Branchentreffen in Monte Carlo Rückversicherer geben sich skeptisch

Seit mehreren Jahren kämpfen die Rückversicherer mit einem Verfall der Prämienpreise. Gebannt blickt die Branche nun auf das bevorstehende Branchentreffen an der Côte d‘Azur. Doch Experten glauben nicht an eine Wende.

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Am Wochenende werden sich in Monte Carlo rund 3000 Manager und Repräsentanten von Rückversicherern und Erstversicherern treffen, um sich ein Bild über die Konditionen im kommenden Jahr zu machen. Quelle: Reuters

Frankfurt Es ist ein Dilemma, das andere wohl gerne hätten: Geld ist mehr als genug da. Doch was für den Privatmann auf den ersten Blick als eine verlockende Perspektive erscheint, ist für viele große Rückversicherer, bei denen sich die großen Assekuranzen selbst gegen Großrisiken absichern, ein ernstes Problem.

Denn ungeachtet der großen Belastungen durch versicherte Schäden bei Naturkatastrophen wird es den Rückversicherern nach Ansicht von Experten angesichts des wachsenden Angebots wohl nicht gelingen, bei den anstehenden Vertragsverhandlungen die Preise zu erhöhen.

„Wir werden uns dieses und nächstes Jahr weiter in einem weichen Markt bewegen, weshalb wir von weiter fallenden Preisen ausgehen“, prognostiziert Johannes Bender, Versicherungsexperte der Rating-Agentur Standard & Poor‘s (S&P) am Dienstag anlässlich des bevorstehenden wichtigen Branchentreffs in Monte Carlo.

Dunkle Wolken über Monte Carlo. Beim sogenannten „Rendezvous de Septembre“ treffen sich ab dem kommenden Wochenende rund 3000 Manager und Repräsentanten von Rückversicherern und Erstversicherern, um sich erstmals ein Bild über die Konditionen für das kommende Jahr zu machen.

In der mondänen Küstenstadt finden die ersten Vorverhandlungen für die Erneuerung großer Rückversicherungsverträge im Bereich Sach- und Unfallversicherungen für das kommende Jahr statt. In vielen Gesprächen mit wichtigen Kunden loten Branchengrößen wie beispielsweise Munich Re, Swiss Re, Hannover Rück und Broker wie Aon Benfield und Willis Re dabei aus, wo der Markt steht und wie er sich weiterentwickelt. Monte Carlo ist darum eine wichtige Wegmarke für die Branche.


Eine Positionsbestimmung

Schon im Vorfeld von Monte Carlo haben sich am Dienstag weit über hundert Vertreter der Branche auf Einladung von Willis Re in München getroffen. Mit spürbarer Anspannung. Dabei geht es den Rückversicherern im Grunde genommen gut, dennoch besteht die Sorge, dass es in Zukunft weniger gut weitergehen könnte. Im „Silbersaal“ des Deutschen Theaters stand die „Positionsbestimmung Wegweiser Pre Monte Carlo“ auf dem Programm. Barocke Ornamente, Marmor und roter Samt zeichneten die Szenerie.

Tatsächlich ist vieles in der Branche nicht mehr so, wie es einmal war. Allein das schlägt manchem Branchenvertreter aufs Gemüt. In den vergangenen Jahren waren die Prämien kontinuierlich gesunken. Zumindest soll allmählich der Boden gefunden sein. „Willis Re erwartet nun weniger stark fallende Raten in Europa für die Erneuerungsrunde 2017“, gibt sich Geschäftsführer Dirk Spenner zuversichtlich. 

Sorgen um die Branche muss man sich aber trotzdem nicht machen. Die Analysten erwarten unisono weiter stabile Kapitalerträge, zudem dürften die versicherten wie die ökonomischen Schäden im Durchschnitt auf dem Niveau der vergangenen zehn Jahre bleiben.

Doch wo sich die Rückversicherer früher vor allem mit sich selbst und ihren direkten Problemen befassten, da spielen heute etliche externe Faktoren bei der Einschätzung der künftigen Lage eine Rolle. Die Nullzinspolitik gehört hier ebenso dazu wie der Einfluss der Digitalisierung auf die Branche oder der Brexit.

Als die Briten im Juni mehrheitlich für einen EU-Austritt gestimmt haben, sanken im Anschluss die Aktien aller großen Rückversicherer in Europa. „Das Umfeld ist sensibel, weil alles etwas weniger wird“, beobachtet Dirk Spenner. Um gleich im Anschluss ins Gedächtnis zu rufen, dass sich der Markt insgesamt immer noch sauber in den schwarzen Zahlen bewegt.

Auch anderswo sind die Erwartungen der Experten begrenzt. Die Fachleute der Ratingagentur Standard & Poor's etwa rechnen damit, dass der Rückversicherungsschutz für die Erstversicherer im nächsten Jahr noch einmal um bis zu fünf Prozent billiger wird. Grund ist das weiterhin große Überangebot an Schutz gegen Großschäden.

„Es gibt jede Menge Kapital, das in den Markt drängt und Druck auf die Preise ausübt“, sagte S&P-Spezialist Bender. Der Ratingexperte vermag darum nur eine positive Nachricht für die Branche zu erkennen: Der Preisrückgang verlangsamt sich -  ein Trend, der sich auch 2017 fortsetzen soll. Aber länger als gedacht werde sich die Branche in einer „Weich-Markt-Phase“ befinden, sagt Bender voraus.


Es herrscht Anlagenotstand

Für die Konzerne ist das keine angenehme Perspektive. Schon 2014 und 2015 waren die Preise um teilweise bis zu mehr als zehn Prozent eingebrochen. Die Ursache für den Preisdruck auf Seiten der Rückversicherer ist der Anlagenotstand der Profis. Mit klassischen Anleihen erwirtschaften sie im aktuellen Niedrigzinsumfeld kaum noch Rendite.

Auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten investieren deshalb vor allem Pensionsfonds zunehmend in Verbriefungen von Versicherungsrisiken. Das bringt die Rückversicherer, die mit dem Risikotransfer gutes Geld verdienen, unter Druck. Für das wichtige Rating hat dies dennoch vorerst keine Auswirkungen.

Den Ausblick auf die Kreditwürdigkeit der Rückversicherer für die nächsten zwölf Monate sieht Bender nicht gefährdet. „Das Marktumfeld ist zwar negativ, aber dank der guten Kapitalisierung sowie der ergriffenen Maßnahmen der Branche bleibt das Rating stabil“, kündigte der Experte von S&P an.

Ab dem Wochenende in Monte Carlo werden die Rückversicherer auch wieder auf Meinungen wie die von Winfried Stienen treffen. Er ist Direktor bei der Provinzial Rheinland in Düsseldorf, einem regionalen Erstversicherer, der nach eigener Aussage mit über 50 Erstversicherern zusammenarbeitet.

Mit manchen Häusern läuft die Partnerschaft schon bis zu 40 Jahre. „Wir streuen seit der Finanzkrise stärker“, berichtet er aus der Praxis. Im Umgang mit den Rückversicherern hat er seine eigene Strategie, beispielsweise bei den Naturkatastrophen. „Ich glaube eher an die höhere Schadenfrequenz als an Extremereignisse“. Will heißen: Unwetter wird es in der Tendenz öfter, aber nicht extremer geben als bisher. Insgesamt will er für sein Haus wieder eine ausgewogene „Cuvée“ oder einen „Blend“ kreieren. Auch die gehören zum Branchentreff an der Côte d‘Azur. 

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