Gewerbeimmobilien Wie US-Immobilien deutsche Banken gefährden

In den USA drohen Milliardenverluste bei Gewerbeimmobilien – und deutsche Banken drehen heftig mit an dem gefährlich schlingernden Rad. Wie die Branche das Problem verschleiert, welche Lasten auf Wirtschaft und Börse zukommen.

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Beekman Tower im Bau, New York: Eurohypo und Nord/LB organisierten den Baukredit Quelle: Laif/Gaby Gerster

Wo der zu Stein gewordene amerikanische Traum stand, klafft heute eine trostlose Lücke: Das Drake Hotel in Manhattan, 1926 gebaut, war das Zuhause von Stummfilmstars, später beherbergte es den Boxer Muhammad Ali und den Pianisten Glenn Gould. Berühmt war es in den Sechzigerjahren für das „Shepheard’s“, eine der ersten Diskotheken New Yorks, wo DJ George Hyatt herrschte, nach seinem Motto: „Wenn die Leute anfangen zu reden, drehe ich die Musik lauter.“ An einem Sonnabend des Jahres 1965 standen 1200 Menschen vor dem Drake Hotel auf der Park Avenue und begehrten Einlass in den Club. Fünf Jahre später residierte Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Hermann Josef Abs im Drake.

Seine Nachfolger aber halfen dabei, es plattzumachen: Die Deutsche Bank organisierte 2006 den Kredit über 418 Millionen Dollar, mit dem Harry Macklowe das Drake kaufte — und abreißen ließ. Der Baulöwe wollte einen Büroturm bauen, mit Boutiquen auf den unteren Etagen.

Vier Jahre später verbirgt ein löchriger Bauzaun nur notdürftig eine der teuersten Baulücken der Welt. Macklowe hat sich an dem Geschäft verhoben, die Deutsche Bank beantragte im September 2008 die Zwangsvollstreckung, auch im Auftrag der Investoren, an die sie den Großteil des verpackten und aufgeteilten 418-Millionen-Kredits weiterverkauft hatte. Einige werden viel Geld verlieren: Vor wenigen Tagen kaufte Macklowe laut US-Medien mit einem neuen Partner Kreditanteile zu Billigpreisen zurück.

Immobilieninvestoren drohen gigantische Verluste

Die Geldgeber des Drake-Deals sind mit ihren Problemen nicht allein. Immobilieninvestoren in den USA drohen gigantische Verluste. So wie die Deutsche Bank haben auch andere deutsche Kreditinstitute auf dem Höhepunkt des Booms Großprojekte finanziert. Seitdem sind die Preise um 43 Prozent eingebrochen, sagt die Ratingagentur Moody’s. Viele Schuldner liegen unter Wasser – die Kredite bei Banken sind höher als der Wert der Immobilie. Die Leerstandsrate bei Büros beträgt in den USA gut 16 Prozent, in New York sind die Mieten um bis zu 45 Prozent eingebrochen. Wenn Mieten aber nicht mehr reichen, um Zinsraten zu zahlen, wird es eng.

Für Gewerbeimmobilien – dazu zählen große Bauprojekte für Apartment- und Mietobjekte genauso wie Büroimmobilien, Einkaufszentren, Hotels und Spielcasinos – haben Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 779 Milliarden Dollar Kredit aufgenommen. Das Geschäftsgebaren erinnert stark an das auf dem privaten Wohnungsmarkt, wo Millionen minderwertiger Subprime-Kredite vergeben und weiterverkauft wurden. Als die schwachbrüstigen US-Schuldner die Hauskredite nicht mehr bedienen konnten, crashte der Kreditmarkt – die Finanzkrise begann.

Ähnlich wie schnöde Eigenheimdarlehen verpackten findige Banker auch Gewerbeimmobilienkredite in undurchschaubare Pakete. Die Banken reichten die Bündel weiter und hielten deren Risiken so aus ihren Bilanzen. Das Versteckspiel führte dazu, dass Banker Kredite vergaben, die sie nicht verteilt hätten, falls die Darlehen auf ihren Büchern hätten bleiben müssen. In den kommenden Jahren müssen enorme Summen umgeschuldet werden. Doch weil Immobilien-Sicherheiten stark an Wert verloren haben, werden viele Investoren keine neuen Kreditgeber finden.

