Bundespolizei mischt US-Wahlkampf auf FBI – Trumps Freund und Helfer?

Erst Hillarys Mails, dann Bills Begnadigung eines Steuerflüchtlings vor 15 Jahren: Kurz vor der US-Wahl bringt das FBI alte Clinton-Skandale zurück ins Rampenlicht. Warum jetzt? Die Demokraten wittern eine Verschwörung.

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Die Demokraten werfen FBI-Chef Comey, einem Republikaner, unzulässige Einflussnahme auf die Wahl vor. Quelle: AFP

Washington Hakeem Jeffries kann es nicht fassen. „Wir sind in der Schlussphase einer wichtigen Präsidentschaftswahl“, schimpft der Abgeordnete im Interview mit CNN, „und wegen des FBI reden wir jetzt über E-Mails und eine 15 Jahre alte Begnadigung“. Jeffries, Demokrat und Unterstützer der Kandidatin Hillary Clinton, nennt es „eine beunruhigende Entwicklung“, dass die Bundespolizei sich kurz vor der Wahl nun erneut in das Rennen ums Weiße Haus eingemischt hat – zu Ungunsten Clintons. „Das FBI und der Direktor schulden dem amerikanischen Volk eine Erklärung, was da vor sich geht“, fordert Jeffries.

Die Behörde, die ihren Sitz auf der Pennsylvania Avenue in Washington zwischen Weißem Haus und Kongress hat, soll sich eigentlich aus der großen Politik heraushalten. Doch in den vergangenen Tagen ist das FBI in den Mittelpunkt des Wahlkampfs gerückt – und zwingt Clinton in die Defensive. Zunächst hatte FBI-Direktor James Comey am Freitag die fast ausgestandene E-Mail-Affäre wieder zum Thema gemacht, als er in einer Mitteilung an Abgeordnete neue Untersuchungen ankündigte – und damit Clintons Rivalen Donald Trump indirekt zu einem dringend benötigten Umfrageschub verhalf.

Am Dienstag dann legte das FBI mit einer weiteren für Clinton unangenehmen Veröffentlichung nach: Die Behörde stellte einen 129-seitigen Bericht über die hochumstrittene Begnadigung des Börsenmaklers und Steuerflüchtlings Marc Rich durch Clintons Ehemann Bill im Jahr 2001 ins Netz. Präsident Clinton hatte Rich am letzten Tag seiner Amtszeit begnadigt. Pikant dabei: Zuvor hatte dessen Ehefrau großzügig an die Demokraten gespendet.

Viel Neues enthält das Papier über den Fall Rich zwar nicht, und schon damals fanden Ermittler keine Hinweise auf Käuflichkeit. Doch allein die Veröffentlichung des Berichts knapp eine Woche vor der Wahl spielt Trump und dessen Republikanern in die Hände: Schließlich geben sie sich im Wahlkampf alle Mühe, Clinton als „Crooked Hillary“ („Betrügerische Hillary“) darzustellen und werfen der Familie vor, ihre politischen Ämter zu missbrauchen, um mit reichen Spendern zu kungeln. Ein Vorwurf, der bei den Wählern durchaus verfing.

Am Mittwoch sah sich sogar der scheidende Präsident Barack Obama genötigt, sich zum Wirbel um das FBI und Clintons E-Mails zu äußern. In einem Interview mit „Now This News“ wollte er das Verhalten des FBI-Chefs nicht im Detail bewerten, nahm aber seine Parteifreundin in Schutz. Sicher habe der neue E-Mail-Fund eine „politische Kontroverse verursacht“, sagte Obama. „Doch die Sache ist doch, dass Clinton in ihren 30 Jahren in der politischen Arena oft schikaniert wurde und dass Leute eine Menge verrückte Sachen über sie sie sagen.“

Die Demokraten sind entsprechend entrüstet über die neuerliche Debatte und werfen FBI-Chef Comey, einem Republikaner, unzulässige Einflussnahme auf die Wahl vor. Trump hat seither in den Umfragen zugelegt, das Rennen ist wieder enger geworden. „Unverhohlene Doppelmoral“, schimpfte Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook bereits am Montag in Richtung Comey. Wenn die Behörde schon Wahlkampf-relevante Informationen veröffentliche, solle sie doch auch alles auf den Tisch bringen, was sie über Trumps angebliche dubiose Verbindungen zur russischen Regierung wisse. Das FBI habe dazu „explosive Informationen“, glaubt der Top-Demokrat im Senat, Harry Ried, doch diese würden unter Verschluss gehalten.


