Die Chef-Beraterin Wenn Grüße zur Gefahr werden

E-Mails sind Briefen in vielerlei Hinsicht überlegen. Doch heikel wird es spätestens bei der Grußformel. „Liebe Grüße“ oder „Herzlichst“ gehen im Geschäftsleben natürlich gar nicht – aber was sind die Alternativen?

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Sabina Wachtel schreibt jeden Mittwoch ihre Berater-Kolumne auf Handelsblatt Online. Sie ist Inhaberin von ExpertExecutive.

Briefe sind out. Die Post versendet in einem Jahr knapp 20 Milliarden Briefe, sagt die Statistik. Und dabei sind Werbesendungen in der Mehrheit. Wer etwas mitzuteilen hat, schreibt eben eine E-Mail. Keine Ahnung, wie viele Millionen Mails täglich durch die Leitungen rasen. Eine vorsichtige Statistik geht von etwas über 205 Milliarden aus, Tendenz steigend.

E-Mails haben aber auch unbestritten einige Vorteile gegenüber dem Brief: Geschwindigkeit bei der Zustellung, Rückwärts-Löschen-Taste und Nachverfolgung, um nur mal ein paar zu nennen. An einer Sache hat sich aber nichts geändert: Man muss immer noch eine gewisse Form wahren, wenn man den Empfänger der Nachricht nicht vor den Kopf stoßen möchte.

Ich finde ja, die Tastatur könnte schon ein paar Grußformeln parat haben, das wäre wirklich eine große Hilfe. Ich empfehle diese Grundausstattung:

1. Mit freundlichen Grüßen – Standard, nie verkehrt, relativ unpersönlich
2. Beste Grüße, schöne Grüße, herzliche Grüße sind da schon etwas freundlicher – wobei ich mich immer frage, was passieren würde, wenn ich mal hässliche Grüße schreiben würde. Würde man das überhaupt merken?

Immer mehr im Kommen sind ja „liebe Grüße“, es vergeht eigentlich kein Tag ohne. Und da schreiben mir nicht Freunde oder gute Bekannte – nein, das sind ganz normale Business-E-Mails. Mir sagte letztens eine Assistentin, dieses „Liebe Grüße“, findet sie total unangemessen „das geht gar nicht“, das sei viel zu persönlich, gehört nicht in die Geschäftswelt. Recht hat sie. Aber gut. Keine „Lieben Grüße“ also.

Kurz und knapp „Gruß“ sollte man übrigens auch nicht verwenden, da dies oft bei Streitigkeiten zum Einsatz kommt und somit zu Missverständnissen führen könnte. Etwa: Sehr geehrter Herr Müller, haben Sie heute Zeit für einen Lunch? Gruß… Hier könnte der Eindruck eines kommenden Streitgespräches entstehen.

„Herzlichst“ soll angeblich übertrieben sein, da jeder weiß, dass das sowieso nicht stimmt. Aber ich finde ja, das macht nichts. Hochachtungsvoll dagegen ist ja wirklich out – wird inzwischen aber gern ironisch verwendet bei Leuten die man nicht leiden kann.


Arrogante Grüße aus Berlin

„Mfg“ und „LG“, das machen 13-Jährige untereinander – ist aber im Geschäftsleben völlig daneben, und respektlos. Das geht gar nicht!

Was mich allerdings immer wieder aufs Neue irritiert, sind solche Grußformeln:

• Mit freundlichen Grüßen aus dem sonnigen München in das hoffentlich auch sonnige Frankfurt
• Mit den besten Grüßen aus dem verregneten/stürmischen/rauen/grauen/kalten Hamburg
• Mit den besten Grüßen für ein schönes Wochenende aus dem wunderschönen Baden-Baden
• Freundliche Grüße aus dem verschneiten Düsseldorf
• etc.

Sie wissen, was ich meine, oder? Ich habe dann immer das Gefühl, dass ich in meiner Antwort auf jeden Fall auf diese Grußformel, also das Wetter, eingehen muss („oh…das ist aber schade, dass Sie so schlechtes Wetter haben“ oder „Sie Glückliche, hier ist das Wetter heute eher durchwachsen). So was halt.

Aber das Beste kommt zum Schluss: Hinter manch einer Grußformel verbirgt sich eine Botschaft: Ich habe irgendwo gelesen, dass, wenn man zum Beispiel schreibt „Grüße aus Berlin“, will man eigentlich sagen: Ich sende dir Grüße aus der hippen, sexy, stylishen Metropole in dein kleines hutzeliges Kaff, dessen Namen ich noch nie gehört habe; ich bin im Mittelpunkt, am Nabel der Welt. Du bist im Nirgendwo. Ha,ha. Das fand ich super! Wäre ich in Berlin, würde ich das eigentlich nur schreiben, da könnte ich meine Bosheit nicht zügeln.

Wer es in Berlin freundlicher angehen will, dem sei empfohlen, statt „Grüße aus Berlin“ besser „Grüße NACH Freiburg, Kassel, Wolfsburg, Castrop-Rauxel“ oder so zu schreiben. Also, liebe Berliner, merken Sie sich das. Diskriminieren Sie nicht uns, die nicht im Mittelpunkt sitzen.

Sabina Wachtel berät Manager. Sie ist Inhaberin von ExpertExecutive mit den Labels ManagerOutfit.de und 55dresscodeberater.de. Außerdem ist sie Autorin.

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