Ende der Kostenlos-Kultur? Wo Sie immer noch nichts fürs Girokonto zahlen

Es gibt sie noch, die kostenlosen Girokonten. Allerdings sollten Verbraucher auf Filialen verzichten können und das Kleingedruckte lesen. Welche Banken das Null-Euro-Versprechen noch einhalten.

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Wo Bankkunden bald mehr Gebühren zahlen
Belastungen durch niedrige Zinsen Quelle: dpa
Firmenkunden zahlen oft schon Strafzinsen für Bankeinlagen. Droht das jetzt auch Privatkunden? Quelle: dpa
Wie stark steigen die Kontoführungsgebühren? Quelle: dpa
Wie sieht es bei Gebühren für einzelne Bankdienste aus? Quelle: dpa
Warum erhöhen Banken die Gebühren überhaupt? Quelle: dpa
Sind nun massenhafte Preiserhöhungen zu befürchten? Quelle: dpa
Wie sollten sich Verbraucher verhalten? Quelle: dpa

Es kommt selten vor, dass Sparkassen-Obere, Privat-Banker und Banken-Aufseher mit einer Stimme sprechen. Doch beim Thema Kontoführungsgebühren sind sich alle einig: Kontoführung wird Geld kosten. Georg Fahrenschon, Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, hat bereits mehrfach das „Ende der Kostenlos-Kultur“ ausgerufen. Sein Amtskollege Michael Kemmer vom Privatbankenverband BdB pflichtete Fahrenschon kürzlich bei: „Die Zeiten einer Kostenlos-Kultur sind wahrscheinlich schon vorbei.“

Eine Entwicklung, die auch die Finanzaufsicht Bafin erwartet: „Über Girokonten, Depots oder Kreditkarten zum Nulltarif mögen sich Kunden freuen. Mangels alternativer Ertragsquellen lässt sich dieses Angebot aber nicht auf die Dauer aufrechterhalten“, sagt Bafin-Präsident Felix Hufeld.

Zuletzt hatte für Schlagzeilen gesorgt, dass rund 40 Sparkassen und 150 Volksbanken- und Raiffeisenbanken Gebühren in bestimmten Fällen fürs Bargeldabheben an den hauseigenen Automaten kassieren – zumindest bei mindestens einem Kontomodell. Bislang war es üblich, dass nur dann Gebühren fürs Abheben anfallen, wenn der Kunde den Automaten eines anderen Geldinstitutes nutzt.

Viele Sparkassen, private und genossenschaftliche Banken haben in den vergangenen Monaten die Kontogebühren erhöht – und bei den meisten waren die Konten auch bisher nicht gratis, sondern schon seit Jahren mit einer Kontoführungsgebühr belegt. Selbst die Postbank, Vorreiter in Sachen Gratis-Girokonto, verlangt von Kunden, die älter als 22 Jahre sind, Kontogebühren von 1,90 Euro bis 9,90 Euro. Die teuerste Variante wird erst ab einem monatlichen Geldeingang von 3000 Euro kostenlos angeboten.

Müssen Bankkunden also das Ende der Kostenlos-Kultur klaglos akzeptieren? Müssen sie Gebühren-Wirrwarr und intransparente Konditionen hinnehmen? Sieben Fragen und Antworten rund ums kostenlose Girokonto.

Gibt es noch Gratis-Konten?

Ja, das Handelsblatt hat basierend auf einer Liste des Verbrauchermagazins „Finanztest“ elf Girokonten bei überregionalen Banken zusammengestellt, die nach wie vor ohne Bedingungen kostenlos sind. Einzige Ausnahme in der Liste ist das GiroSkyline der 1822direkt, der Direktbank der Frankfurter Sparkasse. Das Institut erlässt ihren Kunden die monatliche Kontoführungsgebühr nur, wenn jeden Monat eine Gutschrift auf das Konto kommt. Eine Mindesthöhe für die Gutschrift gibt es allerdings nicht.

Viele Geldinstitute, die mit einem kostenlosen Girokonto werben, handhaben das anders: So verlangt beispielsweise die Commerzbank einen monatlichen Mindesteingang von 1200 Euro, bevor sie auf Kontoführungsgebühren verzichtet. Bei der Postbank kommen neuerdings nur Kunden mit einem monatlichen Geldeingang von 3000 Euro in den Genuss eines 0-Euro-Kontos.

