Arbeiten von zu Hause Wenn Home Office zum Karrierekiller wird

Arbeitnehmer in den Niederlanden haben einen Rechtsanspruch auf Home Office. Auch in Deutschland gehört Heimarbeit zum Standard. Doch was gut für die Work-Life-Balance ist, kann der Karriere massiv schaden.

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Homeoffice gefährdet beruflichen Aufstieg Quelle: Getty Images

Wenn das Kind krank ist oder die Handwerker bestellt sind, können viele Deutsche von zu Hause aus arbeiten. In den Niederlanden haben Arbeitnehmer ab Juli sogar einen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Zumindest dann, wenn dem Arbeitgeber daraus kein Schaden entsteht.

Flexible Arbeitszeitmodelle werden mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. Der Technikkonzern Bosch hat im vergangenen Jahr eigens eine Betriebsvereinbarung dazu geschlossen, selbst in der Fertigung werden familienfreundliche Schichten angeboten. Daimler will in diesem Jahr seine Mitarbeiter befragen, um sein Angebot an flexiblen Arbeitszeitmodellen - zumindest außerhalb der Produktionshallen - auszubauen. Der Softwarekonzern Microsoft setzt seit Jahren auf möglichst wenig starre Regeln. Dort nutzen inzwischen mehr als 90 Prozent der 3000 Mitarbeiter räumlich oder zeitlich flexible Arbeitszeitmodelle.

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Doch was gut für die Organisation des Familienlebens ist, kann zum Karrierekiller werden, wie eine Studie des britischen Organisationsforschers Dan Cable von der London Business School zeigt. "Unsere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass moderne Arbeitsarrangements ihre versteckten Fallen haben", heißt es in der Studie. Und weiter: "Angestellte, die woanders arbeiten, bekommen schlechtere Leistungsbeurteilungen, geringere Gehaltserhöhungen und werden seltener befördert, als die Kollegen im Büro – auch wenn sie genauso hart und genauso lange arbeiten."

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Dass das der Fall ist und Angestellte von zu Hause aus mitunter sogar mehr leisten als die anderen Kollegen, belegen diverse Studien. Kann die Arbeitszeit völlig frei gewählt werden, führe das häufig zu Arbeitsintensivierung und Überstunden, bestätigt auch Yvonne Lott, Arbeitsmarktforscherin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Insbesondere Menschen, die sich stark mit ihrem Job identifizieren, seien gefährdet, sich selbst auszubeuten.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Trotzdem kann das Arbeiten in Heimarbeit – zumindest, wenn es zur Dauereinrichtung wird – dem beruflichen Aufstieg im Wege stehen. Es muss zwar niemand mehr im gleichen Club Golf spielen, wie der Vorgesetzte. Ein Angestellter, der dem Chef nur aus Telefonaten und E-Mails bekannt ist, sollte sich aber nicht zu viel Erfolg versprechen. Er wird schlicht übersehen.

"Zum anderen kann es an einer Stigmatisierung liegen: Wer im Homeoffice arbeitet könnte als weniger karriereorientiert oder auch weniger produktiv eingeschätzt werden", erklärt Susanne Steffes, Stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

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Dabei müsse man aber auch immer berücksichtigen, wer und warum jemand im Homeoffice arbeitet, zum Beispiel um welche Berufe es sich handelt oder welche Führungskräfte Homeoffice überhaupt zulassen.

Wer seinem Chef sagt, dass er einen Tag in Ruhe und konzentriert zu Hause an etwas arbeiten möchte, wofür es im Großraumbüro zu laut oder hektisch ist, erweckt natürlich einen anderen Eindruck als derjenige, der die Handwerker bestellt hat.

Auch Heimarbeiter müssen Präsenz zeigen

Das Problem: Laut Steffes gäbe es nur sehr wenig Literatur, die valide Ergebnisse zulässt. Die Forschung stecke in dem Bereich noch in den Kinderschuhen. Eine deutsche Universität, die sich mit dem Thema befass, ist die Uni Bamberg. So zeigt beispielsweise eine Untersuchung des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS), dass flexible Arbeitszeitmodelle und Home Office neben Weiterbildung als Top-Maßnahme gegen Probleme bei der Besetzung neuer Stellen gelten. Doch braucht es feste Zeiten, in denen sich das Team und Vorgesetzte auch in der Realität treffen können. Sonst war es das mit der Beförderung, was Führungskräfte auch selber zugeben.

