Futures und Optionen Fonds voller Derivate

Fondsmanager setzen statt Aktien oder Anleihen gern Derivate ein. So wollen sie Renditen anschieben und Fonds sicherer machen. Das gelingt allerdings nicht immer.

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Derivate können eine wacklige Angelegenheit sein Quelle: Birgit Lang

Der Chef wurde zurückgepfiffen: Dekabank-Vorstandschef Franz Waas wollte sein Institut zur Nummer zwei bei Derivaten machen, gleich hinter der Deutsche Bank. Doch kurz nachdem er seine Visionen für das Sparkassen-Haus auf einer Bankentagung präsentiert hatte, flogen in der Bank Unregelmäßigkeiten bei Derivate-Geschäften auf. Wirtschaftsprüfer monierten Schwächen beim Risikomanagement. In dem Fall ging es um Geschäfte mit bankeigenem Geld. Aus diesen soll sich die Dekabank künftig zurückziehen.

Für das Fondsgeschäft gilt diese Derivate-Zurückhaltung nicht. Hier darf munter weitergemacht werden. Bereits im Jahr 2008 mischten die Deka-Fondsmanager bei Derivate-Geschäften im Gesamtvolumen von 10,9 Milliarden Euro mit. Zu 41 Prozent setzten sie dabei hauseigene Produkte ein, die Deka-Investmentbanker schneiderten und an Deka-Fondsmanager verkauften. Waas prognostizierte im Februar, dass die Geschäfte bis zum Jahr 2020 auf 70 Milliarden Euro steigen könnten. Doch wer garantiert Fondsanlegern, dass bei den hausinternen Derivate-Geschäften mit den Fondsmanagern – anders als in deren Eigenhandel – alles glatt läuft?

Kaum ein Fonds ohne Derivate

Die Frage stellt sich Kunden vieler Fondshäuser. Kaum ein Fonds kommt heute ohne Derivate aus. Futures und Optionen, also Finanzinstrumente, mit denen Investoren auf die künftige Entwicklung von Aktien, Anleihen oder Währungen wetten können, wurden zuletzt vor allem eingesetzt, um Aktien- oder Anleihepositionen vor Kursverlusten zu schützen. Mancher Fondsmanager darf mit ihnen aber auch die Gewinnchancen – und naturgemäß auch das Verlustrisiko – seines Fonds verdoppeln. Derivate stecken inzwischen auch dort, wo Anleger sie nicht unbedingt erwarten: Außer in vielen Aktienfonds zum Beispiel in fast allen Renten- und Devisenfonds; auch bei den auf Sicherheit getrimmten Garantie- und Geldmarktfonds scheinen sie unverzichtbar.

Ohne Swap geht es gar nicht

Börsengehandelte Indexfonds bekommen die Abbildung komplizierter Indizes nur noch durch sogenannte Swap-Geschäfte hin. Vereinfacht gesagt tauscht der Fonds die Wertentwicklung (Performance) der von ihm gehaltenen Papiere gegen die Performance des Aktienindex, den er nachbilden soll. Swap-Partner ist eine Bank – bevorzugt die, zu der auch die Fondsgesellschaft gehört. Die Bank sichert sich über weitere komplizierte Transaktionen ab und garantiert gegen Gebühren als Swap-Partner dem Fonds die Performance des gewünschten Index. Gemacht wird dies vor allem, weil es für den Fonds zu teuer wäre, eine große Zahl von Papieren immer wieder einzeln zu kaufen und zu verkaufen.

Einige der größten Fonds aus Deutschland sind mit diesen synthetischen Instrumenten vollgestopft. Beim 17 Milliarden Euro großen UniOpti 4 von Union Investment verhindern Zins-Swaps, dass die 89 Prozent Yen-Anleihen, die im Fonds stecken, bei einem Währungscrash die Performance rauben. Beim 6,5 Milliarden schweren börsengehandelten Geldmarktfonds, dem DB-x-trackers Eonia Total Return garantieren Swap-Geschäfte zwischen Fondsabteilung und Deutscher Bank die Performance. Die Deka hat im vergangenen Jahr mit strukturierten Geldmarktfonds wie dem Deka-Opti-Rent 1+y insgesamt 10,3 Milliarden Euro bei Anlegern eingesammelt. 80 Prozent des Fondsvermögens bestehen aus Aktienoptionsrechten und strukturierten Wertpapieren.

Aufgestiegen und abgestürzt (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Grundsätzlich müssen Derivate nichts Schlechtes sein – wenn derjenige, der sie nutzt, die Kontrolle behält. Dass dies längst nicht immer gelingt, hat die Bankenkrise gezeigt, in deren Verlauf überbewertete und nicht mehr handelbare Derivate viele Banken an den Rand der Pleite trieben. „Es gibt Derivate, die einen fairen Preis haben und andere, an denen nur die Bank verdient“, sagt der unabhängige Frankfurter Fondsberater Martin Baulmann. Für die Banken würden die Geschäfte zunehmend attraktiv, weil sie die Erträge brauchen, die sie von Fonds bei Derivate-Transaktionen kassieren können. Geschäfte, die über Derivate-Börsen wie die Frankfurter Eurex laufen und sehr standardisiert sind, gelten als transparent. Dort gibt es für Futures und Optionen laufend veröffentlichte Preise über die auch die Börsenaufsicht wacht. Undurchschaubar und für Banken attraktiver sind Over-the-Counter-Geschäfte (OTC). Bei ihnen handeln Käufer und Bank abseits der Börse. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich taxierte in ihrer letzten Bestandsaufnahme im Juni 2008 den weltweiten Bestand an OTC-Derivate-Geschäften auf 683 Billionen Dollar.

