Cora Schmidt weiß, was sie will – und wie sie es bekommt. Die 24-Jährige studierte von 2008 bis 2011 Betriebswirtschaftslehre in Hamburg. Nach dem Bachelorabschluss hätte sie sich um eine feste Stelle bewerben können, doch sie wollte mehr. Also hängte sie noch einen Master in International Business in der schottischen Hauptstadt Edinburgh dran. Das lohnte sich gleich doppelt. Schmidt verdient mit dem Abschluss nicht nur mehr als Bachelorabsolventen. In Edinburgh stieß sie auch auf ihren heutigen Arbeitgeber.
Schmidt wusste bis dahin nur, dass sie nach dem Studium in einer jungen, innovativen Branche arbeiten wollte. Eines Tages sah sie auf der Homepage der Uni Edinburgh eine Anzeige von Telefónica. Zwar kannte sie den spanischen Telekommunikationskonzern, doch bislang hatte sie ihn nicht als Arbeitgeber in Erwägung gezogen. Das änderte sich wenig später.
Sie führte ein erstes Telefonat, auch ihre Bewerbungsunterlagen stellte sie noch in Edinburgh fertig. Im März 2012 ging sie zum Assessment Center und bekam wenig später die Zusage. Seit vergangenem September ist Schmidt Trainee bei Telefónica in München – und rundum zufrieden, auch mit ihrem Gehalt. Das Unternehmen zahlt seinen Trainees ein Einkommen von 45.000 Euro: „Das finde ich angemessen“, sagt Schmidt.
Öffentliche Kritik an maßlosen Managergehältern
Vielen Menschen geht es derzeit anders. Geld ist traditionell ein emotionales Thema. Doch in den vergangenen Wochen bekam es zusätzliche Brisanz, vor allem durch die öffentliche Debatte um Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und sein 20-Millionen-Euro-Salär. Immerhin: Er verzichtete letztendlich auf etwa sechs Millionen Euro. Der Rückversicherer Munich Re passte die Bezahlung der Führungsetage an, die Deutsche Bank will ihre Vergütungsstrukturen ebenfalls überprüfen. Zuvor war herausgekommen, dass das Geldhaus einem ehemaligen Händler im Jahr 2009 80 Millionen Euro Bonus genehmigt hatte. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte die „maßlosen“ Managergehälter. Die Schweizer votierten in einem Volksentscheid dafür, Abfindungen von Managern künftig gesetzlich zu begrenzen. Und die EU-Kommission arbeitet daran, Banker-Boni zu deckeln.
Auch in den deutschen Tarifverhandlungen wird um Geld gefeilscht. Nach Angaben des gewerkschaftsnahes Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts enden in 2013 die Lohn- und Gehaltstarifverträge von etwa 12,5 Millionen Beschäftigten, die Arbeitnehmervertreter haben sich bereits positioniert.
Die IG Metall fordert für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie 5,5 Prozent mehr Lohn, die IG Bau verlangt 6,6 Prozent Steigerung.
So unterschiedlich die Fälle auch sind, sie hinterlassen Wirkung.
Hitzige Diskussionen
Freunde an Stammtischen, Kollegen in Kantinen und Politiker in Talkshows diskutieren derzeit wieder heftig über Geld – allerdings vor allem über das Einkommen anderer Menschen, über ihr eigenes schweigen sie lieber. Jeder dritte deutsche Arbeitnehmer thematisiert sein Gehalt allenfalls im privaten Bekanntenkreis, ergab kürzlich eine Umfrage des Jobportals Stellenanzeigen.de. Und jeder Fünfte verschweigt es lieber komplett.
In deutschen Unternehmen ist es ähnlich. Beim Thema Gehalt geben sich Kollegen gerne zugeknöpft, verweisen auf Stillschweigeklauseln, Verschwiegenheitspflichten und Betriebsgeheimnisse.
In Schweden kann sich jeder Bürger nach dem Gehalt jedes anderen Schweden erkundigen – ein Anruf bei der Steuerauskunft genügt. Nur die Einkommen von König Carl Gustaf und Königin Silvia bleiben geheim. So kam vor einigen Monaten heraus, dass der Premierminister Fredrik Reinfeldt 140.000 Kronen im Monat verdient, umgerechnet etwa 16.500 Euro – und damit 55 Prozent mehr als sein Vorgänger Göran Persson vor zehn Jahren.
