Langsam wird es knapp. Noch etwas mehr als zwei Jahre, dann feiere ich mein zehnjähriges Dienstjubiläum. Dabei hatte ich mir geschworen, es niemals so weit kommen zu lassen. Ein paar Jahre Erfahrungen sammeln, dann bräuchte ich eine Luftveränderung – dachte ich zumindest. So kann man sich täuschen.
Zumindest auf der Chefetage ist man wechselwilliger. Die Unternehmensberatung Strategy& untersuchte vor einigen Jahren in einer Studie die 2500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen und die 300 größten Unternehmen in Deutschland. Das Ergebnis: Im Schnitt bleiben Vorstandsvorsitzende im deutschsprachigen Raum etwa sechs Jahre im Amt.
Irgendwie auch kein Wunder. Eine lebenslange Karriere beim selben Arbeitgeber ist längst eher die Ausnahme als die Regel. Unternehmen setzen zunehmend auf Freiberufler, mit unbefristeten Verträgen gehen sie sparsam um. Und das wirkt sich auch auf die Einstellung der Arbeitnehmer aus: Das Gefühl der Jobsicherheit sinkt, die Wechselbereitschaft steigt.
So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt
Können die Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsmenge nehmen?
Ist es ihnen möglich, die Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu beeinflussen?
Können sie ihre Arbeit selbstständig planen?
Quelle: Gute-Arbeit-Index 2015
Bietet der Betrieb berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten?
Können die Beschäftigten eigene Ideen in ihre Arbeit einbringen? Ihr Wissen und Können weiterentwickeln?
Haben Sie Aufstiegschancen?
Gibt es Wertschätzung durch Vorgesetzte? Hilfe von Kolleginnen?
Ein offenes Meinungsklima? Wird rechtzeitig informiert? Planen die Vorgesetzten gut?
Wird Kollegialität gefördert?
Haben die Beschäftigten den Eindruck, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Einen wichtigen Beitrag für den Betrieb?
Identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit?
Wird am Wochenende gearbeitet? In den Abendstunden? In der Nacht?
Wird von den Beschäftigten erwartet, ständig für die Arbeit erreichbar zu sein?
Leisten sie auch unbezahlte Arbeit für den Betrieb?
Sind die Beschäftigten respektloser Behandlung ausgesetzt?
Müssen sie ihre Gefühle bei der Arbeit verbergen?
Kommt es zu Konflikten oder Streitigkeiten mit Kund/innen, Patient/innen, Klient/innen?
Muss in ungünstigen Körperhaltungen gearbeitet werden? Bei Kälte, Nässe, Zugluft?
Müssen die Beschäftigten körperlich schwer arbeiten?
Sind sie bei der Arbeit Lärm ausgesetzt?
Widersprüchliche Anforderungen und Arbeitsintensität?
Gibt es Arbeitshetze? Unterbrechungen des Arbeitsflusses? Schwer zu vereinbarende Anforderungen?
Werden alle arbeitswichtigen Informationen geliefert?
Müssen Abstriche bei der Qualität der Arbeitsausführung gemacht werden?
Wird die Arbeit leistungsgerecht bezahlt?
Hat das Einkommen ein Niveau, dass sich davon leben lässt?
Wird die Rente, die sich aus der Erwerbstätigkeit ergibt, später zum Leben reichen?
Gibt es ausreichend Angebote zur Altersvorsorge im Betrieb?
Werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung offeriert?
Werden Sozialleistungen geboten, z.B. Kinderbetreuung, Fahrtkosten- oder Essenszuschüsse?
Beschäftigungssicherheit / Berufliche Zukunftssicherung?
Sind die Beschäftigten in Sorge, dass ihr Arbeitsplatz durch technische Veränderungen oder Umstrukturierungen überflüssig wird?
Machen sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft? Um den Arbeitsplatz?
Das deckt sich auch mit einer LinkedIn-Studie. Das Karrierenetzwerk befragte im vergangenen Jahr etwa 10.500 Personen, die sich zwischen Dezember 2014 und März 2015 beruflich verändert hatten – ausgeschlossen jene, die intern befördert worden waren.
Lohnt sich ein Jobwechsel?
Hauptgrund für den Abschied vom früheren Arbeitgeber waren fehlende Entwicklungsmöglichkeiten (45 Prozent der Nennungen), Unzufriedenheit mit dem Führungspersonal (41 Prozent) und Unzufriedenheit mit Arbeitsumgebung oder Firmenkultur (36 Prozent). Hauptargument für den Start bei einem anderen Unternehmen waren bessere Karrierechancen (59 Prozent) und eine bessere Bezahlung (54 Prozent).
Aber stimmt das: Profitieren Angestellte tatsächlich von einem Jobwechsel? Lohnt sich die berufliche Luftveränderung, sowohl für das Portemonnaie als auch für die Psyche?
Diesen Fragen gingen nun zwei neue Studien nach. Die Managementforscherin Shoshana Dobrow Riza von der London School of Economics nutzte für ihre Untersuchung Daten des Bureau of Labor Statistics. Das Statistikamt des US-Arbeitsministeriums befragt in zwei Langzeitstudien bereits seit 1979 Amerikaner zu ihrem Berufs- und Privatleben. Riza wertete ausschließlich die Antworten jener Personen aus, die einen festen Arbeitsplatz hatten – insgesamt waren das immerhin 21.670 Menschen.
