Der Fachkräftemangel spielt Jobeinsteigern in die Hände: Die Jungen wissen, dass sie händeringend gesucht werden – und wie das ihren Marktwert steigert. Gerade Ingenieure, die kurz vor dem Examen stehen, sind sich ihrer Sache sicher. Nur 14 Prozent der Ingenieurwissenschaftler machen sich Gedanken, ob sie 2012 eine Festanstellung bekommen. Bei den jungen Wirtschaftswissenschaftlern sind es 27 Prozent. Das geht aus einer Untersuchung des Berliner Forschungsinstituts trendence hervor.
Die High Potentials wissen genau um ihren Wert. Kein Wunder: Suchten sich doch fast die Hälfte der befragten Studenten ihr Studium nach den späteren Verdienstmöglichkeiten aus. Ganz selbstbewusst sagen 40 bis 45 Prozent der Studierenden von sich, dass sie wissen, wie viel sie wert sind und was sie verlangen können. Doch die Wünsche und Ziele der Jungen haben sich stark verändert. Nach der Befragung scheint es tatsächlich einen Paradigmenwechsel zu geben - Work-Life-Balance statt 70 Stunden-Jetsetter-Woche sind angesagt. Mehr Geld für weniger Arbeit fordert der Nachwuchs.
So wollen die Wirtschaftswissenschaftler nicht mehr als 45 Stunden die Woche arbeiten und verlangen dafür ein Jahresgehalt von 43.000 Euro. Allerdings erklärten sich 40 Prozent der rund 14.000 befragten Studierenden bereit, für Annehmlichkeiten wie hochklassige Miet- oder Dienstwagen, Firmenkreditkarte, Diensthandy, Vielfliegerstatus oder Clubmitgliedschaften beim Gehalt Abstriche zu machen.
In den Vorjahren waren die Absolventen noch bereit, mehr für weniger Geld zu arbeiten. 2007 beispielsweise erwarteten die Jungökonomen eine Wochenarbeitszeit von 47 Stunden für 42.000 Euro im Jahr.
Der perfekte Arbeitgeber
Bei den Ingenieuren ist die Schere noch größer. 43 Wochenstunden wollen die Absolventen arbeiten, nie war der Wert niedriger. Für ihre Leistungen verlangen sie 45.700 Euro im Jahr – auch das ist die höchste Gehaltsvorstellung, die bisher erhoben wurde. 2002 forderten sie beispielsweise noch 43.400 Euro, der Gehaltstiefpunkt war im Jahr 2006 bei 42.000 Euro pro Jahr. Für Dienstwagen und Co. würden allerdings auch 40 Prozent der Ingenieure Abstriche machen.
Dafür sind die Mitglieder der Generation Y nicht realitätsfern. Auch wenn sich derzeit alle die Finger nach ihnen lecken, sind sie sich bewusst, dass sie während des Berufslebens flexibel sein und die Bereitschaft mitbringen müssen, sich - auch mehrmals - komplett neu zu orientieren. So denken jedenfalls 74 Prozent der Volks- und Betriebswirte und 68 Prozent der Ingenieure. Auch sind sich mehr als ein Drittel beider Gruppen sicher, im Laufe ihres Berufslebens mal weniger, statt mehr zu verdienen. Allerdings sollte es sich dabei nur um temporäre Rückschritte handeln.
10 Kriterien für den perfekten Arbeitgeber
Doch was muss das Unternehmen können, das diese selbstbewussten, reflektierten Köpfe nicht nur anzieht, sondern auch längerfristig an sich binden kann? Bei den K.O.-Kriterien für einen Arbeitgeber sind sich beide Gruppen weitestgehend einig. Sie wünschen sich:
- attraktive Arbeitsaufgaben
- die Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung
- gute Karriereperspektiven
- die Wertschätzung der Mitarbeiter durch das Management
- guter Führungsstil
- Kollegialität
- Weiterbildungsmöglichkeiten
- eine gute Work-Life-Balance
- Unternehmenserfolg
ein hohes Maß an Eigenverantwortung
Unvorbereitete Mitarbeiter
Für die befragten Ingenieure spielte noch die Sicherheit der Anstellung eine wichtige Rolle. Wer das nicht bietet, kann sich seine Nachwuchs-Führungskräfte abschminken, denn alle diese Aspekte wurden von mindestens 86 Prozent der Absolventen erwartet. Wer einen deutschen Jungingenieur sucht und keine flexiblen Arbeitszeitmodelle – sprich: keine gute Work-Life-Balance bietet – ist für 90 Prozent der Uniabgänger unattraktiv. Und das kann sich kein Betrieb auf Dauer leisten.
Wenn sich die Akademiker zwischen herausfordernden Aufgaben und guter Work-Life-Balance entscheiden müssten, gewinnt bei beiden Fachrichtungen die Vereinbarkeit von Familie und Karriere. So sagen 58 Prozent der Ingenieure und 57 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler, dass ihnen in diesem Fall die flexiblen Arbeitszeitmodelle wichtiger wären. Unternehmen, die Ingenieure und Ökonomen suchen, sollten also schleunigst abrücken von der 50 Stunden-Woche mit Dauerpräsenz am Arbeitsplatz. Und wer es gut mit seinen zukünftigen Führungskräften meint, nimmt ihnen durch passende Arbeitsmodelle die Angst vorm Kinderkriegen. Immerhin 43 Prozent der angehenden Wirtschafts- und 33 Prozent der Ingenieurswissenschaftler sind sich nämlich sicher, dass sich eine Elternzeit negativ auf die Karriere auswirkt.
Schöne, neue Arbeitnehmerwelt: Weniger Arbeit für mehr Geld, gelebte Toleranz in Unternehmen, flexible Arbeitszeiten und glückliche Mitarbeiter. Allerdings scheint es so, als müssten die Betriebe nicht nur viel investieren, damit sich ihre Neulinge wohl fühlen und bleiben, sondern auch, damit diese ihren Job bewältigen können. So sagen nur 32 Prozent der Ingenieure und ein gutes Drittel der Wirtschaftswissenschaftler, dass sie sich gut auf ihre berufliche Laufbahn vorbereitet fühlen. Rund ein Drittel der Befragten hatte schon einmal überlegt, sein Studium zu schmeißen. Bloß gut für die Chefs, dass sich so viele der künftigen Absolventen Weiterbildungen und Coachings wünschen. Sonst krempeln die Unternehmer ihre Arbeitsprozesse für teure, aber unqualifizierte Mitarbeiter um.