"Unmöglichkeit, bestehende Kredite zu refinanzieren"

Gewerbeimmobilien gelten deshalb als der nächste Gewittersturm, der Wirtschaftswachstum und Bankbilanzen treffen könnte. Wenn der Blitz einschlägt, erschüttert er auch die Börsen, vor allem die Banktitel. Auch wegen der „wachsenden Ausfälle bei Gewerbeimmobilien-Krediten“ hält Vermögensverwalter Bert Flossbach Bankaktien für uninteressant: Zu unwägbar seien die Gefahren.

„Wegen des Problems der Gewerbeimmobilien-Kredite droht ein Rückschlag am Aktienmarkt“, sagt Jörg Märtin, der für Georgieff Capital deutsche Unternehmen bei Börsengängen und Kapitalerhöhungen berät. Selbst Börsen-Optimisten wie David Kostin, für US-Aktien zuständiger Stratege bei Goldman Sachs, hält US-Gewerbeimmobilien für „ein echtes und ernsthaftes Problem“. Immer mehr Kredite würden ausfallen, deshalb mache er sich Sorgen um die US-Regionalbanken.

„Das größte Problem ist die Unmöglichkeit, bestehende Kredite zu refinanzieren“, sagt Kostin. „Es gibt einfach keine Käufer für verbriefte Immobilienkredite.“ Wenn Banken Kredite verlängern würden, blieben sie also auf dem Risiko sitzen. Tatsächlich wurden in den zwölf Monaten bis November 2009 nur 48 Milliarden Dollar in verbriefte Immobilienkredite („Commercial Mortgage Backed Securities“, CMBS) investiert. In den zwölf Monaten bis Oktober 2007 waren es dagegen 547 Milliarden Dollar — elf Mal so viel. Der Markt liegt am Boden. „Das Problem wird von den optimistischen Aktien-Investoren ignoriert, viele wissen nicht, was CMBS heißt“, sagt der ehemalige JP-Morgan-Banker Märtin. „Aber das kann sich schnell ändern. Vor zwei Jahren wusste auch kaum jemand, was Subprime-Immobilien sind.“

Bedrohung für das gesamte Finanzsystem

„Die Probleme bei Gewerbeimmobilien schaffen ein bedeutendes Risiko für das gesamte Finanzsystem“, warnte auch Kenneth Rosen von der Berkeley-Universität vor wenigen Tagen bei einer Anhörung des US-Kongresses. Er schätzt, dass der Crash in den kommenden Jahren 800 bis 1000 Milliarden Dollar an Eigenkapital und Krediten vernichten wird. Die Verluste werden nach und nach sichtbar, wenn Unternehmen beim Versuch scheitern, ihre Schulden zu refinanzieren. „Es drohen immer mehr Insolvenzen von Immobiliengesellschaften, was die sich mühsam stabilisierenden Finanzmärkte erneut belasten könnte“, sagt Andreas Busch, Ökonom beim Anleihefonds-Anbieter Bantleon.

Grafik: Preise für US-Immobilien

Die Zahlen sind dramatisch: Immobilienanalyst Richard Parkus von der Deutschen Bank erwartet, dass speziell die in den Boomjahren 2005 bis 2008 generierten Kredite zu hohen Verlusten führen werden. Für die 2007 ausgegebenen Darlehen prophezeit er einen Gesamtverlust von 21,3 Prozent der Kreditsumme.

Eine Abschreibungswelle bedroht die Existenz von mehr als 550 kleinen und mittelgroßen US-Banken, sagt Berkeley-Professor Rosen. Gerade diese stürzten sich in den vergangenen Jahren auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien, weil größere Banken den Wohnimmobilien-Markt beherrschten. Die Regionalbanken haben, anders als die großen Häuser, Immobilienkredite auch nur selten gebündelt und weiterverkauft, sondern sitzen selbst auf dem Risiko. „Wenn kleinere Banken zusammenbrechen, sinkt das bereits knappe Kreditangebot für kleinere Unternehmen und für Privatleute noch weiter“, sagt Rosen. Eine Last für die US-Konjunktur. Hinzu kommt, dass Bauindustrie und Dienstleister leiden, weil niemand mehr Büros oder Shoppingmalls baut.

