Doktorarbeiten Professor will Plagiate ausrotten

Es ist eine Ankündigung wie ein Donnerhall: 1000 Doktorarbeiten von Politikern will ein Professor auf Plagiate untersuchen. Das ehrgeizige Projekt ist bei Experten wegen der Methoden und Erfolgsaussichten umstritten.

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Plagiate-Jäger Uwe Kamenz. Quelle: handelsblatt.com

Uwe Kamenz hat einen großen Plan - mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Der BWL-Professor will 1000 Doktorarbeiten von Politikern auf Betrügereien untersuchen. „Ich will Plagiate in Deutschland ausrotten“, sagt der Dortmunder Fachhochschullehrer vollmundig. Hunderte Politiker hat er bereits angeschrieben - darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Antwort hat er bislang von den wenigsten bekommen. Unter Experten ist sein Plagiaterkennungssystem „Profnet“ umstritten. Angefangen hat alles mit Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Ex-Verteidigungsminister musste seinen Doktortitel abgeben, weil er massiv abgeschrieben hatte. Freiwillige legten im Internet über die Plattform Guttenplag seine Mogeleien Stück für Stück offen. Von dem Erfolg beflügelt, haben zumeist anonyme Aktivisten über das Netzwerk Vroniplag mittlerweile auch weitere Politiker wie die Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin (FDP) überführt.

Kamenz jagt Schummler indes schon seit fünf Jahren, „um den Ruf der Wissenschaft zu retten“. In Münster untersucht er mit dem an seinem privaten Institut für Internet-Marketing entwickelten System „Profnet“ Arbeiten auf Plagiate. Aber erst die Diskussion um pfuschende Politiker hat das Thema in den öffentlichen Fokus gerückt. In einem Brief forderte Kamenz Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) jüngst auf, alle Politiker-Arbeiten überprüfen zu lassen - und brachte dafür gleich sein Profnet ins Spiel: Für fünf Euro pro Stück könne er die etwa 1000 Arbeiten untersuchen. „Eine sehr einfache, preiswerte und höchst wirksame Maßnahme zur Verbesserung des Vertrauens in unsere Politiker“, heißt es zum Schluss. Das Ministerium erteilte dem Projekt eine Absage. Kamenz ist die Abgrenzung von den Plagiatejägern bei Guttenplag und Vroniplag wichtig: „Wir versuchen das wissenschaftlich neutral zu machen.“ Er wolle nicht nur Schummler anprangern, sondern auch Arbeiten veröffentlichen, die keine Plagiatindizien aufwiesen.

Insgesamt rechnet Kamenz mit zehn Prozent an „schwarzen Schafen“ - das wären 100 Dissertationen. Freiwillig eingeschickt haben bislang nur sechs Politiker ihre Arbeit. In der Plagiatejäger-Szene wird Kamenz für seinen Vorstoß kritisch beäugt. Im Forum von Vroniplag ist umstritten, dass Kamenz etwa nur ein „Ranking mit Plagiatwahrscheinlichkeiten“ liefern will und keine konkreten Textbelege.

Experten stehen Überprüfung skeptisch gegenüber

Experten wie die Plagiate-Forscherin Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin halten Kamenz' Ankündigung für überzogen. „Ich finde diese Vorgehensweise unseriös wegen dieser marktschreierischen Zusicherung.“ Plagiate aus der Welt schaffen könne man nur durch Aufklärung und eine bessere Betreuung der Doktoranden. „Da sind die Universitäten und die Politik gefragt.“ Zwar könnten die Systeme mehr oder weniger gute Hinweise auf Plagiate liefern. „Es gibt aber nicht das eine Top-Programm“, sagt Weber-Wulff. Im HTW-Vergleich mit anderen Plagiaterkennungssystemen schnitt Profnet indes recht bescheiden ab. Allerdings wurde das Projekt getrennt untersucht, da Kamenz die Teilnahme am Test nur unter gesonderten Bedingungen zugesagt hatte. „2008 hat Kamenz die Überprüfung ganz verweigert“, sagt Weber-Wulff.

Zwar sähen die sehr langen Profnet-Berichte durchaus professionell aus. Unklar sei aber oft, was die Zahlen-Kolonnen zu bedeuten hätten. Außerdem erkenne das System Plagiate oft nicht. Dabei sei in vier von fünf Testfällen eine einfache Suche mit Google ausreichend gewesen, um genügend abgeschriebene Stellen für eine Überführung zu finden. Das „wäre auch viel schneller gewesen“, so die Autorin der Untersuchung. Für die fünf zehn bis 20 Seiten langen Testtexte brauchte Profnet knapp zwei Wochen. „Ich frage mich, wie er dann jemals 1000 Politiker-Arbeiten schaffen will“, sagt Weber-Wulff. Kamenz hält dagegen, dass er sein Projekt quasi zum Selbstkostenpreis anbiete. „Das kann ja auch jederzeit jemand anderes machen, aber wir haben das System nun schon einmal entwickelt.“ Es nicht zu nutzen sei unsinnig - auch wenn es nicht das beste sei.

Für die Suche nach Plagiaten ist Kamenz' Institut für Internet-Marketing auf Spenden angewiesen. Sein Angebot, Doktorarbeiten für 500 bis 1000 Euro zu untersuchen, schlugen die meisten Hochschulen aus. Darum sollen ihn jetzt Hilfswillige mit Spenden unterstützen, sagt Kamenz. Ein Technikhersteller versorgte Profnet bereits mit einem teuren Scanner: Kamenz' Ankündigung, 1000 Dissertationen untersuchen zu wollen, ist für die Firma ein willkommener Werbe-Clou.

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