Arbeitsalltag Das Problem der Ablenkungen

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Kurze Zerstreuungen fördern die Kreativität

Wer sich selbst von der Arbeit abhält, der bereitet sich gedanklich darauf vor - indem er sich kurz fragt, ob er sich einer Ablenkung hingeben soll. Diese Überlegung fällt bei unfreiwilligen Unterbrechungen weg. Das macht sie zwar nicht zwingend besser. Es erklärt aber, warum sie mitunter weniger schädlich sind.

Offenbar ist es also doch sinnvoll, die Benachrichtigungsfunktion von E-Mails und SMS zu aktivieren. Das mag zwar bisweilen nervig erscheinen, auch dann lassen wir uns verführen. Aber immerhin sparen wir uns die Zeit, darüber nachzudenken.

Nun soll es immer noch Unternehmen geben, die ihren Angestellten die private Nutzung des Internets untersagen. Das Kalkül: Wer E-Mails an die Freunde schreibt oder Urlaubsfotos der Verwandten bei Facebook kommentiert, verschwendet wertvolle Arbeitszeit.

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Von wegen – denn in Wahrheit sind es genau diese kurzen Ablenkungen, die die Angestellten brauchen. Solche kurzen Zerstreuungen können sogar die Kreativität fördern.

Dieses Fazit zog vor einigen Jahren Benjamin Baird, Doktorand an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. In seiner Studie sollten 145 Testpersonen im Alter zwischen 19 und 32 einen Kreativitätstest lösen. Dabei sollten sie zu einem Wort, etwa "Backstein", möglichst viele Einsatzmöglichkeiten notieren. Denkbar wäre zum Beispiel: als Briefbeschwerer, Türstopper oder Waffe.

Nach zwei Minuten stoppte Baird die Übung und unterteilte die Freiwilligen via Zufallsprinzip in vier Gruppen: Die einen durften zwölf Minuten nichts tun, die anderen setzten sich sofort an den nächsten Test. Die dritte Gruppe bekam eine andere Aufgabe gestellt, die ihre volle Aufmerksamkeit forderte. Und der vierten legte Baird einen eher simplen Test vor.

Auf einem Bildschirm sahen sie Ziffern von eins bis neun. Sie mussten nur sagen, ob die Zahl gerade oder ungerade war. Aus früheren Studien war bekannt, dass diese Aufgabe die Teilnehmer zu Tagträumen verleitet. Denn er beschäftigt sie zwar eine Weile lang, ist aber zu banal, um ihre geistigen Ressourcen vollständig zu beanspruchen.

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Im Anschluss setzte Baird alle vier Gruppen wieder an die Ursprungsaufgabe. Die Hälfte aller Teilnehmer bekam neue Begriffe vorgelegt, die andere Hälfte die Begriffe vom ersten Mal. Mit anderen Worten: Letztere beschäftigten sich mit demselben Problem.

Und siehe da: Wer die Zwischenzeit mit einer simplen Aufgabe verbracht hatte, konnten seine Leistung erheblich steigern – und zwar um durchschnittlich 41 Prozent. Allerdings nur dann, wenn er denselben Begriff vorgesetzt bekam. Alle anderen Gruppen blieben konstant, egal ob bei alten oder neuen Begriffen.

„Wenn wir uns ablenken und die Gedanken schweifen lassen, fördern wir damit unsere Kreativität“, sagt Baird. Vermutlich verknüpfen solche Tagträume verschiedene Gehirnregionen miteinander und bringen uns erst auf neue Ideen für alte Probleme. Ein weiteres Plädoyer dafür, warum Unternehmen ihren Angestellten Zeit zur Entfaltung gönnen sollten.

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