Die neuen Kontomodelle vergraulen allerdings Kunden: Allein bei der Postbank wanderten 200.000 Kontoinhaber seit Herbst 2016 ab. Die Postbank wertet das aber dennoch als Erfolg, interne Planungen seien von deutlich negativeren Szenarien ausgegangen, heißt es in Finanzkreisen. Als Profiteure der Gebührenoffensive sehen sich Direktbanken wie ING-Diba.  „Wir spüren das deutlich“, sagt eine Sprecherin. Im vergangenen Jahr habe es an manchen Tagen bis zu 4000 neue Anfragen für Girokonten gegeben.


Wie häufig sind Gebühren für Bargeldabhebungen?


Worauf muss man bei der Wahl des Kontos achten?

Bei der Wahl des Girokontos spielen die Gebühren die größte Rolle. Viele Banken werden dabei regelrecht kreativ: „Teilweise haben wir Gebühren festgestellt, die gewöhnungsbedürftig sind“, sagt Frank Christian Pauli, Finanzexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. So verlange die Sparkasse Rhön-Rennsteig bei ihrem Girosmart-Modell, das im Monat 3,90 Euro kostet, selbst bei Geldeingang Gebühren.

Besonders dreist warb die Sparda-Bank West mit einem „kostenlosen Girokonto“, doch bei Abschluss des Kontos wurde dem Kunden eine Gebühr in Höhe von zehn Euro für die Ausstellung der Girokarte abgeknöpft. Das Landgericht Düsseldorf entschied, die Sparda-Bank West dürfe ihr „Gratiskonto“ nicht weiter als ein solches bewerben. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig – doch die Bank hat die irreführende Werbung von ihrer Internetseite verbannt. Bei vielen Instituten kostet die Kreditkarte eine Gebühr, sie ist jedoch oft nur optional.

Auch den angebotenen Dispozins des jeweiligen Kreditinstituts müssen Verbraucher prüfen. Sollte der Kontostand mal in den roten Bereich rutschen, bitten viele Banken ihre Kunden mit Zinsen zwischen 6 und 14 Prozent zur Kasse. In diesem Punkt lohnt sich ein Vergleich. 

Ebenfalls wichtig ist für viele Verbraucher das Thema Service und Kundenservice. Direktbanken, wie die DKB oder ING-DiBa, gewinnen durch kostenlose Onlinekonten zunehmend an Popularität. Im Gegensatz zu Filialbanken, agieren Direktbanken jedoch ohne eigenes Filialnetz und pflegen keinen persönlichen Kontakt zu ihren Kunden. Diese müssen also für das kostenlose Konto auf den Gang in die örtliche Bankfiliale verzichten. Hinzukommt: Wer beispielsweise Geld nur mit dem klassischen Überweisungsträger transferiert, zahlt bei fast jeder Online-Bank eine Gebühr. Bei der Smartphone-Bank N26 ist die traditionelle Form des Geldverschickens gar nicht möglich.

Warum erheben Banken überhaupt Kontoführungsgebühren?

Seit Jahren liegt der Leitzins in der Euro-Zone bei null, die Geldhäuser verdienen kaum mehr etwas, wenn sie überschüssige Mittel sicher am Kapitalmarkt anlegen wollen. Zugleich schwinden die Margen im Kreditgeschäft. „Es wird eine Bewegung hin zu einer stärkeren Bepreisung  von Bankdiensten geben“, erwartet deshalb der Chef des Bankenverbandes BdB, Kemmer. Ähnlich sieht das Dirk Schiereck, Bankenprofessor an der Technischen Universität Darmstadt: „Auch wenn die Ertragslage bei vielen Banken jetzt noch ordentlich ist - in den nächsten Jahren ist mit einem Wegbrechen der Erträge zu rechnen“, sagt er. Er sieht zwei Möglichkeiten zum Gegensteuern: Die Banken „können die Kosten senken, was auch schon passiert. Und sie können versuchen, ihre Einnahmen zu steigern.“

Wie häufig sind Gebühren für Barabhebungen?