Im April 2013 veröffentlichte das internationale Personalberatungsunternehmen Korn/Ferry eine Studie, für die 320 Chefs weltweit zu ihren Erfahrungen mit Homeoffice befragt wurden. Das Ergebnis: 60 Prozent sagten, dass die Arbeit im heimischen Büro ein Karrierekiller sei. „Heimarbeit kann sowohl Arbeitgeber- als auch -nehmern nutzen, es kann aber auch zu Unsichtbarkeit führen, die die Karrierechancen begrenzt“, bestätigt Ana Dutra von Korn/Ferry.

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Zwei von zehn Befragten gaben sogar an, Heimarbeiter sollten ihrer Meinung nach weniger Geld bekommen, als die Kollegen im Büro. Das Ergebnis der Studie ist natürlich nicht repräsentativ. Hinzu kommt, dass "Meinungsumfragen, welche sich auf die subjektive Wahrnehmung von Führungskräften und Angestellten beziehen, nur beschränkte Evidenz über die tatsächliche Wirkung von Homeoffice liefern können“, wie Steffes vom ZEW sagt.


Smalltalk ist Pflicht

Trotzdem liefert sie einen Einblick, wie der Aufstieg auf der Karriereleiter funktioniert. Es geht natürlich auch um Leistung, aber in erster Linie um das Sehen und Gesehen werden – um Netzwerke. Wer nicht im Büro sitzt, wenn der Chef die spannenden Aufträge verteilt, bekommt nur das, worauf die Kollegen mit Präsenz-Vorkaufsrecht keine Lust haben. „Kunde X ist übrig geblieben? Das kann ja dann der Müller zu Hause machen.“

So kann man sich aber leider nicht beweisen. Hinzu kommt, dass sich per E-Mail kein Verhältnis aufbauen lässt, weder ein positives, noch ein negatives. Und für eine Beförderung braucht der Vorgesetzte schließlich das Zutrauen, dass der Mitarbeiter der Aufgabe gewachsen ist. Auch menschlich.

Heißt: Das Feierabendbier mit den Kollegen, der Smalltalk auf dem Flur, die endlosen Meetings und das gemeinsame Essen in der Kantine mögen zwar vielen lästig sein, für das berufliche Fortkommen sind sie aber unerlässlich. Gerade, wer sich auf eine Führungsposition bewerben möchte, muss Präsenz zeigen, bei Vorgesetzten und Kollegen.

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Das bedeutet, dass sich auch Heimarbeiter bei wichtigen Meetings oder wöchentlichen Konferenzen blicken lassen sollten, oder mittags mit den Kollegen essen gehen, wenn es räumlich möglich ist.

Ergebnisse von Projektarbeiten können per Videokonferenz besprochen werden und falls entsprechende Firmennetzwerke oder Messenger vorhanden sind, sollten sie auch genutzt werden. Davon, schon morgens um fünf die erste und abends um elf die letzte E-Mail abzuschicken, raten Experten jedoch ab. Dieses Verhalten zeugt nämlich nicht davon, wie fleißig man ist, sondern nur, dass es an der Eigenverantwortung mangelt. Und das kann Folgen haben: Unternehmen wie Bosch verbieten ihren Mitarbeitern unter Umständen das Homeoffice, wenn sie das Gefühl haben, dass ein Angestellter rund um die Uhr arbeitet. „Ziehen Sie klare Grenzen der Erreichbarkeit“, heißt es entsprechend in einer Empfehlungen für die Mitarbeiter.


Als Schablone eignet sich vielleicht das Microsoft-Modell: Heimarbeiter bekommen klare Zielvereinbarungen, was sie bis wann geleistet haben müssen, es gibt klare Regeln, wie die Arbeit im Homeoffice auszusehen hat und neben der regelmäßigen Kommunikation gibt es fixe Termine, an denen sich das gesamte Team trifft. So bekommen die Vorgesetzten die Kontrolle, die sie sich wünschen und die Mitarbeiter sind nicht nur eine gesichtslose Personalnummer.

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