnügen stattdessen bei Bridge mit Hausfrauen. Zustimmung mag auch seine Abneigung gegen Investmentbanker finden, über deren Ratschläge er witzelt, „frage nie deinen Friseur, ob du einen Haarschnitt brauchst“.

Buffett selbst ist Milliarden wert

Die Buffett-Prämie für die Berkshire-Hathaway-Aktie ist wieder üppig. Der Buchwert aller Vermögenswerte betrug zum Jahresende 136 Milliarden Dollar, der Börsenwert der Holding liegt bei 190 Milliarden. Rund 40 Prozent Aufschlag auf den Buchwert ist es Anlegern also wert, dass Buffett die Holding managt. Üblich ist an der Börse das Gegenteil: Mischkonzerne werden, weil Anleger sich nicht in vielen Branchen verzetteln wollen, mit einem Abschlag auf ihren inneren Wert gehandelt.

Tabelle: Investments von Warren Buffett

Mit General Re ist Berkshire einer der größten Rückversicherer der Welt. Den grünen Gecko, Werbefigur des Buffett-Autoversicherers Geico, kennt in den USA jedes Kind. Zu Berkshire gehören lokale Stromversorger, ein Sammelsurium von Produzenten und Einzelhändlern – Schuhe, Möbel, Fast Food, Ziegelsteine, Fertighäuser, Juwelen und Süßwaren – und ein großes Portfolio börsennotierter Werte.

Das Portfolio ist eine wahre Geldmaschine: Für einige Jahre schien Buffetts größtes Problem darin zu bestehen, Investments zu finden. Ende 2004 hatte Berkshire 43 Milliarden Dollar Cash angehäuft. Buffett musste seinen Mitaktionären eingestehen, dass er dafür keinen Verwendungszweck gefunden habe. „Meine Hoffnung war es, mehrere Multi-Milliarden-Dollar-Investments zu machen“, sagte Buffett, doch er sei mit diesem Plan gescheitert. Immer wieder beklagte er fehlende Investitionsmöglichkeiten. Finanzinvestoren hatten mit billig geliehenem Geld die Preise getrieben.

In der Krise ist Cash King

Das änderte sich mit der Finanz- und Kreditkrise schlagartig. Zwar litten viele Berkshire-Beteiligungen ebenfalls stark unter der Rezession. Doch innerhalb des Berkshire-Verbunds geriet niemand in Finanzierungsnöte. Im Gegenteil: Buffett stützte einige US-Ikonen, die unter die Räder zu geraten drohten. „Auf dem Höhepunkt der Krise haben wir 15,5 Milliarden Dollar in Geschäfte gesteckt, die ansonsten nur bei der Regierung nach Hilfe schauen konnten“, sagt Buffett.

So bettelte Goldman Sachs um einen Vertrauensbeweis, den Buffett zu äußerst lukrativen Konditionen schließlich gab. General Electric gehörte ebenso zu den Beglückten wie Motorradbauer Harley-Davidson. Die Geschäfte waren alle ähnlich gestrickt: Buffett kaufte Wandelanleihen oder Anleihen mit Top-Zinsen. Goldman Sachs und General Electric zahlen ihm 10 Prozent, Harley gar 15 Prozent. Obendrauf kamen Bezugsscheine für Aktien. Die für 21,1 Milliarden Dollar gekauften und nicht börsengehandelten Papiere von Dow Chemical, General Elec-tric, Goldman Sachs, Swiss Re und die Beteiligung an Wrigley’s hatten Ende 2009 bereits einen Wert von 26 Milliarden. Sie generieren für einige Jahre zudem einen Cash-Strom von jährlich 2,1 Milliarden Dollar aus Dividenden und Zinsen.

