Arbeitssucht Workaholics sind ein Risiko für Chefs und sich selbst

Wer viel arbeitet, wird gelobt. Wer sehr viel arbeitet, wird befördert. Was in unserer Leistungsgesellschaft gängige Praxis ist, begünstigt eine gefährliche Erkrankung: die Arbeitssucht. Die schadet den Unternehmen.

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Arbeitssucht: der innere Drang, ständig beschäftigt zu sein. Quelle: Getty Images

"Ich kann noch nicht Feierabend machen. Muss erst noch den Text fertig machen, noch die Präsentation abschließen.
Morgen wäre natürlich auch noch etwas Zeit, da hat der Kollege zwar Recht, aber in dieser Zeit kann ich mich dann stattdessen dem anderen Projekt widmen.
Und wenn ich in einer Stunde gehe, dann kann ich danach noch die Stunde zum Sport und dann ist der Abend durch.
Und morgen dann wieder früh im Büro sein – für das nächste Projekt. Da ist die Abgabefrist noch ein Weilchen hin – aber es kommt sicher etwas Neues, das erledigt sein will..."

So sieht es im Kopf eines Arbeitssüchtigen aus – das selbstgeschaffene Hamsterrad dreht sich fleißig: Immer in Aktion. Immer unter Druck. Als „inneren Drang, ständig beschäftigt zu sein", beschreibt Ute Rademacher, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der ISM Hamburg, diesen Zustand.

Die Arbeitssüchtigen, sogenannte Workaholics, sind nämlich nicht süchtig nach einer Substanz, die ihnen positive Gefühle verschafft, von der sie abhängig werden. „Es geht um ein Verhalten, das einem so positive Erlebnisse beschert, dass man sich daran gewöhnt und nicht mehr davon loskommt, es immer wieder macht und irgendwann die Kontrolle verliert", beschreibt Rademacher. „Nicht zuletzt nehmen Arbeitssüchtige auch gesundheitliche und soziale Nachteile in Kauf, um den Wunsch nach solchen positiven Erlebnissen zu erfüllen."

Zur Person

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Sucht nach den folgenden Kriterien:

  • ein unbezwingbares Verlangen nach einem „Mittel“ mit der Tendenz zur Dosissteigerung,
  • eine psychische, häufig physische, Abhängigkeit von der Wirkung,
  • eine Schädigung des Abhängigen und der Gesellschaft,
  • Vernachlässigung anderer Interessen
  • sowie der Kontrollverlust über das eigene Verhalten.

„Alle diese Eigenschaften sind bei Arbeitssucht erfüllt", sagt Rademacher. Vergleichbare Verhaltenssüchte sind Einkaufssucht, Glücksspielsucht, Sexsucht oder Computersucht. Arbeitssucht ist in Deutschland keine anerkannte eigenständige Krankheit, weshalb es keine konkreten Informationen zur Anzahl der Betroffenen gibt. Trotzdem ist sie ein Problem.

Eine Studie der Krankenkasse AOK schätzte vor einigen Jahren, dass etwa jeder neunte Arbeitnehmer arbeitssüchtig sein könnte. Der Bonner Wirtschaftspsychologe Stefan Poppelreuter nimmt aktuell einen Näherungswert von 12 bis 13 Prozent Arbeitssucht-Gefährdeter an. Die Zahl der tatsächlich Arbeitssüchtigen wird laut Poppelreuter auf 400.000 bis 500.000 Menschen geschätzt.

Echte Arbeitsfreude statt mantraartiger Selbstmotivation - so geht's

„Treffen kann es jeden", erklärt Rademacher. „Selbst Arbeitslose können in ein solches Muster verfallen, in dem sie ständige Aktivität suchen durch Aufgaben, Verantwortung oder besondere Projekte, durch die sie von morgens bis abends spät auf den Beinen sind, nicht mehr abschalten und nicht mehr entspannen können."

Dabei geht es ist nicht um die reine Arbeitszeit, an der sich Arbeitssüchtige erkennen lassen. „Arbeitssucht kann sich auch darin zeigen, dass sie zwar nur sechs Stunden arbeiten, aber in denen ohne Pause unter enormem Druck stehen. Im Anschluss dann die Joggingschuhe anziehen und mit dem gleichen Elan und der gleichen Unnachgiebigkeit zweieinhalb Stunden laufen gehen", beschreibt es Rademacher.

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