Das Ergebnis überrascht keinen: Nach einem wochenlangen Königsdrama in ungezählten Akten gibt das Präsidium der Deutschen Bank durch seinen (noch) Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig bekannt, was der Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann von Anfang an geplant hat und was allein sein Wille ist: Er bleibt der starke Mann der Deutschen Bank, bis Mai 2012 als Vorstandsvorsitzender und ab diesem Zeitpunkt als deren Aufsichtsratsvorsitzender.
So wenig ihn bisher gekümmert hat, wer unter ihm den Aufsichtsrat leitet, so wenig wird ihn kümmern, wer dereinst unter ihm den Vorstand spielen darf. Die Medien haben seine Gedankenwelt ja schon hinreichend trefflich aufgegriffen, wenn sie von der geplanten Doppelspitze ausnahmslos im Deminutiv sprechen, von "zwei halben Vorstandsvorsitzenden" oder den "Co-Vorsitzenden".
Besser also hätte es für Ackermann nicht laufen können, rechtzeitig hat er selbstlos verlauten lassen, er "lasse sich nochmals in die Pflicht nehmen" - um die ihm angemessene Dankbarkeit bereits im Vorfeld in allein ihm angemessenen Maße zu produzieren. Und hilfreich wie Arbeitnehmervertreter selten in deutschen Dax-Aufsichtsräten sind, hat die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, Karin Ruck, die ihr zugewiesene Rolle am Wochenende aufgegriffen und für den "Retter in der Not", the only Josef, öffentlichkeitswirksam Fürbitten vorgetragen. So etwas kommt gut an am Hofe Ackermann, l`Ackermann c`est moi.
Der Plan und seine Umsetzung scheint perfekt: Im angelsächsischen Ausland kennt kaum jemand wirklich das deutsche Vorstands-/Aufsichtsratsmodell und seine systemtragenden Elemente: Namentlich die Trennung zwischen Kontrolle und Führung bleiben bis heute nicht vermittelbar, es gibt immer nur einen starken Mann im Board, den Chief Executive Officer (CEO), der bis vor kurzem zumindest in den USA auch gleichzeitig der Vorsitzende des board (CoB) war und damit der uneingeschränkte "Herrscher aller Reussen" ist.
Auf diese Erfahrungen und Einschätzungen des internationalen Klientels kann Ackermann setzen, er ist und bleibt damit also "Mister Deutsche Bank". Angela und er werden also weiter Deutschland repräsentieren: Er denkt, sie assistiert, wie die staunende Öffentlichkeit zuletzt ja beim EU-Gipfel in Brüssel beobachten durfte. Ein Dreamteam? Ein Glücksfall für Deutschland?
Wie im absolutistischen Bayern
Im absolutistischen Bayern vor 125 Jahren, so wird uns anlässlich des 125. Todestags des Märchenkönigs Ludwig II. in Erinnerung gerufen, stand der König über dem Gesetz, derartiges Erdengebundenes und Menschengeschaffenes sollte und konnte ihn in keiner Weise verpflichten. Dieses Modell muss den Schweizer Josef Ackermann begeistern, er hat es offensichtlich mit der helvetischen Muttermilch eingesaugt. Denn Gesetzesverstöße pflastern seinen (Erfolgs-)Weg:
Vor fast zehn Jahren, kaum zum Vorstandsvorsitzenden berufen, verkündete er den Umbau des Vorstands der Deutschen Bank nach dem Modell des US-amerikanischen Board mit einem starken CEO und wenigen ihm untergeordneten "Kollegen"; selbst die Degradierung Einzelner vom Vorstandsrang auf die Direktorenebene wurde seinerzeit als Modellvariante diskutiert.
Im Jahr 2004 wurde das "Mannesmann-Verfahren" gegen Mitglieder des Vorstands- und Aufsichtsrat des damaligen Kommunikationsunternehmens eröffnet. Am Ende mussten sich Ackermann und eine Aufsichtsratskollegen durch das höchste deutsche Gericht, den Bundesgerichtshof, in selten harscher Weise vorwerfen lassen, sie hätten Millionenbeträge als "nachträgliche kompensationslose Anerkennungsprämien" zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ausgereicht.
Neben seinem "Victory-Zeichen" dürfte Ackermanns Statement in Erinnerung geblieben sein, demzufolge er in Deutschland für etwas verurteilt werde, wofür er in der Welt geehrt und verehrt wird. Beginn einer Königsdämmerung?
In den vergangenen Monaten versäumte der Vorstandsvorsitzende dann kaum einen Pressetermin, an dem er - stets allein - nicht von der "mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig gemeinsam" angelegten Suche nach seinem Nachfolger erzählte. Ein klarer Gesetzesverstoß: Nach dem deutschen Aktienrecht sind der Aufsichtsrat und gegebenenfalls dessen vorbereitende Ausschüsse allein und ausschließlich zuständig für die Auswahl und Bestellung der Vorstandsmitglieder.
