Johannes Graf von Schmettow "Dramen an der Tagesordnung"

Warum Doppelspitzen in Unternehmen sinnvoll sein können, vielen Unternehmen eine professionelle Nachfolgeplanung schwer fällt. Und was einen guten Chef ausmacht: Ein Interview mit dem Top-Personalberater Johannes Graf von Schmettow.

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Herr von Schmettow, nach wochenlangem Gezerre steht fest: Die Deutsche Bank wird nun von einer Doppelspitze geführt: dem vergleichsweise jungen Investmentbanker Anshu Jain und dem Grandseigneur Jürgen Fitschen. Eine gute Entscheidung?von Schmettow: Die konkrete Personalentscheidung der Deutschen Bank werde ich nicht kommentieren. Aber grundsätzlich gilt: Wenn sich zwei Top-Manager inhaltlich ergänzen, charakterlich gut zueinander passen und sich vertrauen, kann eine Doppelspitze sinnvoll sein. Scheitert aber möglicherweise bereits am Aktienrecht, das zwei gleichberechtigte Vorstandsvorsitzende nicht vorsieht.von Schmettow: Das Gesetz mag im Wortlaut nicht eindeutig sein. Nach meinen Informationen sollte eine Doppelspitze aktienrechtlich aber zulässig sein. Dafür gibt es ja auch in der Vergangenheit Praxisbeispiele.Aber die Erfahrung zeigt doch: Doppelspitzen funktionieren eigentlich nie. Gerade ist bei "Focus" Co-Chefredakteur Wolfgang Weimer rausgeflogen, Uli Baur führt das Blatt künftig allein.von Schmettow: Ich teile mir die Geschäftsführung von Egon Zehnder Deutschland mit Michael Ensser, und wir fahren gut damit. Und auch bei der Deutschen Bank hat es ja schon einmal geklappt: Bevor Alfred Herrhausen im Mai 1988 alleiniger Vorstandssprecher der Deutschen Bank wurde, hat er sich diese Position drei Jahre lang mit seinem Ziehvater Friedrich Wilhelm Christians geteilt. Der Bank hat das sicherlich nicht geschadet. 

Die neue Doppelspitze soll aber offenbar länger bestehen bleiben: Der Vertrag des Privatkunden-Vorstands Rainer Neske wurde vorauseilend um fünf Jahre verlängert, er wird bereits als der nächste  Mann an Jains Seite gehandelt, wenn Fitschen in drei Jahren ausscheidet. Ist eine so lange Vorausplanung sinnvoll und realistisch?von Schmettow: Fakt ist: Die meisten Unternehmen fangen zu spät an, über die Nachfolge nachzudenken. Aber grundsätzlich kann auch ein Unternehmen, das frühzeitig alles auf eine Karte setzt, Probleme bekommen.  Warum?von Schmettow: Legt sich das Unternehmen auf einen Kandidaten fest, besteht die Gefahr, dass der Kronprinz den Ball flach hält, weil er seinen Aufstieg nicht gefährden will. Es ist sogar vorstellbar, dass das Unternehmen sich scheut, ihn mit kritischen Aufgaben zu betrauen, um ihn nicht zu beschädigen. Man hält auf Teufel komm raus an ihm fest, selbst wenn er – zum Beispiel, weil sich die Unternehmenssituation geändert hat - gar nicht mehr die richtige Wahl für die Spitze ist.  Was wäre die Alternative?von Schmettow: Eine Kultur zu etablieren, in der es selbstverständlich ist, Führungskräfte in regelmäßigen Abständen zu evaluieren. Das gilt dann auch und gerade für den designierten Nachfolger. Stellt sich heraus, dass er der zweifellos größten Verantwortung im Unternehmen fachlich oder menschlich nicht gewachsen ist, muss man den Mut besitzen, eine einmal vorgezeichnete Nachfolgeentscheidung zu revidieren. Beim Blick auf die Nachfolgeplanungen vieler Unternehmen fragt man sich: Kann denn keiner mehr Nachfolge? von Schmettow: Platon schrieb vor 2400 Jahren sinngemäß in seiner "Politeia": Ich kenne keinen sicheren Weg zum Erfolg, aber einen zum Misserfolg: Nämlich, es allen Recht machen zu wollen - diese Gefahr besteht im hochkomplexen Prozess einer Nachfolgefindung.  

