Frau Venz, welchen Einfluss haben Gefühle auf die Arbeit?
Laura Venz: Einen großen. Unsere Gefühle beeinflussen alles, was wir leisten können und wollen. Wer glücklich ist, der ist in der Regel auch leistungsfähig. Wer hingegen traurig ist und stark belastet, der bringt oft geringere Leistungen. Wobei durchaus auch negative Gefühle kurzfristig positive Effekte haben können – Wut etwa kann produktiv und durchaus kreativ machen. Als Arbeitspsychologen interessiert uns vor allem die Frage, wovon "gute" Gefühle bei der Arbeit abhängen und welche Faktoren die Gefühle bei der Arbeit beeinflussen.
Zur Person
Die Psychologin Laura Venz forscht an der Universität Mannheim am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie.
Mitarbeiter bringen ihre Gefühle ja oft mit zum Arbeitsplatz. Darauf hat ein Unternehmen keinen Einfluss.
Das stimmt. Und dennoch wird ein gewisser Rahmen auch durch die Arbeit geprägt. Die Forschung hat sich bislang sehr stark auf soziale Berufe konzentriert: etwa auf die Pflege. Was macht es mit einem Menschen, der eigentlich einen emotionalen guten Zustand hat, wenn er Angehörigen die Todesnachricht eines Patienten überbringen muss? Seit etwa zehn Jahren spielen Gefühle bei der Arbeit über die Branchen hinweg eine Rolle.
Was Manager tun können, um Begeisterung zu entfachen
Viele Unternehmen lassen sich bei der Personalauswahl noch zu häufig allein von der Fachexpertise, dem Leistungswillen und der Eloquenz der Kandidaten leiten. Wenn jemand mit Leidenschaft seinem Beruf nachgeht oder gar ein besonders kreativer Querdenker ist, wird ihm das eher negativ ausgelegt. Mehr Mut zu weniger Uniformität und Stromlinienförmigkeit kann sich vor allem in Forschung und Entwicklung, in Marketing und Vertrieb bezahlt machen. Das Management gerade deutscher Unternehmen ist jedoch häufig zu eindimensional auf Effizienz getrimmt. Beim Optimieren von Prozessen ist das goldrichtig, bei kreativen Prozessen nur bedingt“, warnt Jens-Uwe Meyer, Autor des Buches „Das Edison-Prinzip“.
Wer Mitarbeiter für die Sache begeistern und damit ihre Motivation erhöhen möchte, muss auch ein guter Kommunikator sein, mit guten Argumenten, aber auch der nötigen Empathie für die menschlichen Belange. Gut kommunizieren zu können, ist auch in der notwendigen Darstellung nach außen enorm wichtig. Dies erst zu lernen, wenn man bereits auf der Zielgeraden für eine Top Position ist, ist eindeutig zu spät. Übrigens gehört dazu auch ein verhandlungssicheres Englisch.
Wer Ideenfindung zur Chefsache erklärt, zeigt seinen Mitarbeitern vielleicht, wer in der Hierarchie ganz oben steht. Er läuft aber auch Gefahr, wichtige Details oder Erkenntnisse zu übersehen und damit Fehlentscheidungen zu treffen. Weil Technologiesprünge, Veränderungen von Geschäftsmodellen und Kundenbedürfnisse sich immer schneller drehen, kann ein einzelner – egal wie gut er ist - niemals alle für Geschäftsentscheidungen relevanten Informationen überblicken. Wer hingegen in den offenen Ideenaustausch mit seinen Mitarbeitern investiert, braucht zwar mehr Zeit, erntet dafür aber am Ende auch die kreativeren Ideen und durchdachteren Konzepte. Gleichzeitig schafft die direkte Einbindung eine höhere Identifikation mit dem Ergebnis, das Mitarbeiter dann viel motivierter umsetzen, denn es ist ja auch ihr Konzept.
Am kreativsten sind Mitarbeiter in Teams mit flachen Hierarchien. Um die Expertise aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Fachgebieten und Ländern an einen Tisch zu bringen, hat z.B. der Essener Konzern Evonik sogenannte Forscher-WGs eingerichtet, in denen Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Ländern über drei Jahre lang gemeinsam Innovationen ausbrüten. Der IT-Dienstleister IBM veranstaltet sogenannte „Innovation Jams“, bei denen sich über Hunderttausend IBM-Mitarbeiter, deren Familien, Wissenschaftler und Kunden aus der ganzen Welt drei Tage lang via Computerbildschirm über neue Ideen, Innovationen und die Lösung kniffliger Probleme austauschen.
Führungskräfte umgeben sich häufig am liebsten mit Personen, die ähnliche Stärken aufweisen wie sie selbst. Wer gerne kommuniziert, arbeitet gerne mit kommunikativen Menschen. Wer detailverliebt ist, schätzt Mitarbeiter mit ähnlichen Präferenzen. Wer seine Stärken und Schwächen kennt und sich vornimmt, das volle Potenzial seines Teams zu heben, kann sich als Führungskraft darauf konzentrieren, die verschiedenen Talente so einzusetzen, dass sie sich ergänzen – zum Erfolg aller. Teams sind dann besonders stark, wenn jeder eine eigene Rolle seinen Fähigkeiten entsprechend übernehmen kann. Der Job des Teamleiters ist es, jedem die passende Rolle zuzuteilen.
Stichwort empathische Chefs: Ist es nicht zu viel verlangt, wenn Unternehmen jetzt auch noch die Gefühle der Mitarbeiter steuern wollen?
Wenn es darauf abzielt, dass Mitarbeiter stets gut gelaunt sein sollen, dann ist das sicher der falsche Ansatz. Aber das ist auch gar nicht möglich. Vielmehr geht es um die Frage, wie gesunde – eben auch emotional gesunde – Arbeitsbedingungen geschaffen werden können. Und das ist angesichts der Burn-out-Debatte eine vernünftige Frage. Denn positive Gefühle sind beispielsweise besser möglich, wenn Arbeitnehmer genügend Handlungsspielraum haben, wenn sie Unterstützung bekommen, in einem angenehmen Betriebsklima arbeiten, das geprägt ist von Wertschätzung. Wenn es Feedback gibt und wenn es möglich ist, sich über Erfolge auch zu freuen. Wenn es nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu tun gibt. Und wenn die Identifikation mit dem Arbeitgeber vorhanden ist.
Erfordert das nicht eine völlig neue Qualität von Führung?
Da muss man realistisch sein – alles hat Grenzen. Eine Personalführung, die darauf abzielt, die Gefühle der Teammitglieder positiv zu beeinflussen, müsste ja tagesspezifisch angepasst werden, weil jeder Mensch jeden Tag anders fühlt. Das halte ich für zu viel verlangt. Aber selbstverständlich sollten sich Führungskräfte darüber im Klaren sein, dass die Arbeitsbedingungen die Gefühlswelt der Mitarbeiter beeinflussen. Cholerisches Verhalten etwa, fehlendes Feedback – wer die Zusammenhänge kennt und versteht, kann auch daran arbeiten, ein positives Betriebsklima herzustellen, in dem die Mitarbeiter sich positiv entfalten können. Das ist am Ende auch gut für den Unternehmenserfolg.