Für Reichtum sind viele Leute bereit, über Leichen zu gehen, und Jonas Köller offensichtlich sogar über seine eigene. Mit Blondine und Knarre posiert er vor dem Slogan „Get rich or die tryin’“, werde reich oder stirb, während du es versuchst. Geklaut hat er das Motto vom US-Rapper 50 Cent. Reichtum scheint Köller alles zu bedeuten, der Lebensstil: lärmend, übertönt alleine von dem Getöse, mit dem das geraffte Geld Köller, wenn auch nicht ins Grab, so doch in U-Haft brachte.
Köller, 31, und sein Kumpel Stephan Schäfer, 33, sind Namensgeber des Immobilienkonglomerats S&K. Und nach Vermutung der Frankfurter Staatsanwaltschaft die Protagonisten eines gigantischen Schneeballsystems. Dabei werden keine echten Gewinne erzielt, sondern die Renditen der Alt-Anleger aus den Einzahlungen neuer bedient – bis kein neues Geld mehr reinkommt. Dass in den S&K-Bilanzen gewaltige Risiken schlummern, war bereits erkennbar.
Wie groß das Ausmaß der mutmaßlichen Abzocke ist, lässt sich noch nicht sagen, doch um es zu begreifen, reichen Zahlen der Razzia: 1200 Ermittler durchsuchten S&K am Dienstag an 130 Orten, nahmen neben Köller und Schäfer vier weitere Beschuldigte mit Haftbefehl fest, diverse weitere vorübergehend. Ermittelt wird gegen 50 Beschuldigte.
Langsam zeichnen sich Konturen des Skandals ab, Firmennamen, Zusammenhänge. In Ermittlerkreisen ist die Rede davon, dass innerhalb der S&K-Gruppe Gelder munter hin und her geschoben worden sein sollen, um fiktive Gewinne bei einzelnen Gesellschaften auszuweisen. Über hohe Vertriebskosten sollen Anlegergelder aus dem System gezogen worden sein, zudem hätten Schäfer und Köller sich Gehälter und Boni in Millionenhöhe genehmigt.
Insider aus der Branche berichten, dass fremde Fondsgesellschaften gekapert und geplündert worden seien, auch Finanzvertriebe habe S&K unter Kontrolle gebracht. Insgesamt umfasste das System wohl Milliarden an Anlegergeldern. Den möglichen Schaden siedelt die Staatsanwaltschaft bisher im dreistelligen Millionenbereich an.
„Cash“ heißt die Arbeitsgruppe der Staatsanwaltschaft, die seit Mitte 2012 gegen S&K ermittelt. Das Wort „Cash“ prangte – in Swarowski-Kristallen – auf dem Fressnapf des Dobermanns eines der S&K- Gründer. Angestoßen wurden die Ermittlungen, so ist aus Ermittlerkreisen zu hören, durch eine Geldwäsche-Verdachtsanzeige.
Protz-Karossen ließen die Fahnder stutzig werden
Banken sind etwa verpflichtet Bareinzahlungen von mehr als 15.000 Euro zu melden, wenn sich Verdachtsmomente ergeben. Ein Fuhrpark mit Protz-Karossen, Aston Martin, Ferrari, Bentley, ließ die Fahnder stutzig werden. Jetzt ermitteln sie auch wegen des Verdachts auf banden- und gewerbsmäßigen Betrug sowie auf Untreue und Steuerhinterziehung.
S&K war zunächst im Immobiliengeschäft tätig, kaufte Mehrfamilienhäuser aus Zwangsversteigerungen heraus. Mit dem Hamburger Fondshaus United Investors zusammen legte S&K zwei Immobilienfonds auf. Beim „Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2“ beteiligten sich Anleger allerdings nicht an Immobilien, sondern an einem Fonds, der Kredite an ein S&K-Unternehmen vergeben sollte. Dazu musste sich die Gruppe lediglich verpflichten, dass das Geld „im weitesten Sinne“ in Immobilien angelegt wird. Haben Anleger erst einmal eingezahlt, haben sie somit keinerlei Kontrolle mehr über ihr Geld. Schmackhaft gemacht wurden ihnen die Produkte mit angeblich herausragenden Sicherheiten.
Die seien sogar besser als bei der Bank. „Jede Geldanlage – auch Bankeinlagen – ist mit einem Ausfallrisiko verbunden, also dem Risiko, dass die Bank die Einlage nicht zurückzahlen kann“, schrieb ein S&K-Mitarbeiter als Argument für Verkaufsgespräche in eine Mail an den Vertrieb, dagegen würden beim S&K-Fonds 140 Prozent der eingezahlten Summe im Grundbuch abgesichert. „Hier gibt es keine Garantie – Hier wird SICHERHEIT geboten!“
Doch es ist zweifelhaft, was die im Grundbuch als Sicherheit eingetragenen Immobilien wirklich wert waren, die Gutachten sind umstritten – und manche Immobilien scheinen sich gar nicht im Besitz der S&K-Gruppe zu befinden. Neben Schäfer und Köller hat die Staatsanwaltschaft auch die beiden Chefs von United Investors festnehmen lassen. Zu den Hauptbeschuldigten zählen auch der Frankfurter Rechtsanwalt, der für S&K tätig war und gedroht hatte, die WirtschaftsWoche mit Klagen zu überziehen, sowie der Verfasser verschiedener Immobiliengutachten. Für alle gilt die Unschuldsvermutung, für eine Stellungnahme war S&K nicht zu erreichen.
