Urteil Bad Reichenhall Bauingenieur wird freigesprochen

Der 58-jährige Gutachter ist laut Gericht nicht für Katastrophe mit 15 Toten mitverantwortlich. Dennoch hätten „Schlamperei, Ignoranz, Skrupellosigkeit“ zu dem Unglück geführt. Opferangehörige nennen Prozess „eine Frace".

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Der angeklagte Statiker Rüdiger S. hatte ein Gutachten zur Dachkonstruktion der im Januar 2006 eingestürzten Eishalle in Bad Reichenhall verfasst. Quelle: handelsblatt.com

Knapp sechs Jahre nach dem folgenschweren Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall hat das Landgericht Traunstein einen Gutachter zum zweiten Mal freigesprochen. Die 6. Strafkammer sah am Donnerstag keine hinreichenden Beweise dafür, dass der 58-Jährige eine Mitschuld am Tod von 15 Menschen trägt.

Damit bestätigte das Gericht in dem Revisionsprozess eine Entscheidung aus dem Jahr 2008. Der Bauingenieur hatte das Gebäude drei Jahre vor der Katastrophe im Auftrag der Stadt untersucht und ihm einen guten Zustandbescheinigt. Am 2. Januar 2006 war das Hallendach eingestürzt. Zwölf Kinder und drei Frauen kamen ums Leben, sechs Menschen wurden schwer verletzt.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Zenkel sagte, das Gericht habe nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ entscheiden. Es sei nicht nachweisbar, dass auch die Dachkonstruktion genau untersucht werden sollte. Hier stehe die Aussage des Angeklagten gegen die der Stadtangestellten.

Richter: Eishalle war ein Schwarzbau

Selbst wenn der Gutachter eine vertiefte Untersuchung des Dachs empfohlen hätte, sei es „für uns äußerst zweifelhaft, ob die Stadt etwas unternommen hätte“, sagte Zenkel. Nach seinen Worten wurden bei der Stadt Reichenhall über Jahre Alarmsignale missachtet.

„Schlamperei, Ignoranz, Skrupellosigkeit“ seien die Mosaiksteine, die zu dem Desaster geführt hätten. Letztendlich habe es sich bei der Eishalle um einen „Schwarzbau“ gehandelt. Rüdiger S. hatte sich seit September erneut wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Der Gutachter habe zwar Mängel entdeckt, jedoch der Stadt nicht zu einer genauen Untersuchung des Dachs geraten. Dabei wäre herausgekommen, dass eine erhebliche Gefahr bestehe, so die Anklagevertreter. DieVerteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Opferangehöriger: „Der Prozess war eine Farce“

Auch nach Meinung von Opferangehörigen saß der falsche Mann auf der Anklagebank. „Der Prozess war eine Farce“, sagte Robert Schromm, dessen Frau bei dem Einsturz ums Leben kam. Schuld seien „Schlamperei und Misswirtschaft“ in Reichenhall gewesen. Die Strafverfolgung sei bei den städtischen Verantwortlichen aber unterlassen worden. Schromm kündigte den Gang nach Karlsruhe an: „Eswird weitergehen, weitergehen müssen.“

Das Landgericht hatte den Gutachter bereits in einem ersten Prozess vor drei Jahren freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil jedoch wegen mehrerer Rechtsfehler aufgehoben. Im ersten Verfahren war gegen drei Angeklagte verhandelt worden; neben dem Gutachter wurde auch der Architekt freigesprochen. Der Hallenkonstrukteur wurde wegen fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

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