Verrückte Börsenstrategien Kaufen Sie Pleiteaktien!

Geld anlegen ist eine ernste Angelegenheit. Sicherheit hat oberste Priorität. Kaufen und halten ist die beste Strategie. Wenn Sie so denken, sollten Sie an dieser Stelle besser nicht mehr weiter lesen. Wir wollen Ihnen auf den folgenden Seiten sechs ungewöhnliche Ideen vorstellen. Gegen jede Vernunft, nicht immer ganz ernstgemeint und schon gar nicht zu Nachahmung empfohlen. Es sei denn, Sie haben starke Nerven.

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Händler an der Börse in Chicago: Warum nicht aus der Reihe fallen? Quelle: ap

Strategie 1: Bloß nicht zerstreuen

Hier noch ein bisschen Emerging Markets, da noch zwei Prozent in japanische Nebenwerte. Und eine Beimischung von Palladium, die ist auch noch ganz wichtig fürs Depot. Diversifikation heißt das Zauberwort. Oder anders ausgedrückt: Wer sein Vermögen über alle Anlageklassen und Märkte streut, der ist bestens abgesichert. Immer wieder wird dieser Glaubensatz von Anlagestrategen heruntergebetet. Ihr Kronzeuge, der Erfinder des Ganzen, ist Harry Markowitz. Der hat vor Jahrzehnten gesagt: "Ein gutes Portfolio ist eine ausbalancierte Einheit."

Das mathematisch ausbalancierte Depot mag in der Theorie durchaus etwas für sich haben. Aber in der Wirklichkeit hat Markowitz ausgedient. Gegen die Finanzkrise war er machtlos. Auch die beste Streuung half nicht gegen Verluste. Es gab so gut wie keine Anlageklasse, die nach Lehman nicht abgeschmiert ist. Statt Diversifikation wäre das beste Rezept gewesen, sein Geld aus den Märkten abzuziehen und Bares zu horten. Markowitz kann nichts dafür. Zu seiner Zeit sah die Welt noch anders aus. Subprime, Asset Backed Securities oder Credit Debt Obligations sind eine Erfindung der Neuzeit. Vorsichtig formuliert könnte man sagen: Die Märkte sind etwas schwieriger geworden.

Umso wichtiger ist es, sein Geld in Dinge zu investieren, von denen man wirklich Ahnung hat. Statt Streuung um jeden Preis, lieber intuitiv auf ein Unternehmen setzen, dessen Geschäftsmodell glasklar ist. Fokussieren ist angesagt. Wer zu viel streut, verliert schnell den Überblick.

Strategie 2: Alles auf Pump - warum nicht?

Spekuliere nur mit Geld, das Du übrig hast, heißt es in Finanzratgebern. Von Spielgeld ist dort meist die Rede. Nichts da, wer was werden will an der Börse, muss aufs Ganze gehen, will heißen: zur Not auf Pump spekulieren. Die Idee dahinter ist gar nicht mal so abwegig: Gerade jüngere Anleger verfügen normalerweise nur über wenig Gespartes, das sie in risikoreichere Anlagen, in Aktien etwa packen könnte. Dabei sind sie in einer äußerst komfortablen Situation, was die Anlagestrategie betrifft: Junge haben in der Regel viel Zeit, mögliche Kursverluste auszusitzen und auf entsprechende Verkaufskurse zu warten.

Was also spricht dagegen, sich etwas Geld zu leihen und dafür Aktien zu kaufen, wenn man denn selbst nicht genug auf dem Tagesgeldkonto geparkt oder unter dem Kissen versteckt hat? Schließlich lädt das aktuelle Zinsniveau geradezu zum Zocken ein. Und mit der entsprechenden Dividendenrendite lässt sich sogar ein Großteil der Zinskosten bestreiten?

Eines aber steht fest: Anleger, die auf Pump Aktien kaufen, brauchen gute Nerven. Sie müssen zwischenzeitliche Kursverluste aussitzen können. Außerdem sollten sie keine Börsenanfänger sein und über vergleichsweise gute Marktkenntnisse verfügen, also einschätzen können, ob ein Markt gerade vollkommen überteuert erscheint oder nicht. Ist man der Ansicht, dass die Bewertungen zu hoch sind, dann sollte man sich den Wertpapierkreditantrag besser sparen!

Strategie 3: Springen Sie auf den Zug

Bloß nicht dem Trend hinterher jagen. Ein Hype an der Börse kann genauso schnell wieder vorbei sein wie er gekommen ist. Und dann brechen die Kurse ein. Immer wieder hört man das von sogenannten Börsianern. Doch so reden nur diejenigen, die bislang zielsicher jeden Trend verpasst haben. Irgendwie muss man sich das ja schönreden. Sie verweisen dann gerne auf den Altmeister der Geldanleger, den US-Milliardär Warren Buffett. Der empfiehlt: Eine Aktie soll man immer nur dann kaufen, wenn sich keiner dafür interessiert.