Warum?von Schmettow: Es ist einfach, es falsch - und sehr schwer, es richtig zu machen. Es mangelt an einer ausgeprägten Kultur professioneller Nachfolgeplanung in den Unternehmen. Da sind Dramen an der Tagesordnung. Woran liegt das?von Schmettow: Es gibt eben immer wieder Menschen, die nicht abtreten wollen. Egal, ob in Konzernen oder Familienunternehmen - Nachfolgeplanung gehört zu den schwierigsten Disziplinen der Unternehmensführung. Sie haben 30 Sekunden: Welche sind die drei wichtigsten Knackpunkte bei der Suche und Installation eines neuen Chefs?von Schmettow: Erstens: Bereits zwei bis drei Jahre vor dem Ausscheiden des aktuellen CEO sollten potenzielle Nachfolger in das Leitungsorgan berufen werden. Dadurch verschafft sich das Aufsichtsgremium eine Bandbreite an Optionen und reduziert so das Risiko des Scheiterns. Zweitens: Für Führungskräfte, die das Potenzial zum Vorstandsvorsitzenden haben, werden individuelle Entwicklungspläne definiert. Und drittens sollte der ganze Prozess natürlich mit der gebotenen Diskretion stattfinden. Mit Verlaub: Damit erzählen Sie nichts Neues. Das kann man in jedem Management-Handbuch nachlesen. Oder auf Ihrer Homepage. Warum scheitern dennoch viele Unternehmen und ihre Aufsichtsräte an dieser Aufgabe?von Schmettow: Die Straßenverkehrsordnung ist ja auch bekannt - und trotzdem wird ständig gegen sie verstoßen. Es sind schon Bürgermeister von der Polizei mit dem Telefon in der Hand am Steuer erwischt worden. Oder weil sie zu schnell gefahren sind. Einige erklären ihr Verhalten dann auch noch als dienstlich notwendig und legitim.

Wir reden hier nicht von einem vergleichsweise geringfügigen Verkehrsdelikt. Sondern von der elementarsten Übung guter Unternehmensführung ...von Schmettow: Trotzdem überrascht es mich nicht, dass viele Unternehmen damit so große Probleme haben. Die Regeln guter Unternehmensführung sind das eine, der menschliche Instinkt eine andere Sache. So gesehen mag Nachfolgeplanung ein Widerspruch in sich sein. Worin besteht der Widerspruch?von Schmettow: Das Dilemma ist: Man muss schon in dem Moment beginnen, über das Thema nachzudenken, in dem der oder die Neue das Amt antritt - und man diese schwierige Aufgabe gerade erst gelöst hat. Das hat fast etwas von Verrat. Und der Weg an die Unternehmensspitze ist ohne eine gewisse Machtorientierung nicht möglich. Unter diesem Aspekt ist es ein psychologisches Hemmnis und wider die Intuition, schon bei Amtsantritt über die eigene Nachfolge nachzudenken. Weshalb es ja auch die Aufgabe des Aufsichtsrats ist und nicht des amtierenden Amtsinhabers, seinen Nachfolger zu suchen. Um eben nicht sehenden Auges ins Verderben zu rennen.von Schmettow: Natürlich hat auch der Amtsinhaber die Verantwortung, zu seiner Nachfolge beizutragen. Wenn nicht alle Beteiligten - Aufsichtsrat und Vorstand - in ihrem Inneren das Thema Nachfolge frühzeitig annehmen, steht jeder Führungswechsel unter einem schlechten Stern.

Also hat die Gruppe italienischer Wissenschaftler doch recht, die dafür plädiert, bei Beförderungen auf das Zufallsprinzip zu setzen?von Schmettow: Natürlich nicht. Ein geordneter Prozess ist unabdingbar. Aber vielen Aufsichtsräten fehlt es diesbezüglich naturgemäß an Erfahrung. Mehr als ein, zwei Mal wird kaum einer einen solchen Prozess in seiner Karriere begleiten. Aber es wird in den nächsten Jahren mit zunehmender Professionalisierung der Corporate Governance besser werden. Welche Fehler und Probleme beobachten Sie in der Nachfolgeplanung derzeit noch am häufigsten?von Schmettow: Abgesehen von der zu späten Planung des Prozesses kommt es nicht selten zu einem "more of the same": Es wird ein Nachfolger gesucht und installiert, der dem Amtsinhaber fatal ähnelt und bewährte Pfade nicht verlässt. Klar. Der Vorgänger will eben nicht im Schatten seines Nachfolgers stehen …von Schmettow: Was stimmt: B-Leute suchen C-Leute. Aber gute Leute suchen gute Leute. Das heißt: Der alte Chef muss akzeptieren können, dass der Neue einen ganz anderen Kurs fährt. Und der Neue muss in der Lage sein, das Ruder wenn nötig völlig rumzureißen. Einfach, weil neue Zeiten neue Richtungen brauchen.

Was zeichnet einen guten Chef noch aus?von Schmettow: Er braucht Spikes. Was heißt das?von Schmettow: Wir haben zusammen mit McKinsey Wachstumsunternehmen analysiert. Interessanterweise stehen bei den erfolgreichsten Unternehmen Topleute an der Spitze, die sehr ausgeprägte Stärken auf einzelnen Gebieten, aber eben nicht in allen Bereichen haben. Ein guter CEO kennt seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Um es mit dem amerikanischen Management-Vordenker Jim Collins zu sagen: Er muss bescheiden sein - und gleichzeitig ein Dickkopf.

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