Chipotle-Skandal Absturz aus dem Fast-Food-Himmel

Das rasante Wachstum der amerikanischen Fast-Food-Kette Chipotle Mexican Grill machte McDonald's und Co. lange das Leben schwer. Doch der Skandal um verseuchtes Essen lässt das Unternehmen einfach nicht los.

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Das Unternehmen findet keinen Weg aus dem Skandal um versuchtes Essen Quelle: AFP

New York Die Chipotle-Filiale an der Spring Street – eigentlich ein Hotspot des New Yorker Trendviertels SoHo – bleibt zunächst zu. Am Eingang des Taco- und Burrito-Geschäfts klebt ein Zettel, auf dem steht: „Wir schließen bis 15 Uhr, um an einem Treffen mit allen anderen Mitarbeitern teilzunehmen.“ Das gilt für alle fast 2000 US-Schnellrestaurants der Kette Chipotle Mexican Grill. Verseuchtes Essen sorgt für verschlossene Türen bei Amerikas bis vor kurzem noch erfolgreichstem Fast-Food-Konzern.

Das Unternehmen rufe seine Angestellten zusammen, um ihnen für ihre „außerordentliche Arbeit“ im Umgang mit dem Virenskandal zu danken, sagt Chipotle-Gründer Steve Ells. Aber tatsächlich geht es bei dem Treffen, für das der Konzern massive Umsatzeinbußen in Kauf nimmt, vor allem darum, der Belegschaft noch einmal die neuen Richtlinien zur Lebensmittelsicherheit einzuimpfen. Damit wolle Chipotle zum Vorreiter der Branche werden, so Ells. Aber es dürfte schwer werden, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.

Chipotles Alptraum ging im Sommer richtig los. Nachdem es schon wiederholt Vorwürfe wegen Hygienemängeln sowie einzelne Fälle von Lebensmittel-Vergiftungen gegeben hatte, nahmen die Erkrankungen von Kunden zu. Die Hiobsbotschaften rissen nicht ab: Im Oktober eskalierte die Lage, als das Boston College mitteilte, 141 Studenten – darunter das halbe Basketball-Team – seien nach dem Essen bei Chipotle erkrankt. Ärzte bestätigten Infektionen in großem Ausmaß.

Chipotle kämpft mit Salmonellen, Kolibakterien und Noroviren. Diese Krankheits-Erreger sind bereits aus anderen Lebensmittel-Skandalen bekannt. Die Folgen können relativ harmlos sein und nach einigen Tagen mit Magenschmerzen, Brechreiz und Durchfall abklingen. Doch es gibt auch schockierende Geschichten wie das Burgerfleisch-Desaster der US-Kette Jack in the Box, bei dem 1993 Hunderte Menschen infiziert wurden und vier Kinder starben.


Verkäufe brechen ein, Aktie stürzt ab

Besonders unangenehmen für Chipotle ist, dass die Probleme mit Hygiene-Mängeln und anderen Schlampereien in Zusammenhang gebracht werden. Noroviren können übertragen werden, wenn Mitarbeiter sich nach der Toilette nicht die Hände waschen oder trotz Infekten mit den Lebensmitteln in Verbindung kommen. Kolibakterien können entstehen, wenn Fleisch nicht richtig durchgegart oder nicht auf der richtigen Temperatur vorgehalten wird. Salmonellen traten unter anderen bei den Tomaten eines Zulieferers auf.

Für Chipotle ist all das der blanke Horror. Die Frischetheken, wo Burritos, Tacos und Salate nach Baukastenprinzip zusammengestellt werden, sind das Markenzeichen der 1993 in Denver gegründeten Kette. Das auch mit einer Filiale in Frankfurt am Main vertretene Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich als bessere, frischere und gesündere Alternative zu den etablierten Fast-Food-Riesen wie McDonald's und Burger King vermarktet. „Food with Integrity“ (Essen mit Integrität) lautet der Slogan, der durch den Virenskandal zum Bumerang wurde.

Es folgte der Absturz aus dem Fast-Food-Himmel - zuvor verzeichnete das Unternehmen lange zweistellige Wachstumsraten und belegte in den Rankings zur Kundenzufriedenheit Spitzenplätze. Dann das: Im Januar brachen die Verkäufe um 36 Prozent verglichen mit dem Vorjahr ein, die Aktie stürzte seit Mitte 2015 um etwa ein Viertel ab. Chipotle leidet nicht nur unter massivem Imageschaden, es drohen auch teure Sammelklagen und andere drastische Konsequenzen. Kaliforniens Generalbundesanwalt und die US-Lebensmittelaufsicht haben strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Vorstandschef Ells entschuldigte sich im Dezember in ganzseitigen Zeitungsanzeigen: „Dass jemand krank durch Essen bei Chipotle wurde, ist absolut inakzeptabel und es tut mir zutiefst leid.“ Er versucht, den Skandal als heilsamen Schock darzustellen: „Wir werden daran arbeiten, das Unternehmen als führende Kraft in Sachen Lebensmittelsicherheit zu etablieren.“ Doch das bedeutet, dass viele Zutaten künftig nicht mehr frisch zubereitet, sondern schon fertig angeliefert werden. Damit nähert sich Chipotle den so oft kritisierten Praktiken der gescholtenen Konkurrenz an.

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