Der Anlagestratege Die Zinsen bleiben niedrig

Die niedrigen Zinsen werden als „historisch“ in die Geschichte eingehen. Daran ändert auch der jüngste Anstieg der Renditen zehnjähriger Bundesanleihen nichts. Banken, Versicherer und Stiftungen werden weiter bluten.

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Anlagestratege-Kolumne von Christoph Bruns

Vieles spricht dafür, dass sich in den vergangenen Wochen eine historische Zinswende ereignet hat. Sollte dem so sein, dann wird man später von 'der großen Zinswende' sprechen, so wie man heute von 'der großen Finanzkrise' spricht, wenn man die Subprime-Krise der USA und die kurze Zeit später eintretende Euro-Krise erwähnt.

In den Geschichtsbüchern wird man ferner vermerken, dass nach mehr als drei Jahrzehnten Anleihehausse die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen ihr historisches Minimum bei 0,05 Prozent gefunden hatte. Seither sind diese Obligationen um zirka zehn Prozent im Kurs gefallen, sodass die Rendite mittlerweile bei nahezu einem Prozent angelangt ist. Alle anderen kürzeren Laufzeitbereiche wiesen sogar negative Nominalzinsen auf und bei ein- bis dreijährigen Laufzeiten ist das auch heute noch der Fall.

Blickt man auf die realen Renditen, also unter Abzug der Inflationsrate, dann wies die deutsche Zinsstrukturkurve über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg negative Zinsen auf. Je nach dem Verlauf der amtlichen Inflationsrate mag es sehr wohl so sein, dass in Deutschland auf absehbare Zeit negative Realzinsen herrschen werden. Es gibt deutliche Anzeichen, denen zufolge die allgemeine Preissteigerung anziehen wird. Neben Lohnerhöhungen und Preissteigerungen für Nahrungsmittel legen auch die Energiepreise in diesem Jahr signifikant zu.

Damit dürfte auch jenes Gespenst mit Namen Deflation vertrieben worden sein, welches die Europäische Zentralbank als Begründung für ihre ultralockere Geldpolitik ins Feld geführt hat. Falsch wäre es indessen, den Langmut des EZB-Präsidenten Mario Draghi zu unterschätzen. Er wies im Getümmel des Renten-Crashs bereits darauf hin, dass die EZB erstens ihre Anleihekäufe vorziehen könnte und zweitens mit höheren Kursverlusten an den Kapitalmärkten seitens der Anleger Vorlieb zu nehmen sei.

Nirgendwo ist die Globalisierung so deutlich abzulesen wie an den Finanzmärkten. Entsprechend darf es niemanden überraschen, dass der Bärenmarkt für langlaufende Anleihen ein internationales Ereignis ist. Rund um den Globus haben die Anleihekurse stark nachgegeben. Unternehmensanleihen wurden dabei ebenso wenig verschont wie Schuldtitel der Schwellenländer. Kursabschläge von 15 Prozent und mehr waren sehr wohl zu beobachten und bieten einen Vorgeschmack darauf, was kommt, sollte es zu einer Normalisierung der Zinsen auf historischen Niveaus kommen. Alles spricht dafür, dass die sieben mageren Jahre bei Anleiheinvestments angebrochen sind.

Schwierig dürfte sodann die Lage nun für Banken, Versicherungen, Versorgungseinrichtungen und Stiftungen werden, sofern sie ihre Anleihen zu Marktwerten bilanzieren müssen. Dann nämlich wird man um hohe Abschreibungen auf die Bestände nicht herumkommen. Hier haben die Staaten jedoch durch ihre schuldenfreundliche Regulierung vorgesorgt, sodass Verlust durchaus verschleiert werden können.


Nur die Fed kann noch helfen

Ökonomisch ändert dies jedoch an dem Kurseinbruch der letzten Wochen nichts. Der RexP, der die Wertentwicklung eines Korbes synthetischer deutscher Anleihen misst, weißt seit Jahresbeginn einen Wertverlust von minus 1,6 Prozent aus. Negative Ertragsjahre sind dem Anleihenmarkt bislang überwiegend unbekannt.

Ungemach erbringen die Kursverluste an den Anleihemärkten auch für die Staaten, die perspektivisch höhere Zinsen für neu aufzulegenden Staatsanleihen werden zahlen müssen. Man wird abwarten müssen, wie stark die EZB hier mit ihren Anleihekäufen gegenhalten kann.

In eine ärgerliche Situation geraten nunmehr deutsche Privatanleger. Während die Sparzinsen bereits seit langem nichts Reales hergeben, ist nun auch die Anleiheparty vorbei. Immerhin haben viele Bürger die historisch niedrigen Zinsen genutzt, um Finanzierungen im Immobilienbereich einzugehen.

Nicht gelungen ist demgegenüber die strukturelle Umschichtung der weitgehend zinsgebundenen Sparanlagen in Deutschland hin zu Eigenkapitalanlagen. Man kann sich durchaus vorstellen, dass der aktuelle Rentencrash die strukturellen Rotationstendenzen in die Aktienanlage verstärkt. Gleichwohl stellten steigende Zinsen in der Vergangenheit stets Gift für Aktienengagements dar. Jeder Aktionär sollte wissen, dass die Fortsetzung der Aktienhausse stark abhängig von der weiteren Zinsentwicklung ist.

Sofern die Kurzfristzinsen wie von der EZB angekündigt lange Zeit bei Null verharren und die Zehnjahreszinsen in Deutschland nicht über drei Prozent steigen, dann dürfte die Aktienanlage bis auf weiteres ohne Alternative bleiben. Einen Strich durch diese Rechnung könnte schließlich noch die Fed machen, die für das zweite Halbjahr erste Leitzinsanhebungen für die USA angedeutet hat.

Aus Chicago

Ihr

 

Dr. Christoph Bruns

 

Christoph Bruns ist Fondsmanager und Mitinhaber der Fondsgesellschaft LOYS AG.

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