Bis die Gewerbeimmobilien-Branche sich erholt hat, könnten zehn Jahre vergehen, sagt Kenneth Laub. Der 70-Jährige ist seit 1963 im Geschäft, damals heuerte er bei der Branchengröße Tishman an. Sein eigenes Unternehmen hat in 40 Jahren Transaktionen für 40 Milliarden Dollar betreut. „Wir sind die Letzten, die den Abschwung spüren — es geht gerade los. Wir werden auch die Letzten sein, die sich erholen“, sagt Laub. „Dieser Crash ist kein Problem von Angebot und Nachfrage, sondern der Überschuldung.“ Harvard-Ökonom Martin Feldstein sieht ein „Desaster“ heraufziehen.

EZB: Abschreibungsbedarf von 553 Milliarden Euro

Das trifft auch die Banken jenseits des Atlantiks. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor wenigen Wochen ihre Schätzung für die ihnen drohenden Finanzkrisen-Abschreibungen erhöht – auf 553 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2010. Bis Oktober hatten die Banken erst 180 Milliarden Euro abgeschrieben und 121 Milliarden Euro für die Risikovorsorge zurückgelegt — bleibt eine Lücke von 250 Milliarden Euro.

Den Gewerbeimmobilien-Markt bezeichnet EZB-Vize Lucas Papademos als eines der Hauptrisiken für die Wirtschaftserholung. Die Preise fallen auch in Europa, im Schnitt 2009 um zwölf Prozent. In einigen Ländern gab es bereits einen Preiseinbruch von über 30 Prozent. Investoren in England, Spanien, Osteuropa und vor allem in den USA sitzen auf Großkrediten, die längst nicht mehr den Kaufpreis wert sind. Diese Investoren stehen am Rand des Ruins – „on the edge“, wie es auf Englisch heißt, auf der Kippe.

Vor wenigen Monaten klang „Edge“ dagegen noch nicht nach Pleite, nach Schwelle zum Abgrund, sondern nach Stufe zu etwas Neuem: „The Edge“ heißt ein Apartment-Turm, der gut verdienende New Yorker aus Manhattan weglocken sollte, nach Williamsburg, auf die andere Seite des East River. Doch der Komplex mit 904 Luxuswohnungen, der in den nächsten Monaten fertig werden soll, ist bereits heute ein Symbol des auf Kante finanzierten Baubooms in den USA. Das einstige Arbeiterviertel Williamsburg hat der Bauwahn zum Immobilien-Krisengebiet gemacht: Halbfertige Bauprojekte an fast jeder Ecke, viele davon gestoppt oder zwangsversteigert. Wirklich flott gehe es auch bei dem Weiterbau von „The Edge“ nicht zu, sagt ein Bauarbeiter, der in der Mittagspause vor der Ziegelwand eines verlassenen Gebäudes raucht, „warum auch sich beeilen? Es würde eh nur leer stehen.“

Hypo Real Estate dick eingestiegen

Erst ein Bruchteil der Apartments ist verkauft. Bauherr Douglaston Development will umgerechnet mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter – Manhattan-Preise. „Wir haben eine abgesicherte Finanzierung“, lässt Douglaston-Vorstand Jeffrey Levine verlauten, „deshalb sind wir in der Lage, den Sturm zu überstehen.“

Deutsche Steuerzahler sollten Levine die Daumen drücken. Denn der Hauptfinanzier von „The Edge“ ist die Hypo Real Estate (HRE). Die verstaatlichte und mit Steuergeldern am Leben gehaltene Bank sagt nichts zu ihrem Engagement an der Uferfront von Williamsburg. Aus Kreditunterlagen, die das Analysehaus Real Capital Analytics ausgewertet hat, geht hervor, dass die HRE für das Projekt im Oktober 2005 eine Hypothek von 460 Millionen Dollar bereitgestellt hat.

