Arbeitszeit Die 35-Stunden-Woche ist bloß noch Theorie

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Gewerkschaft trifft Nerv der Arbeitgeber

Beide Seiten haben sich für den Tarifkonflikt mit Umfragen gerüstet, aus denen sie ganz unterschiedliche Botschaften herauslesen. „62 Prozent können sich vorstellen, länger als zehn Stunden zu arbeiten - wenn es ihre eigene Entscheidung ist“, berichtet Gesamtmetall und rüttelt damit an den gesetzlichen Vorschriften zur Höchstarbeitsdauer, die Mindestruhepausen von elf Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen vorsehen.

Laut Gesamtmetall haben 93 Prozent der Befragten erklärt, ihre Arbeitszeit zumindest prinzipiell kurzfristig an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. Alles in Butter also? Das findet die IG Metall überhaupt nicht und verweist auf rund eine Milliarde Überstunden, die jedes Jahr unbezahlt blieben.

Dies einzufordern sei nur der erste Schritt, denn die eigene Befragung habe ergeben: „82 Prozent finden es gut, Arbeitszeit zeitweise absenken zu können, etwa für die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder berufliche Ausbildung. Dafür erwarten sie einen finanziellen Ausgleich.“

Die Typologie der Arbeitnehmer: Wer wie lange arbeitet und wie viel verdient

Mit dieser konfliktreichen Forderung trifft die Gewerkschaft den empfindlichen Nerv der Arbeitgeber. Schon in der Tarifrunde 2015 hat sich Gesamtmetall erfolgreich gegen die „Bildungsteilzeit“ gewehrt. An der Haltung hat sich nichts geändert. Eine kollektiv finanzierte Arbeitszeitverkürzung finde keinen Rückhalt bei den Beschäftigten, heißt es unter nochmaligem Verweis auf die eigene Umfrage. Dort hatten sich nur 16 Prozent der Befragten zu einem solidarischen Ausgleich bereit erklärt. Wer persönliche Auszeiten nehmen will, soll sich die selber erarbeiten, laute das klare Votum der Beschäftigten.

Natürlich geht es in den zum Jahresende anstehenden Tarifverhandlungen für die deutschen Kern-Industriesparten Metall und Elektro auch um Lohnprozente für rund 3,7 Millionen Beschäftigte. Doch das Thema Arbeitszeit wird klar dominieren, zumal weitere Aspekte wie mobiles Arbeiten und ständige Erreichbarkeit hinzukommen.

Die IG Metall hat sich mit Tagesstreiks eine neue Waffe ins Arsenal gelegt, deren Wirksamkeit zwischen den üblichen Warnstreiks und einem regulären, unbefristeten Streik mit vorhergehender Urabstimmung liegt. Es könnte ein heißer Winter werden.

Je höher das Gehalt, desto mehr Überstunden
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