Computerspiele im Betrieb Zocken bis die Rendite stimmt

Wer regelmäßig zu Ausflügen in interaktive Fantasiewelten unterwegs ist, bringt diese Erfahrungen auch in die Arbeitswelt ein. „Gamification“ ermöglicht neue Geschäftsmodelle, etwa bei SAP.

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Ein Screenshot zeigt eine „Lern-Weltkarte“ von SAP, die grafische Darstellung der individuellen Fortschritte eines Weiterbildungsprogramms der Software-Firma, das Elemente aus Computerspielen verwendet, um die Mitarbeiter zu motivieren. Quelle: dpa

Karlsruhe Gestern waren sie noch wilde Stiere in „World of Warcraft“, heute nehmen sie in den Chefetagen die Konkurrenz auf die Hörner: Mit Computerspielen aufgewachsene Manager bringen Elemente aus diesen interaktiven Welten ins Arbeitsleben hinein. Unter dem Schlagwort „Gamification“ werden Anwendungen entwickelt, die Beschäftigte neu motivieren oder das Engagement für Unternehmensziele stärken sollen. Diesen Themen widmen sich bis Mittwoch 150 Teilnehmer der zweitägigen Konferenz „bizplay“ in Karlsruhe.

Viele Computerspiele arbeiten mit Punkten, Auszeichnungen wie „Badges“ und anderen Belohnungen für das Erreichen bestimmter Ziele. Solche Elemente können eingesetzt werden, um Mitarbeiter dazu zu bringen, von sich aus leistungsbereiter zu werden.

Experten bezeichnen das als „intrinsische Motivation“ – die Beschäftigten arbeiten dann nicht nur wegen ihres Gehalts, sondern weil sie die Arbeit zu ihrem eigenen Ding gemacht haben. „Um das zu erreichen, muss sich der Nutzer richtig gut fühlen“, sagt „bizplay“-Kurator Steffen Walz und fügt hinzu: „Wie ein Wikinger, der einen neuen Kontinent erobert“.

„Wir erleben bei Gamification derzeit einen starken Schub“, sagt SAP-Manager Michael Ameling. „In Unternehmen der verschiedensten Branchen wird geschaut, wie das eingeführt werden kann.“ Das Software-Unternehmen entwickelt Anwendungen mit Spielelementen sowohl für eigene Zwecke als auch im Kundenauftrag.

Im SAP Community Network (SCN), dem sozialen Netzwerk des Unternehmens für Mitarbeiter und Kunden, habe sich die Aktivität nach Einführung eines Punktesystems verfünffacht, sagt Ameling. Die fleißigsten Mitglieder werden im „Leaderboard“ angezeigt. Gamification kommt auch in der betrieblichen Ausbildung zum Einsatz, etwa mit dem Multiplayer-Game SCM Globe zur Simulierung von Lieferketten. Bei anderen Trainingsmaßnahmen kann man sich das eigene Weiterkommen im Vergleich zu anderen auf einer Weltkarte anzeigen lassen.

Wegen der steigenden Nachfrage forscht SAP an einer Gamification-Plattform als eigenständige Lösung zur Integration von Elementen aus Computerspielwelten in Unternehmensanwendungen. „Uns erreichen viele Anfragen von Kunden, die alle ihre Prozesse bereits optimiert haben und denken, dass sie mit Gamification noch mehr erreichen können“, sagt Ameling. Beispiele sind etwa Call Center, bei denen die Erledigung besonders umfangreicher Aufträge mit einem Spielbelohnungssystem verbunden werden kann.


Daten können anonymisiert erfasst werden

Die Resonanz auf spielerische Elemente in Business-Anwendungen ist nach den Erfahrungen des SAP-Experten vom kulturellen Umfeld abhängig. In Deutschland wird ein reines Punktesystem oft nach gewisser Zeit als langweilig empfunden. Etwas anderes sei dann eine Belohnung in Form eines Treffen mit dem Vorstandschef. „Hingegen zeigen etwa Menschen in Indien stolz ihr T-Shirt mit einem aufgedruckten Badge.“

Wenn die betrieblichen „Computerspiele“ messbare Leistungen von Mitarbeitern festhalten, kommt der Datenschutz ins Spiel. Um dessen Forderungen zu erfüllen, können die erfassten Daten anonymisiert werden. „Und Gamification darf immer nur zu positiver Unterstützung, nie zur Bestrafung eingesetzt werden“, betont Ameling. Wenn der SAP-Manager in seiner Freizeit zockt, bevorzugt er rasante Rennspiele wie „Gran Turismo“.

Den „bizplay“-Organisator Walz, der an der RMIT-Universität in Melbourne forscht, fesselt die Fragestellung: „Was passiert, wenn diese Computerspiel-Elemente auf einmal auf die richtige Welt treffen?“ Dabei betrachtet er einige Entwicklungen an der Schnittstelle von Gamification und Enterprise durchaus kritisch: „Es kann nicht darum gehen, den Mitarbeitern ständig eine Karotte vorzuhalten und sie so für ein erwünschtes Verhalten zu konditionieren.“

Viel wichtiger sei es, den Nutzern eine gute Erfahrung zu vermitteln. Als Beispiel nennt er die Smartphone-App „Zombies, Run!“, die das Joggen oder das Training im Fitness-Studio mit interaktiven Hörspielen begleitet. „In dieser Geschichte wird der Jogger zur Hauptfigur“, erklärt Ameling.

Auf der Konferenz in Karlsruhe stellt die Firmengründerin Marigo Raftopoulos Ergebnisse einer Untersuchung vor, die sich kritisch mit Gamification im Unternehmen beschäftigt. Solche Strategien seien kein Allheilmittel für die Motivation desinteressierter Mitarbeiter oder zur Beschleunigung ineffizienter Prozesse. Vielmehr gehe es darum „wie wir Gamification nutzen können, um neue Systeme zu entwickeln, die den Spielewelten im Positiven nacheifern“.

Dazu gehörten auch neue Wege der Zusammenarbeit, flachere Hierarchien und andere Ansätze im betrieblichen Führungsstil. Als Ziel nennt Walz ein „menschenzentriertes Design“ von Abläufen im Unternehmen - und darin liege letztlich ein gesellschaftsveränderndes Potenzial.

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