Grafik: Fällige Rückzahlung für Kredite

Wie viel abgeschrieben wurde, wie viel die HRE heute noch in den Büchern hält, ist unklar. „Doch die zittern gewaltig“, sagt ein deutscher Banker, „vor allem, wenn man bedenkt, was nebenan passiert ist.“ Dort musste der US-Konzern Toll Brothers bei dem Luxusprojekt Northside Piers nach schleppendem Verkauf die Preise um mehr als ein Drittel kappen.

Bei der HRE kletterte das Volumen der auf einer Beobachtungsliste stehenden Problemkredite im Bereich Gewerbeimmobilien seit Ende 2008 von fünf Milliarden Euro innerhalb eines halben Jahres um 79 Prozent auf neun Milliarden  Euro. „Die deutlichsten Zuwächse sind in den USA“, heißt es dazu kleinlaut im Konzernzwischenlagebericht. Nicht verwunderlich, wenn man auf den Finanzierungsrausch der HRE in den Boomjahren 2006 und 2007 in den USA blickt: 520 Millionen für ein Ski-Resort in Aspen, 182 Millionen für ein Wohn- und Einkaufsprojekt in Denver, 240 Millionen für ein Hotel des Investors Donald Trump in Las Vegas und 442 Millionen für eines auf Hawaii, 393 Millionen für zwei Luxuswohnblocks in Atlanta, 105 Millionen für ein Entertainment-Center in Harlem.

Riskante Kreditfinanzierungen für US-Gewerbeimmobilien landeten auch noch auf einem anderen Weg in der Bilanz der HRE. 2006 legte die Bank den Quadra Realty Trust auf, einen Immobilienfonds, den sie im Februar 2007 an der New Yorker Börse einführte. Die HRE behielt 35 Prozent, konnte aber gleich zu Beginn 246 Millionen Dollar eigene Finanzierungen in späteren Krisengebieten wie Miami, Las Vegas und New York im Fonds abladen.

Meister des miserablen Timings

Die Idee dahinter: Die Bank hätte nicht nur als Konsortialführer an der Kreditvergabe verdient, sondern auch als Manager des Fonds kassiert – und zudem das eigene Kreditrisiko auf andere Schultern verlagert. Doch die HRE-Manager erwiesen sich vor allem als Meister des miserablen Timings. Weniger als ein Jahr nach dem Börsengang musste die HRE die Anteile des Fonds, der Eignern nur herbe Kursverluste beschert hatte, zurückkaufen – zu 38 Prozent über dem Börsenkurs. Wegen der Finanzkrise hatte die Refinanzierung des auf fast 700 Millionen Dollar Kreditvolumen angeschwollenen Fonds gestockt, Kreditgeber forderten ihr Geld zurück.

HRE hätte ohnehin einspringen müssen. Jetzt hat sie das Kreditportfolio von Apartmentblöcken, Geschäftshäusern, Hotels und Büros in der Bilanz. Es dürfte weiter an Wert verloren haben. Über 400 Millionen Dollar des Portfolios steckten in besonders riskanten Baudarlehen.

HSH stieg erst auf dem Höhepunkt ein

„Sie tauchten spät hier auf, sind aber dafür umso aggressiver aufgetreten“, spottet ein deutscher Banker über die HSH Nordbank. Heute knabbert die ums Überleben kämpfende Bank an den Folgen. So hatten die Norddeutschen noch Ende 2007 750 Millionen Dollar Kredit bereitgestellt, den ein Spekulant für die Umwandlung des Apartmentkomplexes „Manhattan House“ mit fast 600 Einheiten auf der Upper East Side in Luxuswohnungen brauchte.

Den HSH-Leuten war es zunächst sogar gelungen, ein Finanzierungskonsortium auf die Beine zu stellen. Doch als die Bewohner sich gegen Mieterhöhungen und die Umwandlung in Luxuswohnungen wehrten und zudem der Verkauf nur sehr schleppend in Gang kam, kniffen die HSH-Partner. Laut dem Branchendienst „Commercial Mortgage Alert“ zwangen sie die Deutschen, alle Darlehen und damit das ganze Kreditrisiko zu übernehmen. Angeblich hatte die HSH zu diesem Zeitpunkt in den USA bereits rund sechs Milliarden Dollar Kreditvolumen, die sie nicht mehr syndizieren konnte und deshalb in die eigenen Bücher nehmen musste. Die HSH will sich dazu nicht äußern.