Muss der FBI-Chef um seinen Job bangen?

Tatsächlich hat das FBI mehrere Untersuchungen über mögliche Verbindungen Russlands zu Trumps Kampagne eingeleitet, nachdem immer wieder gehackte E-Mails der Demokraten bei der Enthüllungsplattform Wikileaks aufgetaucht waren und Clinton in Erklärungsnot brachten. Zwar kam die US-Regierung zu dem Schluss, dass die Täter russische Hacker gewesen seien. Beweise für eine direkte „Trump-Putin-Connection“ fanden sich jedoch nicht.

Dennoch versuchen die Demokraten seit Auftauchen der neuen Clinton-Mails am Freitag, aus dem vermeintlichen Clinton-Skandal einen Trump/Russland-Skandal zu machen. Hauptziel ihres Zorns ist dabei FBI-Chef Comey. Der hatte sich mit seinen Einlassungen über die neu aufgetauchten Mails so kurz vor der Wahl wohl über die Richtlinien des ihm übergeordneten Justizministeriums hinweggesetzt, die Einmischungen in Wahlkämpfe verbieten. Doch der FBI-Chef will keine andere Lösung gesehen haben. Die neuen Untersuchungen wären wohl durchgesickert, und Comey hätte sich dann vorwerfen lassen müssen, dem Kongress wichtige Informationen vorenthalten zu haben, sagten Vertraute des FBI-Chefs der „Washington Post“. Er habe seine Behörde nur schützen wollen.

Die Ermittler durchforsten derweil die neu entdeckten Clinton-Mails. Sie wurden laut Medienberichten ausgerechnet auf einem Laptop des vor fünf Jahren wegen Sex-Mails zurückgetretenen demokratischen Abgeordneten Anthony Weiner gefunden, dem Noch-Ehemann der Clinton-Vertrauten Huma Abedin. Die so genannte E-Mail-Affäre dreht sich um den Vorwurf, Clinton habe in ihrer Zeit als Außenministerin Zehntausende dienstliche Mails über einen Privatserver abgewickelt und damit die Nationale Sicherheit gefährdet. Das FBI untersuchte den Fall, sah im Juli aber kein strafbares Verhalten und deshalb auch keinen Grund für eine Anklage. Clinton räumte Fehler ein und kam mit einer Rüge davon. Ob sich Comey nun noch vor der Wahl äußern wird, ob er wegen des neuen Mail-Fundes seine bisherigen Schlussfolgerungen revidieren will, ist ungewiss.

Bei den jüngsten Veröffentlichungen zur Rich-Affäre um Bill Clinton bestreitet Comey jede Absicht der Wahlbeeinflussung. Man folge einer „Standardprozedur“, teilte das FBI mit, die „automatisch und elektronisch“ aufgrund des Gesetzes über die Informationsfreiheit erfolge. Die Angelegenheit gewinnt allerdings an Brisanz durch Comeys eigene Geschichte: Als Staatsanwalt in New York hatte er einst gegen den Steuerflüchtling ermittelt, später war er führend an den Untersuchungen zum Gnadenerlass beteiligt.

Der Ruf des FBI-Chefs, der bis vor kurzem noch sowohl bei Demokraten als auch bei Republikanern hohen Respekt genoss, ist schwer angeschlagen. Möglicherweise muss er sogar um seinen Job bangen, sollte Clinton gewinnen. Comey ist zwar für zehn Jahre ernannt – doch die Präsidentin wäre ermächtigt, ihn vorzeitig zu entlassen.

Mit Material von AFP und Bloomberg

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