In Deutschland wäre eine solche Transparenz bei Gehältern undenkbar. Umso mehr Gedanken machen sich Arbeitnehmer vom Trainee bis zum Top-Manager um ihr Gehalt.
Wie viel können Absolventen im ersten Bewerbungsgespräch fordern? Winkt Fachkräften mehr Einkommen? Dürfen Führungskräfte mit einem kräftigen Aufschlag rechnen? Welche Branchen zahlen überdurchschnittlich gut – und welche nicht?
Deutschlands größter Gehaltstest
Um aktuelle Antworten auf diese dringenden Fragen zu finden, hat die Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt gemeinsam mit der WirtschaftsWoche Hunderte Gehaltstabellen ausgewertet. Zudem haben die Analysten von Personalmarkt etwa 400.000 Datensätze ausgewertet, 336.000 von Mitarbeitern, 64.000 von Führungskräften. Der Aufwand hat sich gelohnt, das Ergebnis der Recherche: Deutschlands größter Gehaltstest.
In unserem Gehaltstest finden Sie insgesamt 491 Basisgehälter, aufgeteilt nach 23 Branchen und 24 Berufsgruppen – vom Geschäftsführer in der Bankbranche über den kaufmännischen Leiter im Anlagenbau und dem Softwareentwickler in der Luftfahrt bis zum Sachbearbeiter in der Zeitarbeit. Damit Sie die Einkommen besser vergleichen können, wurden sie in Grundgehälter und Indexzahlen umgerechnet.
Der Grund: Große Unternehmen zahlen tendenziell besser als kleine, in Metropolen verdienen die Angestellten mehr als in der Provinz, Frauen erhalten trotz gleicher Qualifikation häufig immer noch weniger als Männer. Um ihren Marktwert zu testen, folgen Sie der Anleitung. Dann sind Sie bestens vorbereitet für das nächste Gehaltsgespräch, egal, ob als Absolvent, Experte oder Abteilungsleiter.
Eines zeigt der Gehaltstest deutlich: „Viele Arbeitnehmer dürfen auch in diesem Jahr mit mehr Einkommen rechnen“, sagt Tim Böger, Geschäftsführer von Personalmarkt.
Ingenieursgehälter wachsen am stärksten
Das durchschnittliche Einstiegsgehalt der zehn bestbezahlten Fachrichtungen lag nach Personalmarkt-Berechnungen im vergangenen Jahr noch bei 40.873 Euro, in diesem Jahr sind es bereits 42.244 Euro – eine Steigerung von 3,4 Prozent. Auch wenn das Feld von den Medizinern angeführt wird: Zu den größten Gewinnern gehören die Ingenieure. Sie kommen im Jahresvergleich auf ein Plus von etwa 8,5 Prozent und verdienen 2013 im Schnitt 49.141 Euro.
Für die meisten Berufsanfänger ist ein solches Gehalt allerdings illusorisch. Die Mehrheit der Absolventen, so die Personalmarkt-Studie, erhält in 2013 durchschnittlich 43.350 Euro Jahresgehalt – immerhin 500 Euro mehr als 2012.
Gute Aussichten für Führungskräfte
Fachkräfte wie Controller, Einkäufer oder Softwareentwickler können ihr Gehalt auf durchschnittlich 53.253 Euro steigern. Den größten Sprung aber machten Führungskräfte. Sie kommen in 2013 im Schnitt auf 97.016 Euro. Ein Unterschied von mehr als vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Diese guten Aussichten bestätigen auch andere Vergütungsexperten. Die Managementberatung Towers Watson rechnet auf Basis einer Befragung deutscher Unternehmen im Schnitt mit Gehaltssteigerungen von etwa 3,5 Prozent, egal, ob Fach- oder Führungskräfte.
Die Personalberatung Aon Hewitt fand im Januar in einer europaweiten Umfrage heraus: Nur jedes zehnte Unternehmen plant 2013 eine Nullrunde. Und das Beratungsunternehmen Hay Group analysierte kürzlich die Gehaltsprognosen von mehr als 20.000 Unternehmen mit 14 Millionen Beschäftigten in 69 Ländern. Fazit: Die Gehälter steigen in Deutschland 2013 im Durchschnitt um drei Prozent.
