Banker-Ethik-Treffen Die neue Lust, das „Richtige” zu tun

Alles über Gesetze regeln oder doch lieber auf die Moral vertrauen? Während zu viele Paragraphen als Bedrohung für das Finanzsystem angesehen werden, scheinen Banker gerade ihre Liebe zur Regulierung entdeckt zu haben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Immer mehr Banker scheinen eine Regulierung des Finanzsystems zu befürworten. Quelle: Reuters

Frankfurt „Verzichten Menschen darauf, andere zu ermorden, weil sie Angst vor Sanktionen haben?“, fragt der Philosoph Julian Nida-Rümelin die Gäste des Ethik-Forums der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA). Die DVFA ist der Berufsverband der Finanzanalysten und Vermögensverwalter – und entsprechende Klientel hat sich im Forum versammelt. Für Nida-Rümelin lautet die Antwort nein. „Die meisten Menschen halten sich an Regeln, weil sie anständige Menschen sind“, erklärt der Philosoph. Er ist überzeugt, dass Regeln und Gesetze allein Fehlverhalten nicht verhindern können. Das habe man gerade erst bei VW gesehen.

Nida-Rümelin will es Bankern leichter machen, sich im Dschungel der Finanzmoral zurechtzufinden. Mit 14 anderen Vertretern aus Wissenschaft und Finanzwirtschaft hat er 13 Handlungsmaxime erarbeitet, von denen sie sich in ihrer Arbeit leiten lassen sollen. Damit will die DVFA Voraussetzungen schaffen, verloren gegangenes Vertrauen in die Akteure auf den Finanzmärkten wiederzugewinnen.

Das fertige Papier rät den Bankern zum Beispiel, die Unternehmensziele ihrer Arbeitgeber mit ihren eigenen Überzeugungen abzugleichen, für die von ihnen getroffenen Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen sowie Interessen, Bedürfnisse und Rechte Dritter anzuerkennen. Einfache Grundsätze, die vielen Bankern aber offenbar fremd zu sein scheinen: „Ich habe schon viele sagen hören: Ich habe das Gefühl, wir machen hier etwas Falsches, aber das ist eben das Spiel, das wir spielen“, berichtet Nida-Rümelin.

Die „Spiele” der Finanzwelt münden aber oftmals in Milliardenstrafen für die Institutionen, in denen sie arbeiten. Geldwäsche, Handel trotz Sanktionen, Manipulation der Interbankenindizes Libor, Tibor und Euribor – die Listen mit den Bankenskandalen der vergangenen Jahre lässt sich beinahe beliebig fortführen. Oft stehen hinter den Skandalen Einzelne. Haften muss dagegen die ganze Bank.

Die Schuld an solchen unethischen Haltungen gibt der Nida-Rümelin der Überregulierung des Finanzmarktes. „Wenn der Einzelne sich fühlt wie ein Rädchen im Getriebe, zerstört das die Motivation, dazu zu stehen, was er tut.“ Besonders negative Auswirkungen hätten die in der Branche üblichen Bonuszahlungen. „Je kleinteiliger man versucht zu steuern, umso wahrscheinlicher wird es, dass jemand lieber seine Boni maximiert, anstatt seinen Job anständig zu machen.“ Die Zukunft dürfe deshalb nicht aus kleinteiliger Regulierung bestehen, warnt er. „Nur wenn man sich nicht mehr vertraut, muss man alles über Regulierungen und Sanktionen festlegen.“


„Ganz ohne Ethik geht es nicht“

Doch reicht es, sich allein auf die Moral der Menschen zu verlassen? Das geht selbst den Bankern, mit denen der Philosoph nach seinem Vortrag diskutierte, zu weit. Sie kennen ihre Branche. „Man hat bei den Mitarbeitern einer Bank immer einen Querschnitt der Bevölkerung. Da gibt es immer solche und solche Menschen“, sagte Oliver Behrens, Vorstandsvorsitzender der Morgan Stanley Bank. Er hält Regulierungen daher für durchaus notwendig. „Wir alle wollen, dass solche Skandale, wie sie in der Vergangenheit passiert sind, nicht mehr vorkommen.“

Ähnlich sieht das auch Stefan Winter, Vorstandsmitglied der UBS. „Ich glaube, nach allem, was passiert ist, brauchen wir Regeln“, sagt er. Sinn dieser Regeln solle aber nicht sein, die Mitarbeiter zu kontrollieren, sondern ihnen zu helfen, richtige Entscheidungen zu treffen.

Doch nicht alle Banker teilen diese neue Liebe zur Regulierung. Andreas Schmitz, Aufsichtsratsvorsitzender von HSBC Trinkhaus und Burkhardt stört vor allem der bürokratische Aufwand, der mit den Regulierungen verbunden ist. „Es scheint wichtiger zu sein, ob Sie etwas richtig protokolliert haben, als ob es richtig oder falsch war“, sagt er.

Er sieht die Lösung weniger in zusätzlichen Paragraphen als vielmehr in einer besseren Ausbildung der Mitarbeiter. „Die Leute am Schalter müssen die Produkte, die sie verkaufen, auch verstehen und sie müssen sich fragen: ‚Will ich mit diesem Verkauf in fünf Jahren in der Zeitung stehen oder nicht?‘. Und auch die Anleger sieht er in der Pflicht. „Der Kunde informiert sich beim Autokauf in 20 Autohäusern, legt aber bei der ersten Bank, zu der er geht, nach zehn Minuten Beratung 20.000 Euro an.“

Derjenige, der die Regulierungen zu verantworten hat, sieht die Diskussion entspannt. „Man kann nicht alles regeln und das will auch niemand“, sagt Andreas Raymond Dombret, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank. Die Regulierung habe den Zweck, das Bankensystem sicherer zu machen. Doch das Bankenwesen beruhe auf Vertrauen. Deshalb sagt er: „Ganz ohne Ethik geht es nicht.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%