Russlands Modemarkt Deutsche Markenhersteller wollen wieder mitmischen

Der russische Modemarkt ist von 2002 bis 2007 jährlich um bis zu ein Drittel gewachsen. In der Krise war er ebenso drastisch abgestürzt. Jetzt kehrt die Kauflust der Russinnen und Russen allmählich wieder zurück.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Laden des Modeherstellers Benetton: Die Kette zeigt sich in Russland expansionsfreudig. Quelle: handelsblatt.com

In Russlands neuem Modemarkt spielt das Preis-Leistungsverhältnis eine größere Rolle als früher. Davon profitieren deutsche Markenhersteller besonders. Viele haben zu Krisenzeiten ineffektive und säumige Distributoren abgestoßen - und können jetzt durchstarten. Russlands Modemarkt wird zu 85% durch Importe versorgt.

Der russische Modemarkt, dazu zählen neben Oberbekleidung und Unterwäsche auch Schuhe, Ledertaschen, Lederkleidung und Pelze, hat in den vergangenen Jahren ein beachtliches Niveau erreicht. Trotz der Wirtschaftskrise beläuft sich das Marktvolumen auf 38 Mrd. US$. Der Großteil der Artikel (85%) wird importiert - zu dieser Einschätzung gelangt Reinhard Döpfer vom German Fashion Modeverband Deutschland e.V.

Deutschland hat laut deutschem statistischen Bundesamt von Januar bis November 2010 Bekleidung im Wert von knapp 500 Mio. Euro nach Russland verkauft. Das waren 10% weniger als noch im Vorjahreszeitraum. Dennoch gehört das größte Land der Welt damit zu den Top-10-Exportmärkten. Einen höheren Außenhandel mit Bekleidung erzielt die Bundesrepublik nur mit ihren direkten Nachbarstaaten und Italien.

Der Multibrand-Fachhandel rutschte zwar erst in der Saison 2008/2009 in die Absatzkrise. Aber erste Probleme zeichneten sich bereits ab, als die Kauflust der Kundinnen und Kunden noch nicht getrübt war. Viele Modeladen-Besitzer in Moskau und Sankt Petersburg, aber auch in den regionalen Hauptstädten, hatten Ende 2007 und Anfang 2008 mit einer Kostenexplosion bei den Mieten zu kämpfen. Auch die Löhne und Gehälter der Verkäuferinnen und Verkäufer waren bis dahin auf ein beachtliches Niveau gestiegen. Als dann Ende 2008 die Nachfrage einbrach, mussten viele Läden schließen. "Rund 30% aller Familienunternehmen in Russland haben bankrott angemeldet", sagte Reinhard Döpfer gegenüber Germany Trade and Invest auf der internationalen Modemesse CPM Ende Februar in Moskau. Auf dem deutschen Gemeinschaftsstand präsentierten über 150 Aussteller aus der Bundesrepublik ihre neuesten Modeartikel.

Die spürbar gesunkene Nachfrage setzte nicht nur die Ladenbesitzer unter Druck, sondern machte sich auch bei den Großhändlern bemerkbar und bei der Zahlungsmoral vieler Distributoren. "Viele deutsche Bekleidungshersteller haben sich deshalb von ihren russischen Distributoren getrennt", so Döpfer.

Die deutschen Modeimporte nach Russland haben sich bisher auch nicht wieder erholt. Im Gegenteil: In den ersten drei Quartalen 2010 gingen die Ausfuhren ins größte Land der Welt um 15% auf 383 Mio. Euro zurück. Besonders stark betroffen waren Damenmoden mit einem Einbruch um ein Fünftel. Die gravierendsten Rückgänge verzeichneten Hersteller von Damenjacken für zu Hause (-39%), von Damenmänteln und Jacken (-23%) sowie Damenkostümen (-23%). Aber auch die Exporteure von Krawatten (-26%) und Herrenanzügen (-22%) verzeichneten von Januar bis September 2010 massive Umsatzeinbußen im Russlandgeschäft. Damit lagen deutsche Modemarken mit einem Marktanteil von 25,7% unter den Herstellern aus den EU-15-Staaten auf Platz zwei - hinter Italien. Dieses büßte in den ersten drei Quartalen 2010 lediglich 2% Exportumsatz ein.

