Energiepolitik Wende mit Korrekturbedarf

Die deutsche Energiepolitik braucht mehr Marktwirtschaft und verlässliche Regeln für Investoren. Damit Über- und Unterkapazitäten besser ausgeglichen werden können, muss für die Energiewende eine europäische Lösung her.

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Energiewende: Hilfreiche staatliche Regeln drohen an Einzelinteressen zu scheitern. Quelle: dpa

Bereits über 25 Prozent des Strombedarfs in Deutschland wurden 2013 mit erneuerbaren Energien erzeugt, dennoch wird die Energiewende zunehmend heftig diskutiert, auch die vom Bundeswirtschaftsministerium geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Das zügige Vorgehen mit dem zentralen Ziel einer "Kostenbremse" ist zunächst unbedingt zu begrüßen.

Entscheidendes Manko bleibt jedoch, dass der in die Netze eingespeiste Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichend nach marktwirtschaftlichen Prinzipien erzeugt und vergütet wird. Der Gesetzgeber legt hoheitlich fest, welche Technik welche Vergütungssätze erhält. Daran ändert auch die geplante Reform nichts, wenn sie ein wenig an den Sätzen schraubt und den geförderten Zubau von Wind- und Sonnenenergie begrenzt.

Dabei ist auch innerhalb von staatlichen Fördersystemen mehr Wettbewerb möglich. So sollten nicht Standorte oder spezielle Technik gefördert werden, sondern Ziele wie die erzeugte Strommenge, die Verfügbarkeit oder eine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Zudem könnten dabei Anreize gesetzt werden, um die volatile Stromeinspeisung der erneuerbaren Energien zu glätten. Leider finden sich im Reformkonzept nur wenige derartige Ansätze; die Gefahr einer Fehlsteuerung wird nicht grundsätzlich verringert.

Umgekehrt reicht es nicht, nur einen staatlichen Rahmen zu setzen, denn zahlreiche Entscheidungen sind voneinander abhängig: Windparks und Solaranlagen müssen erst projektiert und genehmigt werden, sie brauchen Netzanschlüsse und Absatzchancen. Ohne ein klares Marktdesign, das solche langfristig tragfähigen Geschäftsmodelle erlaubt, kann vieles nicht realisiert werden.

Zudem sind Projektierer, Betreiber und Investoren zwingend darauf angewiesen, dass staatliche Entscheidungen auf Dauer verlässlich sind. Projekte wie Windparks vor der Küste benötigen teilweise über fünf Jahre, um geplant und gebaut zu werden. Wer soll dafür unternehmerische Risiken eingehen, wenn er damit rechnen muss, dass Grundlagen seiner Entscheidung rückwirkend geändert werden?

Es sollte aber auch klar differenziert werden: Nicht jedes bestehende Kraftwerk verkommt durch neue Regeln zur Investitionsruine. Zahlreiche Kohlekraftwerke sind zum Beispiel längst abgeschrieben.


Europäische Lösung ist nötig

Hilfreiche staatliche Regeln drohen zudem an Partikularinteressen zu scheitern. Dabei ist eine Selbstversorgung der Bundesländer ökonomischer Unsinn. Das Projekt muss nicht nur für ganz Deutschland gedacht werden, es ist auch europaweit abzustimmen und darüber hinaus. Eine europäische Lösung ist sinnvoller, weil temporäre Über- und Unterkapazitäten leichter ausgeglichen werden können und mit abschmelzenden Subventionen für alle Energieerzeuger die effizientesten im Wettbewerb profitieren werden.

Die diskutierte Investition in die Netze trägt zur erfolgreichen Gestaltung der Energiewende und zur Versorgungssicherheit bei, erleichtert aber auch den regionalen Ausgleich von Stromangebot und -Nachfrage. Eine im Auftrag des Thinktanks Agora Energiewende erstellte Fraunhofer-IWES-Studie zeigt, dass ein schneller und vollständiger Netzausbau immer die Gesamtkosten der Stromerzeugung senkt, egal ob der Strom stärker dezentral oder an den ertragreichsten Standorten erzeugt wird. Eingriffe in Natur- und Lebensräume müssen dabei im angemessenen Dialog mit den Bürgern minimiert und notfalls kompensiert werden, gleichwohl müssen sie möglich sein und nicht im Takt des Wahlkampfkalenders geändert werden.

Die Bedingungen, die in zehn Jahren herrschen, kann niemand seriös voraussagen. Entscheidend ist vielmehr, zunächst einen klaren Plan bis 2020 zu haben. Gleichzeitig muss schon heute eine europäische Lösung für die Zeit danach gesucht werden. Die von der EU-Kommission bereits 2011 vorgestellte "Energie-Roadmap 2050" ist dafür eine gute Basis.

Für eine konkurrenzfähige Versorgung aus erneuerbaren Energien benötigen wir mehr Investitionen in die Forschung. Mit neuem Wissen müsste dann erneut politisch nachgesteuert werden. Es gibt eben heute noch keinen eindeutig erkennbaren Königsweg, um Energie möglichst effizient, sicher und umweltschonend zu erzeugen. Um eine klare, möglichst marktwirtschaftliche Weichenstellung darf man sich dennoch nicht drücken.

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