Best Lawyers Kulturwandel im Kanzleimarkt

Die Tage der gutverdienenden Partner auf Lebenszeit sind vorbei. Großkanzleien trennen sich von langjährigen Anwälten oder diese wechseln von sich aus. Wer davon profitiert: Das sind Deutschland beste Anwälte 2015.

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Alles gut bei den großen Anwaltskanzleien? Quelle: Imago

Hamburg Es ist ein Schaulaufen der großen Namen: Hengeler Mueller ist im Kapitalmarktrecht und in der M&A-Beratung die Nummer 1, Freshfields Bruckhaus Deringer räumt den Titel im Gesellschafts- sowie im Kartell- und Wettbewerbsrecht ab. Clifford Chance holt sich die Trophäe für die Beratung im Immobilien- und Finanzsektor, Gleiss Lutz im Arbeitsrecht und Flick Gocke Schaumburg im Steuerrecht. Auch Noerr, Allen & Overy sowie Linklaters sind prominent vertreten.

Also alles gut bei den großen Anwaltskanzleien? Ja und Nein. Denn neben den Etablierten haben kleinere und mittelgroße Einheiten deutlich Boden gut gemacht, sie punkten mit ihrer Spezialisierung. So wie SKW Schwarz im Medienrecht, Dolde Mayen & Partner im Umweltrecht oder die Steuerstrafrechts-Boutique Streck Mack Schwedhelm. Deutschlands größte Kanzlei CMS Hasche Sigle geht dagegen in diesem Jahr leer aus. Sie bietet zwar das breiteste Spektrum an Rechtsberatung, konnte aber keinen Spitzenplatz in einem einzelnen Gebiet belegen.

In diesem Jahr veröffentlicht das Handelsblatt bereits zum siebten Mal exklusiv das Best Lawyers-Ranking für Deutschland. Jedes Jahr befragt der US-amerikanische Verlag 1714 Wirtschaftsanwälte in einem Peer-to-Peer-Verfahren, welche Kollegen sie fachlich empfehlen würden. Das Ergebnis ist eine Liste der besten Anwälten und Kanzleien in 23 Fachgebieten (Anm.: die Listen veröffentlichen wir am kommenden Mittwoch).

Spezialisten im Aufwind

„In den letzten Jahren beobachten wir eine zunehmende Differenzierung des Marktes, in dem nicht mehr nur die großen Top-50-Kanzleien alles überstrahlen“, kommentiert Markus Hartung, Jurist und Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession. „Spezialisierte Einheiten gewinnen stärker an Akzeptanz und Bekanntheit im Markt. Damit fordern sie die Großkanzleien auf deren angestammten Spitzenplätzen heraus.“

Das Ranking der besten Rechtsberater zeichnet dieses Bild fort: „Hier sind viele Anwälte aus Spezialkanzleien gelistet“, sagt Hartung. „Die Großkanzleien müssen sich etwas einfallen lassen, um langfristig den speziell aufgestellten und günstigeren - weil kleineren - Wettbewerbern etwas entgegenzusetzen.“ So gewinnen Boutiquen wie Commeo oder AGS Legal auf dem heiß umkämpften Frankfurter Markt an Präsenz. Andere Beispiele in Berlin sind die auf Medizin- und Pharmarecht spezialisierte Sozietät Dierks + Bohle, Sammler Usinger mit Schwerpunkt im Immobilienrecht oder die Energierechtskanzlei Scholtka & Partner.

„Der Full-Service-Ansatz vieler großer Sozietäten ist nicht mehr zeitgemäß. Die Spezialisten haben Aufwind. Es gilt: Expertise schlägt Reputation“, sagt Hartung. „Die Kriegsbemalung der Anwälte zählt immer weniger. Heute ist nicht die Kanzlei erfolgreich, die ausschließlich Anwälte mit Titeln und Bestnoten sammelt, sondern die Kanzlei, die durch Spezialwissen besticht.“

Das liegt vor allem daran, dass die Unternehmen anspruchsvoller geworden sind, wenn sie Rechtsberatung einkaufen. Die Mandanten gucken sich das Angebotsspektrum differenzierter an. Hartung: „Das ist eine gute Nachricht für kleinere Kanzleien. So müssen sie den Großen nicht mehr kampflos das Feld überlassen.“

Haupttreiber von strategischen Neuerungen ist der Kostendruck. Wenn Unternehmen ihr Budget stutzen, müssen deren Juristen ihre Rechtsberatung anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In unterschiedlichen Richtungen sind die Folgen zu spüren: Die einen Kanzleien passen ihre Vergütungsstrukturen an, andere geben Standardaufgaben an externe Dienstleister aus, schließen teure Standorte oder trennen sich von gutverdienenden Partnern.

Das ist ein echter Kulturwandel. Deutsche mittelständische und kleinere Sozietäten sind meist vorsichtig, wenn es darum geht langjährigen Partner zu verabschieden. Internationale Kanzleien haben hier weit geringere Skrupel. Insbesondere Großkanzleien mit US- oder britischen Wurzeln trennen sich auch von gestandenen Partnern mit hohem Marktrenommee, um die Profitabilität hoch zu halten.

„Kanzleien, die solche Schritte gehen, sagen dann, ihre Einheit "atmet"“, sagt Dr. Christine Sauerwald von der Beratungsfirma SW Recht & Personal. „Das bedeutet, dass die Strukturen nicht mehr so festgefahren sind, wie in der Vergangenheit. Auch Plateau-Partner sind antastbar geworden“, fügt die Beraterin hinzu. „Sie entnehmen einfach zu viel aus dem Gewinntopf.“

Diese Praxis wirkt sich auch auf die jüngeren Kollegen aus. Wer will schon in einer Sozietät arbeiten, in der ständig die Profitabilität hinterfragt wird? „Eine Folge sind Neugründungen von Boutiquen“, erklärt Sauerwald. Gestandene Partner und erfahrene Associates gehen immer öfter den Weg in die Selbständigkeit. „In diesen hochprofessionellen, kleinen Sozietäten arbeiten dann hervorragend ausgebildete Anwälte, teilweise mit festem Mandantenstamm aus der Vorgängerkanzlei“, sagt Sauerwald.