Anwalt in U-Haft
Geld beschaffte sich S&K auf allerlei abenteuerlichen Wegen. So etwa über den Ankauf von Lebensversicherungen. Branchen-Insidern zufolge hatte das S&K-System zuletzt zwei Komponenten: andere Fondsgesellschaften zu kapern und Finanzvertriebe aufzukaufen. „S&K war regelrecht im Kaufrausch. Die haben sich für alles interessiert, was nicht schnell genug in Deckung gegangen ist“, sagt ein Kenner.
Verkäufer, die Anlegern ihre Fonds aufschwatzen
Mit ASG24 und wifo kaufte S&K mindestens zwei Vertriebsgesellschaften. Deren Markt ist hart umkämpft, etliche Fondshäuser buhlen um die besten Verkäufer, die Anlegern ihre Fonds aufschwatzen können. Wer seine eigenen Vertriebshäuser hat, muss nicht fürchten, dass die dortigen Verkäufer zu viele Produkte der Konkurrenz verkaufen; er kann steuern, dass Verkäufer den Kunden möglichst viele eigene Anlagen aufdrängen. So lässt sich die Zufuhr von frischem Geld sichern.
Genauso verlockend ist es, andere Fondsgesellschaften unter seine Kontrolle zu bringen, eigene Leute an die Schlüsselpositionen zu setzen, die dann das dort angelegte Geld verwalten. So lässt sich bestimmen, was damit passiert – und so lassen sich neue Mittel in den vermeintlichen Schneeball lenken. Bei mindestens vier Fondshäusern hat S&K die Führung übernommen.
Die Kölner Midas etwa hatte mit sechs Fonds 100 Millionen Euro eingesammelt, einige davon lagen noch ungenutzt auf den Konten. Eigentlich sollten damit Mittelständler finanziert werden. Nach Übernahme durch S&K jubelte Midas Ende 2011: „Mit dem neuen Gesellschafter S&K besteht künftig für die Midas Mittelstandsfonds die Möglichkeit, freie, nicht in Beteiligungen investierte Liquidität mit einer erheblich besseren Verzinsung in erstrangig besicherten Hypothekendarlehen zu parken.“ Mit Maik Carsten S.* übernahm ein neuer Geschäftsführer.
Die CIS Deutschland AG geriet ebenfalls ins S&K-Visier. Im Mai 2012 wurde erst der Aufsichtsratschef und dann der Geschäftsführer ausgetauscht. Wieder übernahm Maik Carsten S.* die Geschäftsführung. CIS Deutschland hatte vier Mischfonds aufgelegt, die zum Beispiel Darlehen vergaben und sich an Firmen beteiligten. Das gezeichnete Gesamtvolumen belief sich auf gut 350 Millionen Euro, in den Fonds sollen angeblich erhebliche liquide Mittel gelegen haben. Was mit den Geldern passierte, ist zurzeit unklar.
Besonders verlockend: Von den gut 10.000 Anlegern hatten etliche Ratensparpläne gezeichnet. Das bedeutet, dass sie nicht auf einen Schlag anlegen, sondern monatlich einzahlen. Für ein Schneeballsystem ist ein konstanter, langjähriger Geldfluss wie gemacht. In den kommenden zwei Jahrzehnten sollen die Anleger insgesamt rund 125 Millionen Euro in die Fonds einzahlen, schätzen Unternehmenskenner. CIS war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Einen Tag nach der Mega-Razzia tauchten Ermittler in München bei zwei von S&K im Juni übernommenen ehemaligen Töchtern des Fondshauses DCM auf. Die ehemalige DCM Service GmbH sowie die DCM Verwaltungs GmbH firmieren heute unter dem neuen Namen MCS. DCM erklärt dazu, es lasse „sich derzeit noch nicht beurteilen, ob Anleger von DCM-Immobilien- und Dachfonds geschädigt wurden“.
"(P)Rotzlöffel" in Eile
Zum S&K-Einflußbereich gehören auch sechs SHB-Fonds, seit die Frankfurter die Mehrheit an der börsenotierten SHB-Muttergesellschaft FIHM übernommen hatten. Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 hat SHB nach FIHM-Angaben ein Fondsvolumen von über 1,8 Milliarden Euro aufgelegt.
Die Vorbereitungen von S&K, Einfluss auf die Fondsgelder zu bekommen, liefen offenbar unter Hochdruck. In einem Brief vom 28. Januar schrieb SHB-GmbH-Geschäftsführer Maik Carsten S.* an Anleger, die Fondsgemeinschaft befinde sich in einer „wirtschaftlich kritischen Situation“, Investitionen seien nicht getätigt worden. Man müsse die bisher verantwortlichen Personen austauschen, vor allem einen neuen Beirat wählen. Das ist brisant, denn der Beirat besteht bislang aus Anlegern, die ein Wort bei Investitionen mitreden dürfen.
Bernhard Bierl, noch amtierender Beiratsvorsitzender von fünf SHB-Fonds, wollte verhindern, dass S&K Immobilien aus dem eigenen Bestand an SHB-Fonds vertickt. In einem Brandbrief vom 5. Februar warnte er, dass Anlegergelder in Projekte fließen sollen, „die seit Monaten auf dem freien Markt vergeblich angeboten wurden und dies – aus Sicht des aktuellen Beirats – aus gutem Grund“.
Mehrere Anleger, die nicht sofort per Briefwahl für den neuen Beirat stimmten, berichten von massivem Telefonterror: „SHB-Mitarbeiter haben über mehrere Tage alle Stunde angerufen und mich bedrängt, dass ich die Unterlagen sofort unterschreibe und zurückschicke“, sagt ein Anleger.
Irgendwie hatten es die partywütigen „(P)Rotzlöffel“ („Bild“) auf einmal furchtbar eilig. Es hat ihnen nichts genutzt.