Angst als Freund

„Wir haben in dem Chaos der vergangenen zwei Jahre eine Menge Geld investiert. Es war eine ideale Periode für Investoren: Ein Klima der Angst ist ihr bester Freund“, sagt Buffett. Dennoch muss sich Buffett heute die Frage gefallen lassen, ob er die Chance, auf die er lange warten musste, nicht nur halbherzig genutzt hat. Berkshire hielt auch in der Krise immens viel Cash. „Wir zahlen einen hohen Preis, um unsere erstklassige Finanzkraft zu erhalten“, sagt Buffett. „Die mehr als 20 Milliarden an Cash-vergleichbaren Anlagen, die wir üblicherweise halten, werfen zurzeit nur bemitleidenswerte Renditen ab. Aber wir schlafen gut.“ Erst wenn Ebbe komme, sehe man, wer nackt schwimmt, hatte Buffett immer vor zu viel Risiko gewarnt. Diese Sicherheits-Philosophie von Berkshire kommentierte ein Analyst spöttisch: „Er trägt nicht nur Shorts, sondern dazu Gürtel und Hosenträger.“

Die Reichsten der Reichen Quelle: AP

Stimmt. Die riskanteren Investments in Aktien sind seit den Tiefständen viel stärker gestiegen als die gut 23 Prozent, die Buffett in Anleihen derselben Unternehmen steckte. Der Aktienkurs von Goldman Sachs etwa verdoppelte sich, General-Electric-Papiere legten um rund 200 Prozent zu, ebenso Harley-Davidson. Und Anlageprobleme werden Buffett wieder einholen. Spätestens in den Jahren 2013 und 2014 dürften die Gesellschaften einen Großteil der Buffett-Hilfsgelder zurückgeben, das sehen die Verträge vor.

Besonders lukrative Investments findet Buffett nur noch selten. Und wenn, dann sind sie meist nicht mehr groß genug, um noch kräftig auf die Gesamtentwicklung des Giganten Berkshire durchzuschlagen. So kaufte Buffett Ende 2008 für 230 Millionen Dollar zehn Prozent am chinesischen Batterie- und Autoproduzenten BYD. Der Anteil stand zehn Monate später bereits mit rund zwei Milliarden zu Buche.

Die fetten Jahre sind vorbei

Doch er bräuchte mindestens ein Dutzend solcher Geschäfte. Seine Deutschland-Initiative verpuffte, stattdessen kaufte sich Buffett beim soliden, aber eher langweiligen Dax-Wert Münchener Rück ein. Auch sein lange erwartetes Mega-Investment, die in diesem Jahr vollzogene Übernahme der Eisenbahnholding Burlington Northern Santa Fe, wirkt schon fast wie ein Akt der Verzweiflung. Buffett zahlte für die Bahn eine Prämie von rund 30 Prozent auf den Aktienkurs, inklusive Schulden insgesamt 44 Milliarden Dollar.

Für seinen potenziellen Nachfolger Sokol dürfte es unmöglich werden, die Gewinne vergangener Jahrzehnte zu toppen. Daraus macht Buffett keinen Hehl: „Unser Performance-Vorteil ist dramatisch geschrumpft, während wir größer geworden sind“, schreibt er in einem Bericht, „das ist ein unerfreulicher Trend, der sich sicherlich fortsetzen wird.“

Bereits im Juni 2006 legte Buffett fest, dass ein Großteil seines Vermögens in mehrere Stiftungen fließen soll. Aktien im Wert von heute rund 40 Milliarden Dollar bekommt die Stiftung von Bill und Melinda Gates, Aktien für acht Milliarden Dollar sind für mehrere Stiftungen seiner Exfrau Susan und seiner Kinder Howard „Howie“, Susan „Sooz“ und Peter reserviert. Der von Buffett installierte Mechanismus – jedes Jahr werden fünf Prozent der reservierten Aktien auf die jeweilige Stiftung übertragen – garantiert diesen ewigen Geldzufluss; vorausgesetzt Berkshire Hatway bleibt auch in der NachBuffett-Ära einigermaßen erfolgreich.

Finanzstärke wie ein Fels

Fünf bis sechs Prozent Zuwachs im langfristigen Durchschnitt würden dafür reichen. Dass die zu schaffen sind, daran hat Buffett keine Zweifel: „Ich betrachte Berkshire als ein ideales Mittel, um das langfristige Wohlergehen einer Stiftung zu unterlegen“, schrieb er an Gates und seine Kinder, „die Gesellschaft hat eine Vielfalt von diversifizierten und starken Ertragsströmen und eine Finanzstärke so fest wie der Fels von Gibraltar.“

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