Partnerchancen gleich Null

Kanzleimanager unterziehen kritischer als zuvor jeden einzelnen Fachbereich einer strengen Profitabilitätsprüfung. Wer nicht mithalten kann, der muss gehen. Das trifft etwa Partner mit Spezialwissen, das nicht zu den Kernbereichen der Sozietät zählt. Für diese Berater wird es schwierig, wenn sie Erwartungen nicht mehr erfüllen.

„Wer sich als Transaktionskanzlei etwa kein Marken- und Wettbewerbsrecht oder eine Prozesspraxis mehr leisten will, der wird diesen Überhang nicht mehr jahrelang mit sich herumschleppen“, sagt Ina Steidl, Geschäftsführerin der juristischen Personalberatung Schollmeyer + Steidl. „Erfahrene Anwälte aus derartigen Bereichen mit dem Renommee der internationalen Großkanzlei werden in kleinen Einheiten mit Handkuss genommen.“

Mit ihnen wechseln oft erfahrene, angestellte Anwälte, die keine Aussicht auf eine Partnerschaft sehen. „Gerade im Gesellschafts- oder Finanzrecht warten unzählige Associates vergeblich darauf, für die eine Partnerstelle vorgeschlagen zu werden“, sagt die Juristin Steidl. „Das senkt die Motivation erheblich. Viele wollen sich nicht mehr wie ihre Vorgänger jahrelang hinhalten lassen, um letztlich doch nicht zum Zuge zu kommen.“

Starken Zulauf erhalten zudem mittelgroße Kanzleien. Sie sind für Großkanzlei-Anwälte interessant, die nicht ganz so risikofreudig sind oder bestehende Strukturen benötigen. „Zahlreiche angestellte Anwälte mit speziellem Know-How wechseln in eine etablierte, aber kleinere Einheit auf dennoch hohem Niveau, in der eine fachliche Lücke klafft“, sagt Steidl. Deshalb werden auch diese Sozietäten immer beliebter.

Hohe Summen für Spezialwissen

Der Kanzleimarkt zerfasert also zunehmend. „Wir beobachten eine stärkere Spezialisierung“, sagt Rupprecht Graf von Pfeil vom internationalen Beratungsunternehmen Kerma Partners. „Die Erkennbarkeit im Markt ist wichtiger geworden. Die Kanzleien müssen ihr Profil schärfen, um bestehen zu können.“ Treiber der Entwicklung sind die Mandanten.

„Unternehmer und Inhouse-Juristen können die Qualität der Beratungsleistungen ihrer Kanzleien immer besser einschätzen“, erklärt Pfeil. „Viele teilen Mandate nach Komplexität und Wertigkeit auf und vergeben die Einzelaufträge an verschiedene Sozietäten, um die Ergebnisse hinterher selbst wieder zusammenzuführen.“ Die Professionalisierung der Rechtsabteilungen befeuert den Wandel. Zahlreiche Unternehmen stärken aus Kostengründen ihre Rechtsabteilung. Erst wenn das Thema zu speziell wird oder das Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten gerät, werden externe Anwälte eingeschaltet.

„Wenn etwas für ein Unternehmen kritisch wird, nimmt die Kostensensibilität rapide ab“, sagt Pfeil. „Strafrechtsprozesse sind dafür ein gutes Beispiel. Hier wird kaum jemand die Preise drücken wollen.“ Der Spardruck der Unternehmen kennt also Ausnahmen. Der Großteil des juristischen Geschäfts ist davon allerdings ausgenommen. Pfeil: „Wer Standard-Beratung anbietet, also zum Beispiel eine klassische Due Diligence oder allgemeine Steuerberatung, unterscheidet sich kaum von Wettbewerbern. Hier kann man nur über den Preis gehen.“

Trend: Outsourcing in Kanzleien

Gerade bei Standardaufgaben lässt sich die Preisschraube ziemlich weit nach unten drehen. Damit Kanzleien weiter profitabel sind, spannen sie Referendare oder studentische Mitarbeiter etwa für Rechercheaufträge ein – oder sie sourcen die Aufgaben gleich ganz aus. „Der Anwalt wird immer mehr zum Unternehmer“, sagt Beraterin Sauerwald von SW Recht & Personal: „Wenn der Kostendruck steigt, überlegen die Kanzleimanager, wo sie sparen können.“ Sie lagern etwa Rezeptions- und Telefondienstleistungen aus oder lassen Pitch-Unterlagen von Externen erstellen. Aber auch weitere inhaltliche Arbeit wie etwa der Check bestimmter Dokumente würden zum Beispiel an eigene zentrale Servicecenter ausgelagert.

Davon profitieren Dienstleister, denn der juristische Markt öffnet sich seit einiger Zeit für Nichtjuristen. Eine Tatsache, der vor allem Rechtsberater der älteren Generationen äußerst skeptisch sehen. Doch auch sie können den Trend nicht aufhalten. „Es gibt auch im Wirtschaftsrecht Konfektionsware. In den letzten Jahren ist es salonfähig geworden, solche Dienstleistungen einzukaufen“, erklärt Sauerwald.
Was früher undenkbar war, gehört heute zum Standard.

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