Schön und gut. Aber wer sagt, dass eine Aktie, für die sich jetzt keiner interessiert, in Zukunft plötzlich zum Renner wird. Ist es nicht viel berechenbarer, eine Aktie zu kaufen, von der man weiß, dass sich eine Menge anderer Leute auch darauf stürzen? Erst das treibt die Kurse richtig an. Das Problem ist doch nicht, auf einen rollenden Zug aufzuspringen. Es geht einzig und allein darum, rechtzeitig wieder abzuspringen, nachdem man eine Weile mitgefahren ist.

In den letzten zehn Jahren hat es genug Gelegenheiten gegeben. Internet, Biotechnologie, Solar, Agrar. Alles Megatrends. Mit jedem einzelnen konnten Anleger ihren Einsatz vervielfachen - wenn sie rechtzeitig wieder ausgestiegen sind. Zugegeben, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen ist nicht ganz leicht. Meistens scheitert es daran, dass die Leute nachlässig werden. Sie vergessen, dass Gewinne auch mal mitgenommen werden müssen. Wer es selbst einmal versuchen will, an aktuellen Megatrends vom Elektroauto, über Demografie bis hin zum Klimawandel mangelt es nicht.

Strategie 4: Ganz oder gar nicht

"Entweder oder", lautet die Devise. Wer die Aktien eines oder mehrerer Unternehmen kauft, sollte nicht zögern, also nicht häppchenweise einsteigen. Alles auf einmal! Beim Fondssparen ist immer vom sogenannten "Cost-Average-Effekt" die Rede. Sind die Kurse hoch, werden entsprechend wenige Fondsanteile gekauft; sind die Kurse niedrig, entsprechend viele. Auf Dauer, so die schnöde Theorie, mache der Anleger dabei ein gutes Geschäft.

Pustekuchen! Der Cost-Average-Effekt ist nichts weiter als ein gutes Argument für Ihren Bankberater, wenn er Ihnen einen Fondssparplan aufschwatzen will. Zahlreiche Studien belegen mittlerweile, dass der viel beschworene Effekt komplett verpufft. Im Gegenteil: Wer häppchenweise kauft, zahlt dabei stets Gebühren. Für die Bank kein schlechtes Geschäft.

Setzen Sie besser alles auf eine Karte, liebe Anleger! Wenn Sie davon überzeugt sind, dass eine Aktie günstig zu haben ist, sollten Sie zuschlagen - und zwar nicht nur ein bisschen.

Strategie 5: Seien Sie aktiv

Börsen-Altmeister André Kostolany hat Anlegern stets empfohlen, Aktien zu kaufen und dann möglichst lange im Depot liegen zu lassen. Irgendwann, nach zehn Jahren, solle man dann nachschauen, wie sich die Kurse entwickelt haben. Falsch, lieber Herr Kostolany! Ihre Formel funktioniert heute nicht mehr. Dazu haben die Kursschwankungen in den vergangenen Jahren zu stark zugenommen. Heutzutage sollen, ja müssen Investoren flexibel sein - und bei Bedarf schnell umschichten.

Als Beleg dafür sollten Anleger einen Blick auf den V-Dax werfen. Er misst die implizite Volatilität des Dax in Prozentpunkten und gilt als Angstbarometer der Frankfurter Börse. Je höher der Wert, desto größer ist die Verunsicherung. Zuletzt schlug der Index immer häufiger, immer heftiger aus. Nach der Pleite der US-Investementbank Lehman Brothers schoss der VDax zeitweise sogar über 80 Punkte, Rekordniveau. Das bedeutet, dass die Marktteilnehmer mit einer Schwankungsbreite von etwa 80 Prozent für Dax-Aktien rechnen - nach oben wie nach unten. Vor wenigen Wochen betrug der Wert immerhin noch 40 Punkte. Anleger haben in einem solch nervösen Markt viel zu verlieren. Sie sollten reagieren, selbst wenn bei jeder Order Gebühren anfallen.

Strategie 6: Kaufen Sie Pleiteaktien!

Infineon, Heidelberg-Cement, Pro Sieben. Die drei haben etwas gemeinsam. Alle kämpften mit riesigen Schulden, von drohender Pleite war die Rede. Anleger gerieten in Panik, die Aktienkurse stürzten ab. Eine großartige Gelegenheit. Alle drei schafften die Wende und die Kurse schossen wieder in die Höhe. Am Ende des Jahres gehörten sie zu den größten Gewinnern auf dem deutschen Markt. Wer es auf schnelle Gewinne abgesehen hat, sollte sich nicht mit der Deutschen Telekom abgegeben. Da passiert sowieso nie was.

Mehr zu holen ist bei Pleiteaktien, oder besser gesagt: vermeintlichen Pleiteaktien. Natürlich ist die Strategie nichts für schwache Nerven, auch geht sie nicht in jedem Fall auf. Aber das muss auch gar nicht sein. Beispiel: Ein Zocker verteilt eine bestimmte Summe auf fünf verschiedene Pennystocks. Vier davon schaffen es nicht und gehen Pleite. Totalverlust. Aber der fünfte schafft den Turnaround, legt bis auf fünf, sechs oder sieben Euro zu. Am Ende hätte der Zocker immer noch einen stattlichen Gewinn gemacht.

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