Selbst traditionelle Fondsmanager dürfen mittlerweile wie Hedgefonds-Manager agieren. 2004 öffnete ihnen die Finanzaufsicht BaFin mit der Derivate-Verordnung den ganzen Instrumentenkasten. Durften Fonds zuvor nur Währungsrisiken absichern, können sie jetzt relativ frei spekulieren. Konnten die Manager von Aktienfonds zuvor nur Aktien kaufen oder aus dem Aktienmarkt aussteigen und Geld verzinst anlegen, setzen manche jetzt mit Derivaten auch auf fallende Kurse.

Auf das Können der Profis kann man sich nicht verlassen

Die Gefahr: Liegt der Fondsmanager falsch, wird ein Derivate-Geschäft durch den Hebeleffekt schnell zum teuren Missgeschick. Bei der Kölner Fondsgesellschaft Ampega Gerling geriet im Oktober 2008 eine Derivate-Strategie bei sechs Aktien- und einem Mischfonds außer Kontrolle Der deutsche Aktienfonds verlor in einem Monat über 60 Prozent an Wert. Fondsmanager Thomas Pethofer hatte über Optionen versucht, seinen Aktienfonds für den Fall zu schützen, dass der Dax unter 6000 Punkte gestürzt wäre. Später rechnete Pethofer offenbar nicht mehr mit einem so tiefen Sturz. Um die Kosten für die eigene Absicherung zu finanzieren, machte er ein Gegengeschäft und kassierte als Stillhalter beim Verkauf von Verkaufsoptionen Prämien. Als die Kurse dann doch noch abstürzten, ging der Fonds baden. Das Risikomanagement von Ampega Gerling zog die Reißleine und realisierte Verluste. Pethofer hat das den Job gekostet.

Weil bei einigen Gerling-Fonds die Derivate-Verordnung und interne Sicherheitsrichtlinien missachtet wurden, zahlte Gerling 17 Millionen Euro zum Ausgleich. Wiedergutgemacht wurde aber nur der Schaden, der durch Regelverstöße entstand. Die Anleger des Gerling Deutschland gingen leer aus. Der Kursrutsch hängt in der Einjahres-Performance nach: Der Dax liegt 30 Prozent im Minus, der Fonds 69 Prozent.

Das Beispiel zeigt: Auf das Können der Profis kann sich der Anleger nicht verlassen. „Es gibt keinen Führerschein für Derivate-Geschäfte – und auch der würde nicht davor schützen, mit 180 km/h gegen die Wand zu fahren“, sagt Baulmann.

Geheime Geschäfte (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

In klassische Aktienfonds halten die Derivate schleichend Einzug. Beschließt ein Fondshaus, sie in bereits bestehenden Fonds einzusetzen, muss es das den Fondsanlegern nicht individuell mitteilen. „Um überhaupt zu erkennen, ob in ihrem Fonds Derivate verwendet werden, sollten Anleger den Verkaufsprospekt lesen und in den Jahresbericht ihres Fonds schauen“, sagt Oliver Roll, Managing Director bei der Fondsratingagentur Telos.

Dort sind Derivate-Positionen und Risiken aufgelistet. Der bereits 1956 aufgelegte 2,4 Milliarden Euro schwere Dekafonds etwa hat in seinem jüngsten Jahresbericht 68 Short-Put- und Short-Call-Optionen ausgewiesen, einen Dax-Future mit einem Kurswert von 407 962 Euro sowie sechs Call- und Put-Optionen auf Indizes. Trotz der Verrenkungen verlor der auf deutsche Aktien spezialisierte Fonds im Jahr 2008 rund 46 Prozent, während der Dax nur ein Minus von 40 Prozent machte. Der Bestand an Derivaten im Fondsvermögen wird mit minus 2,6 Prozent ausgewiesen. Fondsmanager Trudbert Merkel war am Jahresende „short“. Ob er nur auf fallende Kurse eingestellt war, erkennt der Anleger daraus allerdings nicht. Und über das Risiko der Derivate-Geschäfte verrät die nackte Zahl wenig. Wie riskant die Derivate sind oder welche Summen über sie bewegt werden, bleibt unklar. „Den Schaden, den die Position anrichten kann, können Anleger nicht einschätzen“, sagt Baulmann.

In Derivaten liegt viel Gewinn

Nach der Lehman-Pleite machte auch unter Fondsanlegern der Begriff „Kontrahentenrisiko“ die Runde. Plötzlich wurde die Gefahr real, dass eine Bank Verpflichtungen aus Derivate-Geschäften nicht mehr erfüllen konnte. So erging es Lehman-Anlegern, die Zertifikate der Bank kauften. Als die Raten für Kreditausfallversicherungen von Derivate- und Zertifikate-Emittenten stiegen, wurden viele Anleger misstrauisch. „Unsere Kunden haben damals verstärkt den Einsatz von Derivaten in den Fonds hinterfragt“, sagt Ulf Becker, bei der Frankfurter Fondsboutique Lupus Alpha für derivatebasierte Fonds zuständig. Becker kann seinen Anlegern zumindest zusichern, dass er seine Derivate nur über geregelte Börsen wie die Eurex kauft und von außerbörslichen OTC-Derivaten die Finger lässt.

Komplett verzichten müssen Anleger nicht, die Formel „Derivate gleich verlustreiches Teufelszeug“ stimmt nicht immer. Mithilfe von Derivaten in Fonds ist auch für Privatanleger viel Geld zu verdienen: Wer mit Beginn der Finanzkrise im Juli 2007 den ETF DB-x-trackers Short Dax gekauft hat, um auf fallende Dax-Kurse zu setzen, verdiente bis heute 47 Prozent. Ohne Derivate funktioniert so etwas nicht.

Alles kann gutgehen – Anleger sollten eben nur wissen, worauf sie sich einlassen.

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