Ein ähnliches Malheur passierte der Frankfurter Helaba. Gemeinsam mit dem sparkasseneigenen Fondshaus Deka vergab sie einen 415-Millionen-Kredit für das Toy Building am Madison Square. Co-Eigner des Gebäudes war die Investmentbank Lehman Brothers. Das zu mehr als der Hälfte leer stehende Bürogebäude ist Teil des Lehman-Konkursverfahrens. Möglicherweise müssen die Hessen das Objekt übernehmen, um Verluste bei einer Zwangsveräußerung zu verhindern. „Wir müssen nur einen Mieter finden, dann wird das noch was“, gibt sich Hans-Christian Ritter von der Helaba in New York optimistisch.

Selbst mit vermeintlich erstklassigen amerikanischen Partnern fielen deutsche Banken in New York auf die Nase. So war die Commerzbank-Tochter Eurohypo im August gezwungen, den 30-stöckigen neu gebauten Apartmentturm „Forte“ in Brooklyn selbst zu übernehmen. In dessen Fertigstellung wollte Mehrheitsinvestor Goldman Sachs angesichts düsterer Aussichten offensichtlich kein zusätzliches Geld mehr investieren. Goldman musste bereits 35 Millionen Dollar abschreiben. Eurohypo-Manager Clifford Rooke hofft, mit einem blauen Auge davonzukommen: „Wir arbeiten sehr hart daran, unser Investment zu 100 Prozent zurückzuerhalten.“

Problem-Hochhaus: Finanzierung von NordLB und Eurohypo

Schlimmere Bauchschmerzen bereitet ihm ein Mammutprojekt auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge. Dort, im von der Krise besonders geschüttelten Financial District, klettert gerade die silberne Titanfassade des Beekman Tower, eines vom Stararchitekt Frank Gehry entworfenen 76 Stockwerke hohen Wolkenkratzers, an einem Stahlgerüst empor. Die Eurohypo war mit der Nord/LB einer der Konsortialführer für ein 680 Millionen Dollar schweres Baudarlehen.

Bereits im vergangenen Frühjahr gab es Stress mit dem Bauherren, der sogar drohte, den Turm um die Hälfte zu kappen. Jetzt könnten angesichts der eingebrochenen Preise für Eigentumswohnungen die rund 900 Luxuswohnungen, von denen im Financial District bereits Hunderte zum Verkauf stehen, in Mietwohnungen verwandelt werden. Das würde aber auch bedeuten, dass die Banken das geliehene Geld nicht so schnell wieder zurückbekommen werden wie geplant. Und ob die Mieteinnahmen ausreichen werden, um die Zinszahlungen zu decken, ist angesichts der in dem Viertel bereits um deutlich mehr als 20 Prozent eingebrochenen Mieten zweifelhaft.

Offene Immobilienfonds mischen mit

Tabelle: Engagement deutscher Banken bei Gewerbeimmobilienkrediten

Auch deutsche Anleger sind in den USA mit von der Partie: Offene Immobilienfonds haben 3,7 Milliarden Euro in rund 50 Bürogebäude und Einzelhandelsobjekte investiert – vier Prozent der 92 Milliarden Euro, die die Fonds verwalten.

Allein der KanAm US-Grundinvest-Fonds hat zwölf US-Immobilien im Bestand. Die Anleger kommen zurzeit nicht an ihr Geld: Die Fondsgesellschaft nimmt keine Anteile von Anlegern zurück, weil die Liquidität knapp geworden ist und Immobilien in der Größenordnung von 150 bis 300 Millionen Dollar nur schwer verkäuflich sind. 2008 machte der Fonds noch 11,9 Prozent plus, 2009 rutschte die Rendite auf minus ein Prozent – primär wegen des gesunkenen Dollar-Kurses. Hohe Abwertungen von US-Objekten durch Sachverständige gibt es weder bei KanAm noch bei den anderen Fonds. Sie berufen sich darauf, dass ihre Gebäude langfristig und sicher vermietet seien.

