Arbeitsplätze Was Ihr Schreibtisch über Sie verrät

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Mit dem festen Arbeitsplatz geht Individualität verloren

Das Buch offenbart schöne Einblicke in den Arbeitsalltag deutscher Prominenter. Martin Walser etwa schreibt seine Romane im Halbdunkel unter einer äußerst kitschigen Bommelleuchte; Ex-Bayern-Manager Uli Hoeneß hatte schon immer viele Familienfotos auf seinem Tisch. Und auf Gerhard Schröders damaliger Kanzlerplatte thronte ein gläserner, überdimensionierter Aschenbecher. Was uns das über diese Menschen sagt, bleibt jedem selbst überlassen.

Inzwischen geht der Trend in Unternehmen ohnehin zum nonterritorialen Arbeitsplatz, er ist von den Großkonzernen im Silicon Valley nach Deutschland herübergeschwappt. Und damit geht gleichzeitig auch ein Stück Individualität verloren. Zum Feierabend verschwinden zum Beispiel bei Google und Facebook alle Unterlagen samt mobilen Telefonen in Rollcontainern.

Vorteile eines "grüneren" Büros

Mittlerweile hat sogar die deutsche ADAC-Zentrale das Flex-Office ausgerufen: Die Mitarbeiter müssen sich morgens nicht nur den Kaffee besorgen, sondern vor allem erst mal nach einem freien Schreibtisch suchen. So geht es künftig auch den 2000 Mitarbeitern in der Frankfurter Zentrale der Lufthansa. Sie verlieren ihren festen Platz im Rahmen des Programms New Workspace.

Desk-Sharing hat Vor- und Nachteile

Das System des Desk-Sharing ist vor allem für Großraumbüros und Teams mit flachen Hierarchien konzipiert: Fehlende Zwischenwände sollen dem Unternehmen nicht nur Raumkosten sparen, sondern bestenfalls auch die Demokratie fördern. Wenn der Manager keinen größeren Schreibtisch als sein Angestellter hat, so zumindest das Kalkül, kann das die Nerven durchaus beruhigen. Befürworter sagen: Führungskräfte sind im Flex-Office näher dran an ihrem Team, der Informationsfluss ist besser. Auch deshalb ließ der einstige Microsoft-Chef Steve Ballmer sein Büro zu einer Art Wohnzimmer umbauen – inklusive Lounge-Sesseln, damit seine Mitarbeiter sich dort wohler fühlen.

Architekten, die heutzutage neue Büroräume planen, beschäftigen sich zunehmend mit dem Design von Teaminseln. Anscheinend ist die Zeit des dunkel getäfelten Mahagoni-Chefzimmers endgültig passé.

Das haben die meisten Angestellten begriffen. Als die Investmentgesellschaft Union Investment vor einigen Jahren von knapp 3200 Büroangestellten wissen wollte, was für sie zu einem idealen Arbeitsplatz gehört, war für 23 Prozent der Befragten gute Beleuchtung das wichtigste Kriterium. Schreibtische und Stühle landeten mit neun Prozent der Stimmen abgeschlagen auf Platz sechs.

Es wird in Zukunft kaum jemand solche Gefühle für seinen Schreibtisch entwickeln wie Thomas Mann: Sein Schreibtisch folgte ihm ins Exil. Während er im kalifornischen Pacific Palisades auf seinen Arbeitsplatz warten musste, soll er unter Schreibblockaden gelitten haben. Für ihn war der Tisch Heimat und Garant seines Schaffens zugleich. Ob ein Rollcontainer einem Menschen jemals diese Sicherheit vermitteln kann?

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