Das sieht das Recht nicht vor
Noch weniger sieht das deutsche Recht vor, dass der zu ersetzende Vorstandsvorsitzende seine eigenen Pläne und Ideen forciert in den Medien diskutieren, und die des Aufsichtsratsvorsitzenden dabei nicht unkommentiert lässt. In epischer Breite ließ uns die Journaille wissen, was Ackermann von letzteren hält und welche seine "Favoriten" seien.
Es war höchst effizient, das Scheitern der Pläne des Aufsichtsratsvorsitzenden abzuwarten und ihm die "second best" Lösung der Doppelspitze verkünden zu lassen, bevor er selbst sich ohne jedes Risiko ausrufen ließ. Und nachdem die Doppelspitze, das empirisch belegt erfolgloseste Führungsmodell das wir kennen, hinreichend waidwund kommentiert wurde, kommt "Le Roi" wie der Phönix aus der Asche, lässt sich zur Krönung ausrufen und das Volk "Halleluja" psalmieren: Das Gesetz verbietet dies in klarer Sprache seit 2009, kein Vorstandsmitglied soll vor Ablauf von zwei Jahren in den Aufsichtsrats der von ihm geführten Gesellschaft wechseln, von der Übernahme des Vorsitzes ganz zu schweigen ("cooling-off-Periode"); der von den Aktiengesellschaften ungeliebte Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) sieht diese Sperre seit 2002 vor.
Der absolute Monarch aber muss das Gesetz nicht achten, und sein Hofe weist, medial so lautstark wie ehrerbietig unterstützt, auf eine Ausnahmeregelung hin, die ihm und den Claqueuren offensichtlich geeignet erscheint, die dort eingeräumte Ausnahme schnell und prominent (wieder) zur Regel werden zu lassen. Wenn sich Aktionäre, die zusammen mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an ihrer börsennotierten Gesellschaft halten, für einen solchen unmittelbaren Wechsel verbindlich aussprechen, kann ein solcher Kandidat von der Hauptversammlung gewählt werden - gesetzeskonform sozusagen.
Der Haken an dieser Hilfskonstruktion ist nur, dass diese Ausnahme vom Gesetzgeber nicht für Publikumsgesellschaften mit Streubesitz geschaffen wurde, sondern ausweislich der Gesetzesbegründung eigentümergeleiteten Gesellschaften und Mehrheitsaktionären eine Organgestaltung in eigener Sache ermöglichen sollte.
Die Doppelspitze wird sich nicht bewähren können
Denn die "Cooling-off-Periode" sollte und soll - nach international unstreitigen Vorbildern ohne eine solche Ausnahmevorschrift - gerade dort Interessenkonflikte vorbeugend vermeidend ansetzen, wo in Deutschland in der Vergangenheit diesbezüglich systematisch "gesündigt wurde": Bei den Banken, der Chemieindustrie und weiten Teilen der "Deutschland AG". Es darf in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung gerufen werden, dass nach 2002 von den 30 Dax-Unternehmen bei 17 Gesellschaften ein unmittelbarer Wechsel vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsratsvorsitz zur Durchführung kam.
Die Fortsetzung auf diesem absolutistisch geprägten Weg erscheint programmiert: Die geplante Doppelspitze, ungeliebtes "Erbe" aus der Börsig-Ära, wird, sollte sie überhaupt bis Mai 2012 als Modell noch Bestand haben, sich kaum bewähren können.
Der nur 18 Monate jüngere "Halbnachfolger" des ganzen Ackermann, Jürgen Fitschen, könnte aus guten Gründen der Selbstachtung auf das erwartete Scheitern des Führungsansatzes seinerseits verzichten und die allein überzeugende Ausgestaltung der zukünftigen Führung der Deutschen Bank bleibe dann, wo sie schon immer lag, in der Verantwortung von Josef Ackermann - dann sogar gesetzesgemäß.
Gute Governance war gestern, das Gesetz zeigt seine Bewährung in der Ausnahme und Interpretationsoffenheit: "Brot und Spiele für das Volk" hieß es bei den Cäsaren, "L`État c`moi" sollte auf den Soll- und Habentürmen der Deutschen Bank AG in Frankfurt als königsblaue, lilienumkränzte Leuchtschrift installiert werden, damit die Botschaft in die Welt getragen werde.
Zum Autor:
Prof. Dr. Dr. Manuel René Theisen lehrt an der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen Fachgebieten gehört die steuerliche Belastung von Unternehmen und betriebswirtschaftliche Fragen der Konzernunternehmung.