Das gleiche Bild bei der Deutschen Bank: Der Immobilienfonds Grundbesitz Global, der rund 20 Prozent seines Vermögens in den USA investiert, beteiligte sich noch im Herbst 2007 an Apartmentblocks in Kalifornien. Deren Verkehrswerte in Euro wurden im Sommer 2009 zwar um rund zehn Prozent korrigiert – allerdings hat in dieser Zeit der Dollar gegenüber dem Euro ebenfalls in dieser Größenordnung nachgegeben.

Auch der UniImmo Europa von Union Investment hat bisher nur Währungsverluste korrigiert. Die Marke Europa führt hier in die Irre: 956 Millionen Euro, 15 Prozent des Fonds, stecken in US-Immobilien. Ein 50-stöckiges Bürohochhaus am Broadway stieg im Wert von Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 mit dem damals anziehenden Dollar sogar von 369 Millionen auf 397 Millionen Euro. Der Fonds ist liquide, muss nicht verkaufen. Zum Test, ob die ausgewiesenen Preise tatsächlich gezahlt würden, kam es bisher nicht.

Wegschauen und Verlängern ist derzeit en vogue

Selbst wenn Abwertungen unvermeidlich scheinen, fallen diese sehr gemäßigt aus: Der TMW Pramerica Weltfonds verlor im Einkaufszentrum in Lady Lake in Florida Ende 2008 zwei Mieter durch Insolvenz. Zusammen brachten sie ein Viertel der Mieten. Im Juli wurde der Wert der Immobilie korrigiert – um 4,3 Prozent.

Was Bürotürme und andere Gewerbeobjekte in US-Städten tatsächlich noch wert sind, ist nicht einmal bei einem realisierten Verkauf eindeutig abzuschätzen. So brachte etwa der Hancock Tower, eine Top-Immobilie im Zentrum von Boston, die ein Spekulant 2006 für 1,3 Milliarden Dollar gekauft hatte, bei einer Auktion im vergangenen Frühjahr gerade noch 660 Millionen Dollar. Diese Summe könnte allerdings noch zu hoch sein, meint Mike Shedlock von der Investmentfirma Sitka Pacific Capital. Wenn man die günstige Finanzierung berücksichtige, mit der die kreditgebende Bank dem Käufer das Geschäft schmackhaft machte, liege der Preis bei 470 Millionen Dollar.

Die Taktik des Wegschauens und Verlängerns von Krediten — „Pretend and Extend“ — sei derzeit en vogue, sagt Aktienstratege David Kostin von Goldman Sachs: „Die Banken verlängern Kredite und tun einfach so, als ob die Mieten und Preise nicht stark gefallen wären.“ Dan Fasulo von Real Capital Analytics sieht das als „Möglichkeit, drohende Verluste zu verstecken und zu verschieben“.

Hinausgeschobene Abschreibungen

Die Vertuschungsstrategie wird sogar amtlich gefördert. Ende Oktober veröffentlichte die Bankaufsicht FDIC einen Leitfaden zur Bewertung von Krediten für Gewerbeimmobilien. Die Botschaft: Banken werden nicht gerügt, wenn sie Kredite verlängern und modifizieren, selbst wenn der Wert der als Sicherheit eingebrachten Immobilie gesunken ist und die Darlehen Schwachstellen haben.

Das Signal an Finanzchefs und Wirtschaftsprüfer der Banken könnte nicht klarer sein: Ihr dürft eigentlich zur Abschreibung fällige Werte noch eine Weile unberührt lassen. Ebenso klar das Motiv der Aufseher: Sie wollen ein weiteres Anschwellen der Pleitenwelle unter Regionalbanken verhindern.

Deutschen Banken dürfte das Augen-Zudrücken aber kaum helfen. „Die deutschen Wirtschaftsprüfer“, sagt ein Immobilienexperte „schauen bei den nächsten Jahresabschlüssen besonders genau hin.“

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