Stellenabbau Unternehmen brauchen "nützliche Fettpolster"

Der Speck muss weg, so könnte derzeit das Motto vieler deutscher Firmen lauten. Die Meldungen der vorigen Wochen belegen dies: Siemens macht seine Konzernführung schlanker, die Deutsche Telekom müht sich um schlankere Strukturen, und der scheidende Henkel-Chef Ulrich Lehner kündigt Entlassungen. Fachleute warnen indes vor zu tiefen Einschnitten.

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DÜSSELDORF. "Wir müssen unsere Struktur noch schlanker und effektiver machen" begründete Henkel-Chef Ulrich Lehner die Entlassung von 3 000 Angestellten. Auch Daimler steckt mitten in der Abmagerungskur, ebenso RWE und bald auch BMW.

Die Entwicklung zeigt: Es braucht nicht erst die nächste konjunkturelle Krise, damit Unternehmen die nächste Restrukturierungsrunde einleiten. Kostensenkung und Expansion nehmen in Strategien auch in der Boomphase eine fast gleichwertige Rolle ein. Das zeigte kürzlich der Handelsblatt-Business-Monitor, eine Umfrage unter deutschen Top-Managern. Experten befürworten diese Strategie im Prinzip, denn mangelnde Kostenkontrolle kann sich kein Unternehmen im globalen Wettbewerb leisten.

Dennoch warnen Fachleute vor zu tiefen Einschnitten mit negativen Folgen: "Viele Unternehmen können ihre Chancen derzeit gar nicht voll ausschöpfen, weil sie ihre Kapazitäten zu weit heruntergefahren haben", erläutert Horst Wildemann, Professor an der TU München. "Es besteht die Gefahr, dass sich Firmen mit zu viel Cost Cutting eigene Wachstumspotenziale blockieren."

Auch Manager aus der Praxis beobachten dies: "Viele Unternehmen sind zwar lean, aber nicht unbedingt gesund geworden", sagte Axel Heitmann, Vorstandschef des Chemiekonzerns Lanxess, vorige Woche auf dem Münchener Management Kolloquium.

Gesundes Wachstum bedeute: An den richtigen Stellen verschlanken, aber an den notwendigen Bereichen nicht sparen, erläutert Wildemann. Zu Letzterem gehören etwa Forschung & Entwicklung, Marktaufbau und Kundenmanagement. Jedes Unternehmen müsse seinen optimalen Schlankheitsgrad finden, bei dem es noch genügend Luft zur Expansion hat. Dazu müssten sie in den genannten Bereichen gewisse "nützliche Fettreserven" vorhalten, die sie bei Bedarf abrufen könnten.

"Manager sollten Rückgrat beweisen und auch mal vermeintlich risikoreiche Entscheidungen treffen, die sich gegen den durch Kostensenkung induzierten Schlankheitswahn richten", fordert Wildemann. Vor allem das mittlere Management sei in den vergangenen Jahren so stark ausgedünnt worden, dass dort heute Kapazitäten fehlen und die verbliebenen Manager sich überlastet fühlen.

Von diesem Trend profitieren ganz besonders die Unternehmensberater, wie zuletzt eine Untersuchung des Handelsblatts und der European Business School zeigte: Berater werden für Projekte engagiert, die eigentlich zum Kerngeschäft des firmeneigenen Managements gehören.

Die Programme zur Kostensenkung werden oft mit dem Begriff "lean" versehen - die WestLB etwa verspricht, mit dem Abbau von bis zu 1 500 Stellen zur "lean bank" zu werden. Was schön klingt, geht aber am Grundgedanken des Lean Managements vorbei: Das Wort wird noch immer falsch mit "schlank" übersetzt.

"Es geht darum, alle Prozesse im Unternehmen auf den Kundennutzen auszurichten und mit keiner Verschwendung zu arbeiten", erläutert Bodo Wiegand, Leiter des Lean Management Instituts in Aachen. Das bedeutet nicht notwendigerweise Stellenabbau. Toyota etwa beschäftigt in der Produktion viel mehr Mitarbeiter für die Instandsetzung als auf den ersten Blick nötig. Dieses "Fettpölsterchen" sichert aber den Fluss in der Herstellung auch bei unerwartet auftretenden größeren Problemen.

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