Singapur-Special Demokratische Autokratie

Singapurs Aufschwung wird auf politischer Seite von einer einzigen Partei geformt. Seit der Gründung des Stadtstaats ist sie ununterbrochen an der Macht. Die im Land tätigen Unternehmen schätzen die Konstanz und wirtschaftliche Liberalität der Regierung - und betrachten kleine Erfolge der Opposition mit Sorge.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Tony Tan ist seit dem 1. September der Präsident Singapurs. Er folgt auf Sellapan Ramanathan, der zwölf Jahre regierte. Quelle: handelsblatt.com

Als die People‘s Action Party (PAP) im Mai 2011 bei der Parlamentswahl in Singapur gut 60 Prozent der Stimmen und 81 von 87 Sitzen im Parlament des Stadtstaats erhielt, war das für die Partei ein Schlag ins Gesicht. Und das, obwohl die oppositionelle Arbeiterpartei es nicht einmal geschafft hatte, in allen Wahlbezirken einen Gegenkandidaten aufzustellen und gerade einmal die sechs übrigen Parlamentssitze erringen konnte. Dennoch war dies das schlechteste Ergebnis der PAP seit der Gründung des Stadtstaats im Jahr 1965.

Die Absolute Dominanz der PAP in Singapur ist eine der Konstanten in der Geschichte des Stadtstaats. Seit seiner Gründung ist die PAP die einzige ernst zu nehmende Partei und stellt ununterbrochen Regierung und Präsidenten. Offiziell eine parlamentarische Republik nach dem ans Vereinigte Königreich angelehnte Westminster-System, wird der Stadtstaat auch oft als faktische Autokratie bezeichnet.

In den vergangenen knapp 50 Jahren hat die PAP in Singapur einen Staat geschaffen, der einerseits als wirtschaftsfreundliches, korruptionsarmes und technologisches Wunderland gilt, andererseits gegenüber der eigenen Bevölkerung eine der härtesten Gesetzgebungen innerhalb einer Demokratie verfolgt. Bis heute können in Singapur Kaugummis nur auf ärztliches Rezept gekauft werden, wenn mehr als drei Menschen öffentlich über Politik oder Religion reden wollen, brauchen sie dazu eine staatliche Lizenz und Essen in den öffentlichen Verkehrsmitteln kostet offiziell bis zu 5.000 Singapur-Dollar Strafe. In keinem Land werden gemessen an der Einwohnerzahl so viele Todesstrafen verhängt wie in Singapur, die meisten wegen Drogenhandels und -besitzes.

Ihre Macht erhält die PAP durch eine Kombination aus starken Überwachungsgesetzen - so werden zum Beispiel Filme und Zeitschriften zensiert - und durchaus sozialistischen Ansätzen. Grundlage des hohen Bildungsniveaus ist ein starkes öffentliches Bildungssystem, mehr als die Hälfte der lokalen Unternehmen gehören dem Staat, ebenso wie ein Großteil des Wohnraums. Zudem bietet der Staat eine allgemeine Gesundheitsversorgung für seine Bürger.

Unzufriedenheit wächst

Trotzdem wächst die Unzufriedenheit der breiten Bevölkerung mit der Regierung. Bisher konnte die PAP die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit vor allem durch diverse soziale Sicherungssysteme erhalten. Doch auf der anderen Seite sind zum Beispiel die Gewerkschaften des Landes kaum durchsetzungsfähig und können sich einer wirtschaftsfreundlichen Lohnpolitik kaum widersetzen. Einer der größten Kritikpunkte aus den ärmeren Teilen der Bevölkerung ist demnach, dass ihr Lohnniveau nicht mit dem Wachstum des Landes und seiner Preise mithalte. Zudem ist für viele Einwohner die übermächtige Präsenz von mehr als einer Million Ausländer ein Problem in einem Staat, in dem aktuell nur gut fünf Millionen Menschen leben.

In August wurde in Singapur zum ersten Mal seit 1993 ein neuer Präsident gewählt. Grund für die lange Pause ist eine Klausel im Wahlrecht. Denn alle Kandidaten müssen von einer von der Regierung eingesetzten Kommission zunächst bestätigt werden. Bei den zuvorigen beiden Wahlen, die eigentlich alle fünf Jahre stattfinden, fand diese Kommission schlicht keinen geeigneten Gegenkandidaten.

Dass es in 2011 gleich vier Kandidaten gab, zeigt die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich in dem Boomland mehr und mehr vom wachsenden Wohlstand abgeschnitten fühlt. Hätte der PAP-Kandidat Tony Tan die Wahl verloren, hätte das nicht nur symbolische Bedeutung gehabt. Ein Staatschef der Opposition hätte seine Vetorechte nutzen können, um die Besetzung von offiziellen Ämtern zu verzögern oder bei der Benennung der obersten Richter des Landes Einfluss zu nehmen.

Die Präferenz der Unternehmen ist klar: In Singapur soll politisch alles so bleiben, wie es bisher war. Nur wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl hatte die Singapore Business Federation eine Mitteilung an ihre Mitglieder versandt: „Die Wahl des nächsten Präsidenten ist ein wichtiger Indikator, ob die Einwohner Singapurs an dem Kurs festhalten wollen, der ihr Land bisher so erfolgreich gemacht hat“, hieß es darin.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%