Doch wie so oft gilt: Nicht jeder profitiert gleichermaßen. Denn das viel zitierte Gießkannenprinzip hat ausgedient. Soll heißen: Nur wenige Unternehmen gewähren Fach- und Führungskräften generelle Erhöhungen. Etwa 80 Prozent der Unternehmen planen einen größeren Teil ihres Budgets für Leistungsträger, sagt Paul Fabiszak von der Unternehmensberatung Towers Watson. Der Großteil nutze sogenannte „Merit-Anpassungen“. Vereinfacht gesagt: Die individuelle Leistung des Mitarbeiters wird bei der Gehaltssteigerung berücksichtigt. Wer besonders gut und fleißig arbeitet, könne in diesem Jahr mit bis zu sieben Prozent plus rechnen.
Natürlich gibt es diese Unterschiede auch innerhalb der Unternehmen. Vertriebler verdienen traditionell mehr als Personaler, Entwickler mehr als Sachbearbeiter. Umso wichtiger ist es, seinen Marktwert zu kennen. Denn wer nicht weiß, was er wert ist – oder zumindest sein sollte –, verdient weniger. Einfach deshalb, weil er seinen Wert nicht einfordert. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft.
Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen
Das konnte vor einigen Monaten auch die US-Wissenschaftlerin Hannah Riley Bowles von der Harvard-Universität nachweisen. Für eine Studie im August 2012 zeigte sie etwa 500 Personen verschiedene Videos von Männer und Frauen. Darauf simulierten diese eine Gehaltsverhandlung mit ihrem Vorgesetzten. Doch dabei bemerkten die Probanden auffallend häufig, dass die Frauen mit dem Selbstbewusstsein eines Eichhörnchens auftraten. Die einen entschuldigten sich für ihre Bitte nach mehr Gehalt, die anderen wollten sich für ihr Anliegen rechtfertigen, wieder andere kokettierten mit dem Angebot eines direkten Konkurrenten.
Falsch verhandelt
Danach wollte Bowles von den Probanden wissen, ob sie die Frauen auf den Videos gerne als Kolleginnen haben wollten. Wenig überraschend: Die meisten bejahten das, denn sie waren ihnen wegen des zurückhaltenden Auftretens sympathisch. Im nächsten Schritt fragte die Wissenschaftlerin, ob sie den so sympathischen Frauen nach der Verhandlung auch eine Gehaltserhöhung gönnen würden. Und siehe da: Die meisten verneinten das.
Nur wenn die Frauen klar und deutlich mehr Geld forderten, gingen die Testpersonen auf diesen Wunsch ein, ansonsten lehnten sie ihn ab. Bei den Männern war es nebensächlich, wie diese argumentierten – ihnen gestatteten die Befragten die Erhöhung fast automatisch. Offenbar wird von Männern ohnehin erwartet, dass sie regelmäßig mehr Geld verlangen, resümierte Bowles. Frauen hingegen müssen direkter danach fragen.
12 Karriere-Mythen
Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: „Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht.“ Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.
Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch „Die 40 größten Karrieremythen“ niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.
„Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab“, sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit – in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. „Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel.“
Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. „Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen“, so Schmidt.
Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. „Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen“, so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.
Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.
Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.
Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.
Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt – stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. „Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen“. Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.
Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. „Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert.“
Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. „Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen.“
Tatsächlich finde sich diese „gläserne Decke“ vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. „Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen.“
„In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein“, ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.
Bei Telefónica-Trainee Cora Schmidt stellte sich diese Frage gar nicht erst. Natürlich informierte sie sich vorher, mit welchem Gehalt sie nach dem Abschluss in etwa rechnen konnte. Doch ebenso klar war ihr, dass das Trainee-Gehalt bei Telefónica nicht verhandelbar ist – wie bei den meisten dieser Programme für Nachwuchsführungskräfte. Doch Schmidt sind ohnehin die Vorteile wichtiger, die sich nicht unmittelbar in Geld aufwiegen lassen.
Zum einen ist sie während des zweijährigen Programms nur 18 Monate in München, sechs Monate verbringt sie im europäischen Ausland. Sie trifft sich alle paar Wochen mit den anderen Trainees der europäischen Standorte. Sie nimmt an verschiedenen Workshops teil, darunter Seminare zu Markenpolitik, Unternehmenskultur oder Kundenbindung. Sie mag die Atmosphäre im Unternehmen. Doch zum anderen hat sie die Aussicht, dass sie nach Ablauf des Programms nicht nur vom Unternehmen weiterbeschäftigt wird, sondern auch eine Führungsposition besetzen kann.
Spätestens dann wird ihr Gehalt ohnehin steigen.