Der Werber-Rat Werbung, so sexy wie nie

Die Werbebranche muss heutzutage kreativer werden, um Nachwuchs zu gewinnen. Das Bild des genialen Kreativen mit der Flasche Whiskey in der Hand hilft uns dabei nicht. Die „Mad Men“ sind nämlich nur noch Klischee.

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Informatiker, Statistik-Experten, Consultants, Psychologen oder auch Linguisten werden heutzutage in der Werbebranche gebraucht. Quelle: dpa

In unserer Branche wird ja immer mal wieder darüber lamentiert, dass es an Nachwuchskräften mangelt und tolle Talente abwinken, wenn es um Werbung geht. Vom „War for Talents“ ist da die Rede, was mir viel zu kriegerisch klingt. Und viel zu wenig selbstbewusst.

Natürlich gibt es eine muntere Konkurrenz um die sogenannten „High Potentials“, die besten neuen Mitarbeiter – schon deshalb, weil die gesamte Wirtschaft den demografischen Wandel zu spüren bekommt. Aber lautstark darüber zu klagen, ist noch längst keine sinnvolle unternehmerische Strategie. Und es ist schon überhaupt nicht kreativ.

Viele Werbeagenturen haben das inzwischen erkannt, sie bieten mittlerweile vielfältige Aus- und Fortbildungsprogramme für Nachwuchskräfte an. Jung von Matt etwa hat eine Akademie gegründet.

Bei uns haben vor drei Wochen die Studenten der sogenannten „BBDO Masterclass“ mit ihrer Traineeausbildung begonnen. Dass die Agenturen auf diesem Feld, zusätzlich zu den klassischen Ausbildungsangeboten, ihre eigenen Wege gehen, sehe ich nicht als Nachteil, im Gegenteil: Werbung ist überaus vielfältig, warum sollten es dann nicht auch die Möglichkeiten für Trainees sein?

Natürlich müssen wir uns trotzdem die Frage stellen, ob sich unsere Branche immer und überall richtig darstellt. Zumal wir zunehmend auch Experten brauchen, die sich nicht aus den klassischen Werbe- und Kommunikationsstudiengängen rekrutieren lassen.

Was der Industrie dabei jedenfalls nicht hilft, ist das Bild des genialen Kreativen, der mit der Flasche Whiskey in der Hand ganz allein auf den knackigen Claim kommt und diese Eingebung dann nächtelang mit seinen Kollegen begießt. Diese „Mad Men“ sind heute nur noch ein Klischee.

Agenturen, die nicht nur in Kampagnen, sondern in ganzheitlicher Kommunikation denken, haben bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften ihren Fokus schon längst viel breiter gespannt. Wir brauchen junge und talentierte Informatiker, Statistik-Experten, Consultants, Psychologen oder auch Linguisten. Und manchmal wohl sogar einen Philosophen.

Sie alle sollten eine Leidenschaft für außergewöhnliche und anspruchsvolle Kommunikation mitbringen. Dann können sie helfen, in der zunehmend komplexeren medialen Welt die passenden Botschaften zu formulieren und zu transportieren.

Weil individuelle Relevanz eben kaum messbar ist, weil Motive, Bedürfnisse und Belohnungswirkungen keine manifesten Konstrukte sind.

Die Autorin: Marianne Heiß ist Finanzchefin der Agentur BBDO Germany. Sie ist eine von sechs Kolumnisten, die an dieser Stelle im täglichen Wechsel über Kommunikation schreiben.

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