Alexander Sättele Burnout und Depression - wenn der Job einen fast umbringt

Zuerst war der Berliner Rechtsanwalt Alexander Sättele ausgebrannt, dann wurde er depressiv – im Juni ließ er sich in eine Klinik einweisen. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erzählt er, was andere über die Krankheit nicht zu sagen wagen.

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Alexander Sättele Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

Die Oberbergklinik Berlin/Brandenburg liegt in einem Waldgebiet im Örtchen Wendisch Rietz, 60 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Aus den Zimmern blicken die Patienten auf den Glubigsee. Die Ruhe und Idylle ist gewollt, denn sie sollen hier vor allem: runterkommen.

Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger erwähnte den Begriff Burn-out bereits 1974. Damals beobachtete er an Sozialarbeitern körperliche und geistige Erschöpfung. Unter Medizinern ist der Begriff heute umstritten: Burnout ist keine offizielle Diagnose, Psychiater sprechen lieber von Depressionen.

Experten gehen davon aus, dass allein in Deutschland vier Millionen Menschen depressiv sind – und die Krankheit ist eine der Hauptursachen für einen Selbstmord. „Es kommt irgendwann ein Punkt, wo Sie das Gefühl bekommen, nur noch von einer Verpflichtung zur nächsten zu rennen“, sagte der ehemalige Swisscom-Chef Carsten Schloter in einem Interview im Mai. „Das schnürt Ihnen die Kehle zu.“ Ende Juli brachte Schloter sich um, ebenso wie im Jahr 2009 der Milliardär und Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle oder Nationaltorwart Robert Enke.



Sind Sie Buronout-gefährdet?

Vor allem bei Männern bleiben psychische Störungen oft unerkannt – weil die sich häufig nicht trauen, darüber zu sprechen. Der Berliner Rechtsanwalt Alexander Sättele ist eine Ausnahme. Er ließ sich im Juni mit Depressionen in die Oberbergklinik einweisen und spricht im Interview offen über seine Krankheit – und seine anschließende Heilung.

WirtschaftsWoche: Herr Sättele, wie kam es so weit?

Stättele: Die letzten Jahre waren für mich beruflich sehr anstrengend. Seit 2008 war ich in Berlin Partner einer Anwaltskanzlei. Am Anfang machte das großen Spaß. Doch 2010 wurde mein Vater schwer krank und fiel ins Koma. Ich hatte einerseits in Berlin beruflichen Stress, versuchte aber andererseits, meinen Vater am Bodensee so häufig wie möglich zu besuchen.

Schafften Sie Ihr Pensum trotzdem?

Natürlich blieb einiges liegen. Als es meinem Vater wieder besser ging, machte ich den ersten Fehler: Ich wollte noch mehr Gas geben. Um mich abzulenken, aber auch um Dinge nachzuarbeiten. Deswegen ignorierte ich die Erschöpfung. Ich konnte mich schlecht konzentrieren, mir fielen Namen von Mandanten nicht mehr ein, die Lektüre von Akten war mühsam. Aber ich wollte mir die Schwäche nicht eingestehen. Und das verschlechterte meine Verfassung zusätzlich.

Inwiefern?

Ich wurde immer frustrierter. Und dachte: Mensch, du Weichei, jetzt jammere nicht herum und pack mal zu!

Sie wollten also immer mehr, konnten aber umso weniger.

Ja. Doch anstatt mir das einzugestehen, blieb ich immer länger im Büro. Unter der Woche gerne bis nach 22 Uhr, auch am Wochenende. Doch de facto war ich völlig ineffizient. An manchen Tagen starrte ich stundenlang auf den Bildschirm und führte unnötige Telefonate. Und das frustrierte mich zusätzlich.

Wie wirkte sich das auf Ihre Stimmung aus?

Ich verlor meinen Lebensmut, die Luft war raus. Irgendwann war mir alles gleichgültig. Der Gedanke, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen, erschreckte mich nicht mehr.

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