Deutsche Bank und Co Neue Chefs starten Wettlauf gegen die Zeit

Nicht nur die Deutsche Bank, auch Credit Suisse, Standard Chartered und Barclays haben einen Vorstandswechsel hinter sich. Auf den neuen Chefs lastet hoher Druck: Sie sollen die Institute endlich aus der Krise führen.

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Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan soll das Institut aus der Krise führen. Quelle: AFP

London/Frankfurt An der Startlinie stehen vier Männer, die alle in die selbe Richtung wollen – und im Moment ist völlig offen, wer als Sieger davon zieht. Die Rede ist von den neuen Chefs bei Deutscher Bank, Credit Suisse, Standard Chartered und Barclays. Ihr Ziel: Eine schlankere, schlagkräftige Bank formen, endlich den Ballast der Vergangenheit abwerfen und den Investoren jene Renditen liefern, die in den USA längst schon wieder gang und gäbe sind.

Für Experten ist es keinesfalls ausgemacht, dass dafür die viel beschworenen Schrumpfkuren reichen werden. Möglicherweise müssen die Institute ein weiteres Mal ihre Aktionäre um frisches Geld anpumpen, um auf Touren zu kommen. Damit gäbe es auch einen Wettlauf um Kapital: Wer zuerst Erfolge liefert, heimst die Milliarden ein. Wer zurückfällt, geht leer aus.

„Wenn man will, dass die Investoren auf das operative Geschäft schauen und nicht immer nur auf die Kapitaldecke, dann muss man eben alles tun, um die Kapitalfrage ein für alle mal zu lösen“, sagt Guy de Blonay, Fondsmanager vom Investmenthaus Jupiter Asset Management. Eine Kapitalerhöhung könne aber nur derjenige anstoßen, der einen überzeugende Strategie habe.

Diese in allen Feinheiten auszuarbeiten, das ist nun die wichtigste Aufgabe für John Cryan von der Deutschen Bank, Tidjane Thiam von Credit Suisse und Bill Winters bei Standard Chartered – alles Manager Anfang 50. Ein wenig aus der Reihe fällt Barclays mit Chairman John McFarlane, der die Bank nur übergangsweise leiten soll, bis ein neuer Vorstandschef gefunden ist.

Sie sollen das schaffen, was ihren Vorgängern nicht gelungen ist: Die Institute aus der Krise führen. Vorschusslorbeeren bekamen sie alle: Die Nachrichten über den Chefwechsel ließen den Marktwert der vier Großbanken um zusammen mehr als sieben Milliarden Euro steigen. Klarer könnte das Votum der Anleger nicht sein.

Die wohl schwierigste Aufgabe hat der neue Deutsche-Bank-Chef. John Cryan übernimmt von Anshu Jain ein Haus mit hohen Kosten, komplexen Strukturen und teuren Rechtsstreitigkeiten. Deutschlands größtes Geldhaus ist sieben Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise noch immer auf der Suche nach sich selbst.

Es misst sich von der Bedeutung zwar gerne mit dem US-Branchenprimus JP Morgan, hat aber eine der niedrigsten Bewertungen in der Branche. Händler taxieren den tatsächlichen Wert der Bank auf gut die Hälfte dessen, was an Vermögen in den Büchern steht. Mit anderen Worten: Die Einzelteile sind mehr wert als das Ganze.


Lieber Handfestes als Stückwerk

Cryan, der seit 2013 im Aufsichtsrat der Deutschen Bank saß, muss das ändern. Dass er sich bis Ende Oktober – drei Monate länger als ursprünglich geplant – Zeit nimmt, um die Details der „Strategie 2020“ auszuarbeiten, kam bei Investoren unisono gut an. Sie wollen lieber etwas „Handfestes“ als wieder nur Stückwerk.

Und sie hoffen, dass Cryan als Mann von außen radikaler aufräumt und nicht nur im Filialgeschäft, sondern auch in der von Jain so geliebten Investmentbank tief schneidet. Denkverbote scheint es für den Neuen nicht zu geben.

Dafür spricht, dass Cryan im Aufsichtsrat bis zuletzt für die große Lösung geworben hatte – eine Zerlegung des Konzerns in eine Privatkundenbank und eine Investmentbank mit angeschlossener Vermögensverwaltung. Dieses Modell ist inzwischen zwar vom Tisch, stattdessen wird nur die Postbank verkauft. Aber auch bei der kleinen Lösung gibt es möglicherweise noch Nachbesserungen.

Beim Thema Kapital ist Cryan ebenfalls schmerzfrei, wie Weggefährten berichten. „Er hat mit Jain mehrmals offen darüber debattiert, ob beispielsweise das US-Geschäft der Bank ausreichend kapitalisiert ist“, erinnert sich ein Insider. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Deutsche Bank unter Cryan noch einmal frisches Geld einsammelt – trotz der Mega-Kapitalerhöhung im vergangenen Jahr. Das werde aber wohl nicht mehr 2015 passieren.

Das Institut selbst hatte auf der Hauptversammlung im Mai zwar noch betont, solche Pläne gebe es nicht. Aber da war Cryan noch nicht im Amt. Analyst Filippo Alloatti von Hermes Investment Management sieht den weiteren Fahrplan so: „Die Priorität wird jetzt sein, die Strategie auszuarbeiten, die Kosten zu senken und sich systematischer von nicht-strategischem Geschäft zu trennen.“ Denn versprochen wurde schon viel, geliefert wenig.

Im Grunde gilt das auch für die anderen drei Häuser. Bei Credit Suisse wird eine stärkere Fokussierung auf die Vermögensverwaltung erwartet. Standard Chartered dürfte sein internationales Netzwerk straffen und Barclays die Investmentbank neu zuschneiden, für die zuletzt eine klare Vision gefehlt hatte.

Den Erwartungen der Anleger gerecht zu werden und gleichzeitig die Mannschaft mitnehmen - das könnte für die neuen Chefs zu einem Drahtseilakt werden, die Fallhöhe ist groß. Lange vor seinem Amtsantritt bei Credit Suisse hat Thiam seine Devise einmal so beschrieben: „Wenn Du wirklich an Dein Ziel glaubst, dann darfst Du nicht nach unten schauen.“

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