Stressiger Chef, nervige Kollegen: Im Berufsalltag lässt sich nicht jedem Ärgernis aus dem Weg gehen. Das kann, muss aber nicht negativ sein, wie die WHU - Otto Beisheim School of Management herausgefunden hat. In einer Studie haben Jochen Menges, Professor an der privaten Wirtschaftshochschule, Samantha Conroy von der Colorado State University und William Becker von der Virginia Tech Academy of Management untersucht, wie sich Ärger im Job auf die Arbeitshaltung und die Produktivität auswirkt.
Wohlgemerkt Ärger, keine ernsthaften Konflikte. Letztere können Unternehmen nämlich richtig teuer zu stehen kommen und Mitarbeiter auf Dauer krank machen. Jedenfalls, wenn sie nicht vorher kündigen.
Wer aber nur handelsüblichen Ärger im Beruf hat, kann den dagegen zum Wohle der Firma nutzen - jedenfalls, wenn er sich mit seinem Unternehmen identifiziert. So zumindest das Ergebnis der WHU-Studie. "Für Menschen, die sich stark mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, ist Ärger in der Firma auch immer ein wenig Selbstvorwurf, da sie sich selbst als Teil der Organisation empfinden", so Menges. "Daher neigen sie eher dazu, etwas zum Positiven verändern zu wollen - im Sinne der Firma", erklärt Menges, Leiter des Lehrstuhls für Führung und Personalmanagement an der WHU. Wer seinem Arbeitgeber dagegen nicht oder weniger loyal gegenüber steht, der schreibt eher eine Kündigung, wenn er sich oft ärgert.
Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten
Je mehr ein Mensch mit einem anderen zu tun hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie aneinander geraten. Entsprechend gaben 37 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage "Streit - erfolgreich oder folgenreich" der IHK Frankfurt an, sich häufig mit Kollegen beziehungsweise Mitarbeitern zu streiten.
Mehr als ein Drittel gab an, sich häufig mit Führungskräften zu streiten.
Ein Viertel sagte, dass sie häufig mit der Geschäftsleitung aneinander geraten.
23 Prozent streiten sich häufig mit Kunden.
Bei 14 Prozent sind Zulieferer ein häufiger Streitgrund und -partner.
Elf Prozent streiten sich häufig mit Behörden, mit denen sie beruflich zu tun haben.
Jeweils sieben Prozent gaben an, sich mit Gesellschaftern beziehungsweise Kooperationspartnern in die Haare zu kriegen.
Nur drei Prozent geraten häufig mit Kapitalgebern und Banken aneinander.
Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten:
1. Unternehmen können aufhören, mit Gewalt alle auf Harmonie zu drillen. In der öffentlichen Meinung herrscht die Annahme, dass nur positive Emotionen zu konstruktiven Ansätzen im Arbeitsalltag führen. Negativen Gefühlen wird eher destruktiver Einfluss auf den Arbeitgeber zugeschrieben. Zwar lässt sich gegen gute Laune nichts einwenden und auch Teambildungs- und Motivationsmaßnahmen schaden sicher nicht, aber Kritik, Streit und negative Gefühle gehören zum Leben, also auch zum Arbeiten dazu und sollten nicht krampfhaft unterdrückt werden. Angestaute Wut ist nämlich auch nicht gut. Die trägt man schlimmstenfalls mit nach Hause.
2. Gefühle im Job zulassen. "Unsere Studie belegt, dass Firmen vor allem darauf setzen sollten, die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber zu stärken. Das ist besser als Firmenkulturen zu schaffen, die rein auf positive Emotionen setzen und jeden Ausdruck von Ärger oder anderen unangenehmen Emotionen schelten", sagt Menges. "Wer seinem Arbeitgeber gegenüber loyal ist und Ärger empfindet, nutzt diese Gefühle, um sich bei der Arbeit stärker einzubringen und die Probleme, die den Ärger ausgelöst haben, zu beseitigen." Ein klarer Fall von: Jetzt erst recht.
Das gelte übrigens auch für positive Gefühle - und für Eigenschaften wie Stolz. Wenn Mitarbeiter Emotionen ausdrücken, positive wie negative, dann hieße das, dass ihnen ihr Anliegen und ihre Arbeit wichtig sind - das sei begrüßenswert. Wenn sie sich zudem mit ihrer Firma identifizieren, würde das Verhalten, das sich aus den Emotionen ergibt, meist dem Arbeitgeber nutzen und nicht schaden.