Doch für 2011 sind die Vorzeichen weitaus besser. "Der russische Markt wird für uns wieder an Bedeutung gewinnen", gibt sich Döpfer zuversichtlich. Das liege größtenteils am veränderten Stil vieler Russinnen und Russen, der sich zusehends der deutschen Mode annähere. "Die russischen Frauen werden dezenter und eleganter, Glitzer ist out", so der Modefachmann. Hochwertige Materialien rücken in den Mittelpunkt. "Die Russin von heute entwickelt ein rationales, gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis. Davon werden wir Deutschen profitieren", prophezeit Döpfer. Dasselbe gelte für Männermoden; die Nachfrage gehe in Richtung mittlere Preislage.

Während im letzten Boom-Jahr 2008 rund ein Viertel aller Russinnen und Russen Mode aus dem Premiumsegment kaufte, würden sich heute nur noch 15% der Bevölkerung Shoppingtouren in teuren und extravaganten Boutiquen leisten. Dafür sei die untere Mittelschicht von 30 auf 40% gestiegen. Die restlichen 45% sind im höheren Mittelklassesegment angesiedelt.

Ein dezenter Stil und weniger extravagante Kleidung - von dem veränderten Kaufverhalten will auch der deutsche Hosen- und Sakkohersteller Murk profitieren. Seit 2007 ist das Familienunternehmen in Russland mit einer Niederlassung vertreten. In den Augen von Leiter Aleksandr Ototschin ist die Krise in Russland noch nicht ganz vorbei. Während das Geschäft in Moskau und Sankt Petersburg wieder gut läuft, schwächeln derzeit vor allem noch die Regionen. Für 2011 erwartet der Niederlassungsleiter ein Wachstum. Bei den Sakkos rechnet er vor allem bei der Sommerkollektion mit einem deutlichen Plus, sagte er gegenüber Germany Trade and Invest auf der CPM-Messe in Moskau. "Aber auf die Wintersakkos legen die Russen weniger wert - die sieht man ja unter der Winterjacke kaum."

Vor allem Mono-Brand-Ketten und Franchisebetriebe haben in den vergangenen Jahren ihr Netz ausgebaut. Nach einer Studie der Fashion Consulting Group, die auf der CPM Moskau vorgestellt wurde, eröffneten die führenden 18 Textilhandelsketten russlandweit 1.048 neue Läden. Die größten Zuwächse verzeichnete Oodji aus Sankt Petersburg. Gab es Ende 2007 noch 125 Shops, so waren es im September 2010 bereits 287 Läden. Tendenz weiter steigend. Auch die Ketten Incity, O'stin, Glance, Befree, Zarina, Sportmaster und Concept Club erweiterten ihr Netz.

Zu den expansionsfreudigsten ausländischen Modeketten zählen Mexx, Benetton, Mango und New Look. Zum September 2010 führten die 18 größten ausländischen Modemarken russlandweit über 850 Shops, während russische Modeketten auf über 3.500 Filialen kamen.

In Russland sind derzeit rund 3.500 offene Märkte registiert. Deren Marktanteil (gemessen an Verkaufsfläche) von Bekleidung und Schuhen stieg seit der Krise August 2008 bis 2010 von 40 auf 52%. In den kommenden drei Jahren dürfte er wieder auf das Ausgangsniveau von 2008 zurückgehen, schreibt Marktexperte Reinhard Döpfer in einer Studie zu den Charakteristiken und Perspektiven des russischen Modemarktes. Die unabhängigen privat geführten Multi- und Monomarken-Läden und -Boutiquen haben seit 2008 Marktanteile eingebüßt. In drei Kahren dürften sie nur noch ein Viertel aller russischen Verkaufspunkte stellen. Der Umsatzanteil ist allerdings aufgrund der höherwertigen Ware weitaus größer. Mittelgroße und große Multimarkenketten haben bisher einen verschwindend geringen Marktanteil. Laut Reinhard Döpfer gibt es auch keine Anzeichen, dass sich das auf absehbare Zeit ändern wird.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%