Andrea Nahles "Keine Denke von gestern, bitte"

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Transformation ohne Jobverluste

Wie geht man als Politikerin damit um?

Es gibt keine homogene Arbeitnehmerperspektive mehr, ebenso wenig wie es die eine Arbeitgeberperspektive noch gibt. Das mögen die großen Verbände und Gewerkschaften nicht gern hören. Aber mehr zeitliche Flexibilität beispielsweise, die es jetzt schon gibt, empfinden manche Arbeitnehmer als Zugewinn an Freiheit. Andere wiederum empfinden es als puren Druck. Zwischen diesen Gruppen müssen wir Politiker Brücken bauen, etwa bei der Arbeitszeit.

Heißt das, Sie wollen das Arbeitszeitgesetz ändern?

Das Arbeitszeitgesetz wird auch in Zukunft zum Schutz der Arbeitnehmer unverzichtbar sein, aber es sollten passgenauere Lösungen ermöglicht werden. Grundsätzlich wünsche ich mir, dass so viele Lösungen wie möglich direkt in den Betrieben gefunden werden. Die wissen am besten, was sie brauchen. Bei Bosch haben sie beispielsweise ein gutes Modell erdacht: Wer nachmittags früher gehen will, um mit den Kindern Abendbrot zu essen, und weiterarbeitet, wenn die Kleinen im Bett sind, verzichtet abends auf den eigentlich fälligen Nachtzuschlag.

Sie sind als Ministerin auch Arbeitgeberin. Wie flexibel können Mitarbeiter mit Kindern bei Ihnen arbeiten?

Unsere Morgenlagen beginnen erst um neun Uhr, damit meine Mitarbeiter – und auch oft ich – erst die Kinder in die Kita bringen können. Und es ist völlig okay für jeden, der dringend Zeit zu Hause verbringen muss, sich per Schalte einzuklinken. Manche gehen früher und setzen sich dann später zu Hause noch mal an die Arbeit. Wir machen vieles möglich. Wir reden hier nicht wie die Blinden von der Farbe.

Arbeitszeitmodelle für Familien

Muss Ausbildung in Deutschland auch flexibler werden, gerade im Mittelstand?

Ich will, dass die Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit Firmen Weiterbildung entwickeln und anbieten kann. Ab August wird etwa möglich sein, Weiterbildung nicht nur während, sondern ebenso nach der Arbeit zu fördern. Das hilft gerade dem Mittelstand.

Aber der Input müsste aus den Betrieben kommen?

Ja, und das passiert überall in der Republik. Im Containerterminal in Hamburg-Altenwerder beispielsweise: Den Wandel zu einem der meistautomatisierten Häfen der Welt haben die Betreiber dort hervorragend gemeistert, indem sie weniger hoch Spezialisierte ausbilden, dafür mehr Generalisten, die flexibler sind. Das hat sich sogar mein amerikanischer Amtskollege Thomas Perez gerade extra angesehen. Er war sehr beeindruckt. An der US-Westküste hat es nämlich nicht gut geklappt, eine ähnliche Transformation ohne massive Jobverluste zu gestalten.

Sollte es einen Anspruch auf Qualifizierung geben?

Ich strebe einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung an. Im Grunde brauchen wir aber noch mehr: Qualifizierungsketten von der Kita bis zur Rente.

Fakten zur Weiterbildung

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