Die Hoffnung war so groß, die das Internet schürte: Informationen gebe es nun für alle, ein demokratischer Diskurs sei endlich möglich, das hierarchische Gefälle zwischen Schreiber und Leser aufgehoben. Niemand sollte mehr Meinungen unterdrücken können; die Gedanken sind frei, weltweit und auf ewig. Piraten praktizieren Basisdemokratie, und auf Wikileaks bekommen die Herrschenden eins auf die Mütze. Kommunikation läuft zielgerichtet, ich bekomme nur, was mich interessiert, kann mich mit Gleichgesinnten zusammenschließen.
Und erst in der Wirtschaft: Totale Transparenz sollte die Preise drücken. Alles wird besser, weil jeder mit jedem konkurriert. Konsumenten bündeln Einkaufsmacht, in Auktionen finden alle den fairen Preis.
Das Internet ist für Freunde, wir sind die Guten. „Don’t be evil“, sagt Google.
Anteil der Internet-User, die Soziale Medien nutzen
Der Spitzenreiter ist mit 90 Prozent Jordanien. In keinem anderen Land sind so viele der Internet-User in Sozialen Netzwerken aktiv.
Auf dem Inselstaat Indonesien benutzen 89 Prozent Social Meedia
In der Türkei und in Venezuela bewegen sich 88 Prozent der Internet-User bei Facebook und Co.
Russland und Venezuela liegen mit 85 Prozent Social-Meedia-Quote gleich auf.
Von den Israelis mit Internetzugang haben 76 Prozent einen Account bei einem Sozialen Netzwerk.
Im Heimatland der meisten Social Meedia Unternehmen haben gerade einmal 71 Prozent einen Account.
Damit sind die Amerikaner aber immer noch besser vernetzt, als die Chinesen. Bei ihnen liegt die Social-Meedia-Quote bei gerage einmal 63 Prozent.
Selbst unsere französichen Nachbarn haben mit 57 Prozent Social-Meedia-Quote einen höheren Wert, als die ...
... Deutschen. Hierzulande haben gerade einmal die Hälfte (50 Prozent) aller Internet-User einen Account bei einem Sozialen Netzwerk. Damit bildet Deutschland das Schlusslicht der verglichenen 40 Staaten.
Nur Pakistan hat mit 50 Prozent eine genau so geringe Social-Meedia-Quote.
Das haben wir gehofft. Und was ist passiert? Innenstädte veröden, Händler werden an die Wand gedrückt von Webgiganten, von Quasimonopolisten, mit denen unsere Wettbewerbshüter nicht fertig werden. Die weltweit agieren und kaum Steuern zahlen. Mit der Transparenz ist es auch nicht weit her: Suchportale zeigen die Angebote derer, die dafür bezahlen, bevorzugt an. Und, eigentlich tröstlich, so richtig schaffen sie es noch nicht, mich zielgerichtet zu bedienen. Warum, Google, blendest du mir Werbung für Treppenlifte ein?
Noch fataler sind die politischen Folgen. Statt einer Gegenöffentlichkeit selbstbestimmter Bürger entstand die Filterblase: Jeder bekommt das zu sehen, von dem die Algorithmen zu wissen glauben, dass es ihm zusagt. Diskurs? Findet nicht statt.
Ganz zu schweigen von den kriminellen Manipulationsmöglichkeiten: Vermutlich von russischen Hackern auf Rechnern von Hillary Clinton erbeutete Papiere tauchen im US-Wahlkampf auf. Echte Dokumente und falsche News geben einen Cocktail, der Wähler besoffen macht. Sicher: Jeder Politiker sollte so handeln, dass keine Mail-Veröffentlichung ihm schaden könnte. Nur handeln die meisten Menschen nicht so.
Große Hacker-Angriffe der vergangenen Jahre
Bei der im Mai 2014 bekanntgewordenen Attacke verschafften sich die Hacker Zugang zu Daten von rund 145 Millionen Kunden, darunter E-Mail- und Wohnadressen sowie Login-Informationen. Die Handelsplattform leitete einen groß angelegten Passwort-Wechsel ein.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers machte Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Beim Angriff auf die amerikanischen Baumarktkette gelangten Kreditkarten-Daten von 56 Millionen Kunden in die Hand unbekannter Hacker, wie im September 2014 mitgeteilt wurde. Später räumte Home Depot ein, dass auch über 50 Millionen E-Mail-Adressen betroffen waren.
Die Hacker erbeuteten bei der im August 2014 bekanntgewordenen Attacke auf die US-Großbank die E-Mail- und Postadressen von 76 Millionen Haushalten und 7 Millionen Unternehmen.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurde die E-Mail-Korrespondenz aus mehreren Jahren erbeutet. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für höchst unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, waren die Enthüllungen für viele Kunden schockierend.
Der Spezialist für Lernspielzeug räumte einen Hacker-Angriff im November 2015 ein. Später wurde bekannt, dass fast 6,4 Millionen Kinder-Profile mit Namen und Geburtsdatum betroffen waren - davon gut 500 000 in Deutschland.
Und glaubt jemand im Ernst, Hacker hätten nicht auch bei Donald Trump Belastendes finden können? Wladimir Putin entscheidet, wo gesucht wird, und Wikileaks veröffentlicht – eine Horrorvision. Weder Putin noch Cambridge Analytica, die via Internet Psychogramme von Millionen Amerikanern gebaut haben und jeden mit passgenauer Wahlpropaganda befeuern können, haben die US-Wahl entschieden. Aber die Geschichte geht weiter. Hacker haben den Bundestag attackiert, Cambridge Analytica bietet sich europäischen Parteien an.
Wir haben hinter eine Tür geschaut, eine Ahnung davon bekommen, welches Ausmaß an Manipulation möglich ist. Nicht die Guten, sondern die Skrupellosen erringen die Vorherrschaft im Internet. Wer vom Netz in seinem heutigen Zustand noch totale Freiheit und Transparenz fordert, ist naiv.