Häufiger als gedacht – das hat das Finanzvergleichsportal Biallo jüngst öffentlich gemacht: Demnach verlangen 40 Sparkassen und mindestens 150 Volks- und Raiffeisenbanken Gebühren bei zumindest einem ihrer Kontomodelle für Bargeldabhebungen an Automaten der eigenen Bankengruppe. Viele Geldinstitute räumen ihren Kunden ein monatliches Kontingent von Gratisabhebungen ein und kassieren beispielsweise erst nach dem fünften Besuch eines Geldautomaten.

Doch es geht noch weiter: Einige Volks-und Raiffeisenbanken lassen ihre Kunden ebenfalls zu bestimmten Zeiten extra bezahlen. So berichtete das Finanzportal biallo.de, dass Bargeldabhebungen in der Mittagspause oder nach Feierabend kostenpflichtig sind.  Kunden, die nach 18 Uhr Bares aus dem Automaten ziehen, wird die zusätzliche Gebühr nicht mal angezeigt. Für die Banken handle es sich hierbei nicht um eine „ Abhebegebühr“, sondern um eine „Buchungspostengebühr“, die erst bei Kontoabschluss ausgewiesen wird.  Die Kondition sei Teil des Vertrags, den ein Kunde bei Kontoeröffnung mit der Bank abgeschlossen habe, so ein Sprecher der Frankfurter Volksbank.

Viele Privatbanken haben sich zu Verbünden zusammengeschlossen, an deren Automaten alle Kunden der beteiligten Banken mit ihrer Girokarte gratis abheben können. In der Cash Group sind die Deutsche Bank, die Postbank, die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank. Sie kommen auf deutschlandweit 9000 Automaten. Die Konkurrenz der Cash-Pool-Banken zählt rund 3000 Automaten. Sie stehen etwa Kunden der Sparda-Banken, der Targobank, der Santander-Bank kostenlos zur Verfügung.

Allerdings sind Bankautomaten ein Kostenfaktor, im Schnitt kostet jeder aufgestellte Geldautomat die Bank jährlich 13.000 Euro. Im Rahmen von Filialschließungen dünnen die großen Bankengruppen auch das Automatennetz aus.  Diese Situation nutzen private Automatenbetreiber aus und stellen eigene Geldautomaten auf. Die Betreiber, meist unbekannte Privatbanken aus dem Ausland, verlangen häufig saftige Gebühren, warnen Verbraucherschützer.

Direktbanken wie die ING-Diba oder die DKB haben praktisch keine eigenen Geldautomaten. Kunden zahlen beim Abheben mit ihrer Girokarte immer, können jedoch mit ihrer Kreditkarte unbegrenzt und weltweit kostenlos Bargeld abheben. Zuletzt führte jedoch die DKB einen Mindestabhebe-Betrag von 50 Euro ein. Ähnlich bei der Smartphone-Bank N26: Kunden können drei bis fünf Mal an allen Geldautomaten kostenlos abheben – danach kostet jeder Gang zum Automaten zwei Euro.

Was tun, wenn das Konto zu teuer wird?


Wie transparent sind Girokonten?

Den Überblick über alle Bankgebühren zu behalten ist schwierig und häufig mit aufwendigen Recherchen verbunden. So schreibt beispielsweise die Volksbank Düsseldorf-Neuss in ihrer Übersicht zum GiroOnline mehrfach: Weitere Dienstleistungen werden gemäß Preisaushang bzw. Preis- und Leistungsverzeichnis berechnet“. Online ist das detaillierte Verzeichnis nicht einsehbar. Laut Finanzportal Biallo veröffentlichen lediglich zwei Drittel aller VR-Banken eine Auflistung der Gebühren im Internet. Bei der Santander Bank wiederum ist weder in der Online-Übersicht für das „1,2,3 Girokonto“ noch in einem verlinkten PDF-Faltblatt die Höhe des Dispozinses ersichtlich.

Einige Banken gehen dazu über, jeden Buchungsposten einzeln zu berechnen.  „So eine Gebührenstruktur erschwert die Vergleichbarkeit und verschleiert die Gesamtkosten.", kritisiert Dirk Eilinghoff, Teamleiter Bankprodukte beim Verbraucherportal Finanztip. Finanzexperte Pauli sieht die Verantwortung in den Händen des Gesetzgebers. Der lasse es seit 2009 zu, dass Einzelvorgänge abrechenbar wurden, die bis dahin in der bezahlten Kontoführung enthalten waren. Banken könnten nach Belieben ihre Kontomodelle umstellen und „das Schweigen der Verbraucher gilt nach zwei Monaten als Zustimmung“, sagt Pauli.

