Immobilienkrise in den USA Verzweiflungstaten bei Hausbesitzern und Banken

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Immobilien-Anzeigen in Quelle: AP

Ein Abebben der Versteigerungswelle kann nur ein Stopp des Preisverfalls bei US-Immobilien bringen. Im Januar gab es erste Hoffnungsschimmer: Angesichts niedriger Hypothekenzinsen und gefallener Preise wagten sich erste Käufer auf den Markt. Der Bestand an zum Verkauf stehenden gebrauchten Immobilien rutschte ab, die Zahl der Zwangsversteigerungen gab im Januar im Vergleich zum Vormonat um knapp zehn Prozent nach.

Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Zahl allerdings immer noch um fast 18 Prozent gestiegen – und Banken und einige US-Bundesstaaten hatten ein Moratorium beschlossen, das die Januar-Zahlen drückte. Der Bestand an zum Verkauf stehenden Häusern dürfte geschrumpft sein, weil viele Verkaufswillige, die es sich leisten konnten, ihr Objekt angesichts der miesen Marktsituation zurückgezogen haben. Zudem wurden zahlreiche Objekte nicht mehr zum Verkauf, sondern zur Miete angeboten und verschwanden aus der Statistik. „Der Indikator, auf den man achten muss, sind die Verkäufe von Gebrauchtimmobilien“, sagt Lawrence Yun, Chefökonom der Nationalen Vereinigung der Immobilienmakler. Und da gab es erst vergangene Woche wieder Ernüchterung: Im Vergleich zum bereits schwachen Vorjahresjanuar gaben die Verkaufszahlen nochmals um 8,6 Prozent nach.

Verzweiflungstaten der Hausbesitzer nehmen zu

Das eigene Haus zu verlieren – das ist mehr als manche Amerikaner ertragen können. Was folgt sind Verzweiflungsaktionen. In Ocala in Florida erschoss ein Mann, dessen Haus zwangsversteigert werden sollte, seine Frau und seinen Hund, dann legte er Feuer und tötete sich selbst. In Otero County in New Mexico wurden während einer stundenlangen Schießerei mit einem Hauseigentümer, der sich verschanzt hatte, zwei Polizisten verletzt, die einen Räumungsbefehl übergeben wollten.

Der Notruf als Aufforderung zur Hilfe – dieses vom Richter Cardozo stammende und vor dem Gericht in Queens verewigte uramerikanische Prinzip – scheint in der Immobilienkrise in Vergessenheit geraten zu sein. In Akron im US-Bundesstaat Ohio schoss sich eine 90-jährige Witwe mit einem Revolver in die Brust, nachdem sie einen Räumungsbefehl für das Haus erhalten hatte, in dem sie seit 38 Jahren lebte. Ein Nachbar hörte den Schuss und fand sie blutend auf ihrem Bett liegend. Sie überlebte schwer verletzt. Die Hypothek über 45.000 Dollar auf das Haus, das nur noch deutlich weniger wert war, wurde ihr von Wells Fargo nach einem öffentlichen Aufschrei erlassen. „Du musst dich schon erschießen“, resümiert eine Nachbarin der alten Dame, „um hier Hilfe zu bekommen.“

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