Münster Es ist schwarz oder weiß, kommt getoastet oder körnig daher, besteht aus Roggen, Dinkel oder Gerste: In den Regalen deutscher Handwerksbäcker herrscht riesige Angebotsvielfalt - und das bis Ladenschluss. Doch die prallvoll gefüllten Regale haben einen hohen Preis: Einer exemplarischen Untersuchung der Fachhochschule Münster zufolge landen zwischen 6 und 17 Prozent der Brote, Brötchen oder Puddingteilchen aus Handwerksbäckereien auf dem Müll. In den exemplarisch untersuchten Bäckereien, die 6 bis 40 Filialen betreiben, entspricht das einem wöchentlichen Umsatzverlust von durchschnittlich 15.700 Euro.
„Der Wert eines Kleinwagens wird hier jede Woche nicht zu Geld gemacht“, sagt Forschungsleiter Guido Ritter aus Münster. Im Auftrag des NRW-Verbraucherschutzministeriums haben er und sein Team sechs mittelgroße Bäckereien unter die Lupe genommen und beraten. Von den Strategien gegen den Brotüberschuss könnten aber Handwerksbäcker in ganz Deutschland profitieren.
Back-Werk auf einen Blick
Gründer Hans-Christian Limmer und Dirk Schneider sind mit Backwerk die „Erfinder“ des Discount Bäckers. Aktuell ist das Unternehmen die derzeit größte Kette ihrer Art in Deutschland.
98 Prozent der Back-Werk Filialen werden von Franchise-Nehmern geführt. Das Unternehmen hat 220 Franchisepartner. Die Rendite der im Franchise-System arbeitenden Filialen beziffert das Unternehmen im Schnitt auf zehn Prozent.
Backwerk ist mit insgesamt 295 Back-Werken Filialen in Deutschland (269), Österreich (18) und im weiteren europäischen Ausland (8) vertreten. Das Unternehmen hat 2400 Mitarbeiter. Der Nettoumsatz betrug im Jahr 2012 über 163 Millionen Euro. Das Ebitda lag bei 14 Millionen Euro.
Backwerk setzt nach wie vor auf den Verkauf von günstigen Backwaren, bietet zunehmend aber auch Snacks wie Pizza, Panini und Sandwiches an. Backwerk möchte nach dem Einstieg des schwedischen Finanzinvestor EQT weiter ins Ausland expandieren.
Das Unternehmen will den Umsatz in diesem Jahr um mindestens fünf Prozent auf 171 Millionen Euro steigern und international expandieren.
Die Forscher sind überzeugt: Die enorme Verschwendung ist vermeidbar, wenn Bäckereien den Verbrauchern liefern, was sie wünschen - und wenn sie mehr mit ihnen reden. „Schon allein, dass wir da waren und gemessen haben, hat die Bäcker veranlasst, ihre Bestellprozesse einmal genau anzusehen“.
Dazu müssten auch die Verkäuferinnen besser geschult und in die Verantwortung genommen werden: „Die Mitarbeiter in der Filiale wissen genau, ob die Sonne am Wochenende scheint und für das Grillwetter besonders viele Baguettes gefragt sind“, sagt Ritter. In vorauseilendem Gehorsam glaubten noch zu viele Bäckereien, dass nur ein riesigen Produktportfolio und der volle Warendruck bis Ladenschluss Kunden zufriedenstelle. Doch weniger sei manchmal mehr, so die Forscher.
Back-Factory auf einen Blick
Back-Factory ist eine 100-prozentige Tochter der Großbäckerei Harry-Brot GmbH, die in zehnter Generation in Familienbesitz geführt wird.
Gegen ein Entgelt erlaubt Back-Factory ihren Franchisenehmern unter dem Namen "Back-Factory" zu verkaufen und das Geschäftssystem zu übernehmen. Aktuell werden 80 Prozent des Umsatzes von Franchise-Nehmern erwirtschaftet. Ein Franchise-Nehmer setzt ab dem zweiten Geschäftsjahr im Durchschnitt 725.000 Euro um.
Bundeszweit gibt es 130 Back-Factory-Standorte. Alle zusammen erwirtschafteten 2012 einen Bruttoumsatz von 94 Millionen Euro.
Back-Factory beschäftigt 1.500 Voll- und Teilzeitkräfte.
Seit 2009 baut Back-Factory seine Filialen und sein Produkt-Portfolio um. Klassische Backwaren wie Brötchen, Croissants und Brezeln werden zunehmend durch Snacks wie belegte Sandwiches, Panini, Bagel, Pizzaschnitten und seit neuestem auch frische Flammkuchen ersetzt. Bis 2015 soll der Umbau der bestehenden Filialen zu "Backgastronomien", die zum Verweilen einladen sollen, abgeschlossen sein.
Die Kette expandiert gerade nach Polen, außerdem sollen Filialen in Gran Canaria und Madrid folgen sowie in Katar. Überlegungen gibt es auch Filialen in Bukarest zu eröffnen.
Den Kampf mit der unverkauften Ware kennt auch Michael Wippler. Er ist Bäckermeister in Dresden und Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Ganz ohne Retouren gehe es wohl in keinem Betrieb, sagt er. „Ab zehn Prozent fängt es an, betriebswirtschaftlich wehzutun.“ Schmerzhaft sei jedoch jedes Brot, das auf den Müll wandert: „Jeder Bäcker mit Leib und Seele hat schließlich ein Verhältnis zu seinem Produkt“, sagt er.