Sind Bankdienstleistungen in Deutschland billig oder teuer?

In Deutschland zahlt ein Kontonutzer laut „Finanzscout.de“ im Durchschnitt 89 Euro im Jahr für sein. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Günstiger ist die Nutzung des Girokontos in Portugal, Belgien und Bulgarien: Dort werden jährlich weniger als 50 Euro bezahlt. In Spanien und Italien dagegen zahlen Kunden besonders viel für die Nutzung ihres Girokontos: Inklusive Karten, Dispozinsen und Telefonbanking fallen durchschnittlich mehr als 250 Euro pro Jahr an. Doch auch außerhalb Europas gibt es Länder, in denen die Kontogebühren deutlich höher sind. In den USA bezahle man für viele alltägliche Bankprodukte drei- oder viermal so viel, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan kürzlich bei einer Handelsblatt-Veranstaltung. „Stellen Sie sich mal vor, wir würden für eine einfache private Überweisung an eine andere Bank mehrere Dollar verlangen“, so Cryan.

Was tun, wenn das eigene Konto zu teuer wird?

Die Verbraucherzeitschrift „Finanztest“ rät Bankkunden zu einem Wechsel, wenn die Kosten für das Girokonto 60 Euro im Jahr übersteigen. Auf Verhandlungen lassen sich Banken höchsten gegenüber langjährigen Kunden ein. Seit 2016 geltende Vorschriften erleichtern den Übertritt zu einer Konkurrenzbank. Demnach müssen die beteiligten Banken beim Kontowechsel helfen, beispielsweise bei der Überweisung von Guthaben oder dem Austausch von Kundendaten. Dafür können sie allerdings wiederum Gebühren erheben. Im besten Fall kümmert sich die neue Bank jedoch um den kompletten Schriftverkehr. Bei Problemen sollten sich Kunden an die Verbraucherzentralen wenden.

Vergleichsportale wie Check24, Verivox oder Biallo erleichtern die Suche nach dem passenden Konto. Um auf Nummer sicher zu gehen, bleibt Verbrauchern das Durchforsten von Preisverzeichnissen jedoch nicht erspart, denn oftmals lassen sich erst im Kleingedruckten versteckte Gebühren entdecken. Zwar gibt es sie noch, die Gratiskonten. Doch auch Verbraucherschützer Pauli sagt: „Konten dürfen kosten, aber diese Preise müssen angemessen sein.“


Elf kostenlose Girokonten im Überblick

BankKontoKreditkarteKostenlos Bargeld abhebenDispo-ZinsBeleghafte Überweisung

1822direkt

1

GiroSkyline29,90 Euro; 0 Euro ab 4000 Euro Monatsumsatz Ja, an 25.700 Automaten7,43%1,50 Euro
ComdirectGirokonto0 EuroJa, an 9000 Automaten6,50%1,90 Euro
ConsorsbankGirokonto0 EuroNur mit Kreditkarte7,75%2,95 Euro
DKBDKB-Cash0 EuroNur mit Kreditkarte6,90%0 Euro
ING-DibaGirokonto0 EruoJa, an 1300 Automaten6,99%0 Euro
n26N26 Girokonto0 Euro3 bis 5 Abhebungen pro Monat8,90%nicht möglich
NorisbankTop-Girokonto0 EuroJa, an 9000 Automaten10,85%Selbstbedienung am Belegscanner

PSD Niederbayern-Oberpfalz

2

GiroDirekt0 EuroJa, an 19.200 Automaten6,84%0 Euro
Santander1,2,3 Girokonto0 EuroJa, an 3000 Automaten7,49%1,50 Euro
Santander Consumer BankGirokonto Kombi0 EuroJa, an 3000 Automaten8,05% - 11,30%1,50 Euro
WüstenrotTop Giro0 EuroJa, an 2900 Automaten10,87%3,00 Euro

1Vorraussetzung: Ein monatlicher Geldeingang, Höhe egal; Sonst kostet das Konto 3,90 Euro monatlich

2Online-Banking kostet 8 Cent pro angeforderter TAN, ab er der 11. TAN im Monat

Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit; Quelle: Finanztest 9/2016, eigene Recherche

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