Lars Bondo Krogsgaard steht noch nicht einmal ein halbes Jahr an der Spitze von Nordex, schon stemmt der Däne die größte Übernahme in der Geschichte des Windturbinenbauers. Vorbehaltlich der kartellrechtlichen Genehmigung kauft Nordex die Windsparte des spanischen Mischkonzerns Acciona für 785 Millionen Euro, 366 Millionen davon in bar und 419 Millionen in Form von Aktien.
Der bisherige Ankeraktionär von Nordex, die BMW-Erbin Susanne Klatten und ihr Mann Jan, veräußern zeitgleich Wertpapiere im Wert von 335 Millionen Euro an Acciona. Das vorrangig im Baugewerbe und im Bereich von erneuerbaren Energien aktive Unternehmen aus Madrid hält damit nun insgesamt 29,9 Prozent der Stimmrechte während das Ehepaar Klatten nur mehr 5,7 Prozent der Stimmrechte von Nordex besitzt. Die Spanier werden künftig zwei Drittel der Aufsichtsratsmitglieder stellen.
Ziel der Fusion ist es, „einen global ausgerichteten Anbieter der Windindustrie zu formen“, der „Schwankungen bei der Auslastung in einzelnen Märkten gut ausgleichen kann“, schreibt Nordex in einer Pressemitteilung. Vorstandschef Krogsgaard ergänzt: „Mit dem Zusammenschluss legen wir eine stabile Grundlage für zukünftiges profitables Wachstum“.
Die etwas verschwurbelte Erklärung ist im Kern nichts anderes als eine unverhohlene Kampfansage an die Konkurrenz, die den börsennotierten Windanlagenbauer mit Sitz in Hamburg und Produktionsstätte in Rostock schon länger argwöhnisch beäugt. Denn Nordex entschwebte zuletzt seinen Wettbewerbern.
Im ersten Halbjahr 2015 stieg der Umsatz von Nordex im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Der Gewinn hat sich mehr als verdoppelt. Die Auftragsbücher sind voll; der Ausblick glänzend. Der Börsenwert der Firma hat sich in den vergangenen drei Jahren mehr als versechsfacht.
Kern des Erfolgs: Nordex ist führend bei der Entwicklung von sogenannten Schwachwindturbinen. Der Clou dabei: Durch die Spezialmühlen rechnet sich Windenergie selbst in Regionen, die für Windkraft eigentlich völlig ungeeignet sind, da dort die meiste Zeit über Flaute herrscht.
Vom Pleitekandidaten zum Aushängeschild
Weil es aber kaum noch freie Flächen an guten, weil windreichen Standorten gibt, etwa in Küstennähe, zieht das Geschäft mit Turbinen für windarme Regionen immer stärker an. Nordex profitiert von diesem Trend überproportional. Doch die international führenden Turbinenhersteller wollen die Vorherrschaft von Nordex bei Schwachwindanlagen in vielen Regionen brechen.
Vestas, die weltweite Nummer eins, der deutsche Marktführer Enercon sowie Siemens und Senvion haben zuletzt allesamt nachgerüstet und neue Turbinen für Schwachwindstandorte vorgestellt. Sie wollen Nordex das Kerngeschäft streitig machen. Und wie reagiert der Hamburger Mittelständler? Der wechselt ebenfalls in den Kampfmodus.
Durch den Zusammenschluss mit Acciona hat Nordex das Potenzial schon bald zu einem der fünf größten Turbinenhersteller für Windkraft an Land weltweit aufzusteigen. Denn während die Deutschen bisher vor allem innerhalb Europas eine feste Größe waren, gewinnen sie durch die Fusion mit den Spaniern jetzt auch in Nord- und Südamerika sowie den Schwellenländern enorm an Bedeutung.
Hinzu kommt, dass sich die Portfolios der Unternehmen auch sonst gut ergänzen. Acciona hat sich insbesondere bei Großprojekten einen Namen gemacht während Nordex gerne auch im Auftrag von Gemeinden und mittelständischen Unternehmen einzelne Windräder pro Standort errichtet. „Das Abkommen macht viel Sinn“, sagt Nordex-Chef Krogsgaard, der auf noch mehr Rückenwind für das eigene Geschäft hofft.
Nordex hat sich in den vergangenen Jahren vom Pleitekandidaten zu einem Aushängeschild der Branche entwickelt. 2011 rutsche der Turbinenbauer tief in die roten Zahlen. Ein Jahr darauf verdoppelte sich der Verlust sogar beinahe. In den Büchern stand ein Minus von 94 Millionen Euro. Der Mittelständler stand kurz vor dem Aus. Erst radikale Einschnitte ermöglichten die Rettung.
So wurden die Pläne für das risikoträchtige Geschäft mit Meerwindparks ruckartig beerdigt, die Produktion in Deutschland gebündelt, hunderte Stellen gestrichen und das China-Engagement beendet. Die Maßnahmen wirkten. 2013 schrieb das Unternehmen bereits wieder Gewinn, 2014 war dann sogar das profitabelste Jahr in der Unternehmensgeschichte. Für 2015 peilt Nordex einen Umsatz von bis zu 2,2 Milliarden Euro an.