Und siehe da: Je älter die Befragten waren, desto zufriedener waren sie grundsätzlich mit ihrer Arbeit. Zwischen dem Lebensalter und der beruflichen Zufriedenheit besteht offenbar ein positiver Zusammenhang.
Unwissenschaftlich formuliert: Ältere sind glücklicher.
Lebenslange Treue wird in der Berufswelt bestraft
Über die Gründe spekulieren Arbeitsforscher schon seit Jahrzehnten. Womöglich liegt es daran, dass ältere Arbeitnehmer tendenziell mehr Macht, Status und Ansehen genießen als Jüngere. Außerdem verdienen sie meist mehr Geld. Eventuell hat es auch mit einer Verschiebung der Prioritäten zu tun: Andere ziehen ihr Glück im Alter lieber aus Freizeitaktivitäten, weil sie ab der zweiten Lebenshälfte ohnehin andere Wünsche und Ziele haben und sie nicht mehr unbedingt Karriere machen müssen.
Diese Erkenntnis würde nun dafür sprechen, dass die Zufriedenheit gewissermaßen automatisch mit dem Lebensalter steigt – und es irrelevant ist, ob wir von Job zu Job springen oder uns in einem bestimmten Büro gewissermaßen häuslich einrichten. Dementsprechend könnte ich dem zehnjährigen Dienstjubiläum gelassen entgegensehen. Aber so einfach ist es leider auch nicht.
Denn Riza entdeckte in ihrer Studie gleichzeitig, dass der Zusammenhang zwischen Lebensalter und Glück längst nicht immer galt: Je länger Menschen in ein und demselben Unternehmen arbeiteten, desto unzufriedener waren sie nämlich mit ihrer beruflichen Situation. Anders ausgedrückt: Der positive Einfluss des Lebensalters auf die Zufriedenheit wird durch die Verweildauer wieder aufgehoben.
Ein Jobwechsel steigert das Einkommen
Soll heißen: Lebenslange Treue ist eine zutiefst romantische Vorstellung. In der Berufswelt wird sie jedoch eher bestraft. Aber wieso?
Riza erklärt sich den Vorteil des Jobwechsels vor allem monetär. Wer den Arbeitgeber wechselt, bekommt in aller Regel mehr Geld und eine bessere Position – sonst könnte man ja direkt beim alten Arbeitgeber bleiben. Und diese Verbesserung, so zumindest Rizas Annahme, macht langfristig glücklich.
Ein weiteres Argument für Jobwechsel lieferte kürzlich eine weitere Studie. Markus Latzke von der Wirtschaftsuniversität Wien nutzte dafür Daten des Sozioökonomischen Panels. Für diese Langzeitstudie machen etwa 11.000 deutsche Haushalte seit Jahrzehnten Angaben zu ihrem Berufs- und Privatleben. Latzke konzentrierte sich in seiner Auswertung auf jene Teilnehmer, die zwischen 1985 und 2013 freiwillig den Job gewechselt hatten.
Keine Garantie für Zufriedenheit
Insgesamt kam er dabei auf 3634 Fälle. Wenig überraschend: Ein Jobwechsel lohnte sich für die Angestellten finanziell erheblich – im Schnitt steigerten sie ihr Einkommen um elf Prozent.
Was die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigert
Von den Arbeitnehmern, die mit ihrem Job zufrieden sind, machten mehr als die Hälfte (60 Prozent) die Kollegen, mit denen sie arbeiten, für ihr Gefühl der Erfüllung am Arbeitsplatz verantwortlich.
Quelle: CareerBuilder
Verantwortung zu haben, ist für 50 Prozent ein Zufriedenheitsgarant.
"Ich leite einen sehr erfolgreichen Internet-Konzern": 48 Prozent macht ihr Jobtitel zufrieden.
Pendeln? Nein, danke. 47 Prozent sind zufrieden, wenn sie einen kurzen Anfahrtsweg zu ihrem Arbeitgeber haben.
Jeweils 43 Prozent sind zufrieden dank ihres Gehaltes beziehungsweise der gten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ihr Arbeitgeber ihnen bietet.
Sich wertgeschätzt zu fühlen, ist für 42 Prozent entscheidend.
Jeweils 40 Prozent sagten, dass es zu ihrer Jobzufriedenheit beiträgt, wenn sie herausgefordert werden beziehungsweise ihren Vorgesetzten mögen.
„Der finanzielle Vorteil von Jobwechslern im Vergleich zu jenen, die bleiben, hat sich im Lauf der Jahre nicht verändert“, sagt Latzke, „es lohnt sich immer noch, den Arbeitgeber zu wechseln.“
Dessen müssen sich auch die Arbeitgeber bewusst sein. Forscherin Riza appelliert daher an Führungskräfte, bei den Mitarbeitern für genügend Abwechslung zu sorgen, etwa durch Rotationen, Sabbaticals oder Auslandsaufenthalte. Aber auch alle einfachen Angestellten müssten sich zumindest bewusst machen, dass eine gelegentliche Büroluftveränderung der Seele guttut.
Wenngleich auch Forscherin Riza warnt: „Der Wechsel des Arbeitgebers garantiert noch lange nicht, dass sie mit ihrem Job zufriedener werden.“