Duftstoffe Helfen Fruchtfliegen bald bei der Krebsdiagnose?

Ohne Training können die Insekten Hunderte chemische Substanzen differenzieren. Selbst verschiedene Untergruppen von Krebszellen identifizieren sie anhand des Geruchs. Forscher wollen diese Fähigkeit nutzen.

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Drosophila melanogaster: Fruchtfliegen können Krebszellen anhand des Geruchs erkennen. Quelle: dpa

Den empfindlichen Geruchssinn von Tieren hat sich der Mensch schon in den unterschiedlichsten Fällen zunutze gemacht. Bekannteste Beispiele sind wohl Hunde, die Drogen erschnüffeln oder Fährten aufnehmen können. Und Ratten werden seit längerem darauf gedrillt, Alarm zu schlagen, sobald sie den Sprengstoff TNT riechen. Die possierlichen Nager werden dann in der Minenräumung eingesetzt. Sie erschnüffeln die explosive Mischung, lösen aber aufgrund ihres geringen Gewichts die Landminen nicht aus.

Selbst die Medizin nutzt bereits die olfaktorischen Fähigkeiten von Tieren. So gibt es Hunde, die anhand des sich verändernden Körpergeruchs Diabetiker warnen, wenn eine Unterzuckerung droht. Und selbst auf das Erschnüffeln von Lungenkrebs in der Atemluft von Probanden wurden Hunde schon erfolgreich gedrillt. Ihre Trefferquote lag bei 72 Prozent – erstaunlich hoch, wenn man bedenkt, dass es bisher noch keine verlässliche Früherkennung für Lungenkrebs gibt.

Doch ein Problem all dieser Einsatzmöglichkeiten bleibt: Die Tiere müssen erst mühsam darauf trainiert werden, beim Duft bestimmter Stoffe entsprechend Alarm zu schlagen. Wie einfach wäre es dagegen, den Geruchssinn als Diagnoseapparat ohne jedes Training zu nutzen? Genau das ist Forschern jetzt mit der Fruchtfliege gelungen.

Denn die Insekten mit dem lateinischen Namen Drosophila melanogaster haben ein geradezu phänomenales Rezeptorensystem, das Hunderte chemische Substanzen differenzieren kann – und das ganz automatisch. Nun haben Forscher nachgewiesen, dass Fruchtfliegen über ihren Geruchssinn Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden können. Der Mechanismus: An die Rezeptorneuronen der Fruchtfliege binden sich einzelne Duftmoleküle und aktivieren bestimmte Neuronen. Diese wiederum wurden von den Forschern der Universitäten Konstanz und La Sapienza in Rom genetisch so verändert, dass sie bei Aktivität fluoreszieren, also leuchten.

Bei den Versuchen wurden fünf unterschiedliche Brustkrebslinien verwendet und im Vergleich zu gesunden Zellen überprüft. „Da nicht nur kranke und gesunde Zellen unterschieden werden können, sondern auch Untergruppen innerhalb der Krebszellen erkennbar waren, scheinen über die Antenne der Drosophila sogar verschiedene Brustkrebszellarten differenzierbar zu sein“, sagt Alja Lüdke, Wissenschaftlerin an der Universität Konstanz.

Die Forscher hoffen, mit Hilfe dieser neuen Erkenntnisse irgendwann einen Sensor bauen zu können, der die Diagnose von Krebs oder anderen Krankheiten schnell und zuverlässig ermöglicht. Zwar arbeitet die Forschung seit mehr als 20 Jahren an der Entwicklung sogenannter elektronischer Nasen, mit deren Hilfe die Ausatemluft von Kranken untersucht werden kann und die Rückschlüsse auf Erkrankungen ermöglichen. Aber all diese Geräte sind längst nicht so gut wie der Geruchssinn der Tiere.

Und noch einen weiteren Vorteil hätten diese neuen Techniken. Denn bisher sind Diagnoseverfahren zur Früherkennung, wenn sie denn überhaupt existieren, häufig mit nicht ganz ungefährlichen Eingriffen verbunden. So werden Gewebeproben entnommen, Minikameras in den Organismus eingeführt oder etwa Katheder durch Blutgefäße geführt. Solche Eingriffe könnten durch die Diagnose aus der Atemluft oder aus einzelnen Zellen weitestgehend entfallen.

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