Beide Seiten haben sich für den Tarifkonflikt mit Umfragen gerüstet, aus denen sie ganz unterschiedliche Botschaften herauslesen. „62 Prozent können sich vorstellen, länger als zehn Stunden zu arbeiten - wenn es ihre eigene Entscheidung ist“, berichtet Gesamtmetall und rüttelt damit an den gesetzlichen Vorschriften zur Höchstarbeitsdauer, die Mindestruhepausen von elf Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen vorsehen.
Laut Gesamtmetall haben 93 Prozent der Befragten erklärt, ihre Arbeitszeit zumindest prinzipiell kurzfristig an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. Alles in Butter also? Das findet die IG Metall überhaupt nicht und verweist auf rund eine Milliarde Überstunden, die jedes Jahr unbezahlt blieben.
Dies einzufordern sei nur der erste Schritt, denn die eigene Befragung habe ergeben: „82 Prozent finden es gut, Arbeitszeit zeitweise absenken zu können, etwa für die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder berufliche Ausbildung. Dafür erwarten sie einen finanziellen Ausgleich.“
Die Typologie der Arbeitnehmer: Wer wie lange arbeitet und wie viel verdient
Im Rahmen der Xing-Arbeitsmarktstudie wurden unterschiedliche Arbeitnehmer-Typen definiert und fünf relevante Segmente gebildet. Eine der Gruppen sind die "Flexiblen", also beispielsweise Teilzeitkräfte oder Projektarbeiter. Zu dieser Gruppe gehören überwiegend jüngere Frauen mit einer durchschnittlichen Ausbildung, einem meist festen Einkommen von unter 2.000 Euro (brutto), in deren Berufsfeld Home Office oft möglich ist. Ihre Arbeitszeit beträgt zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche.
Die Wissensarbeiter sind Befragte mit akademischem Abschluss, einem überdurchschnittlichen Verdienst von 3.000 Euro (brutto) und mehr, die in der Kreativwirtschaft, höheren Verwaltung oder Wissenschaft arbeiten. Die Arbeitszeit beträgt selten exakt 40 Stunden in der Woche.
Die "Gehaltsoptimierer" sind überwiegend jüngere Männer mit Berufsausbildung, die selten nach Tarifvertrag beschäftigt sind und in den Bereichen Produktion, Finanzen oder Handel arbeiten. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden oder mehr.
In den sozialen Berufen arbeiten Menschen mit Berufsausbildung und einem oft variablen Gehalt zwischen 2.000 und 3.000 Euro (brutto). Sie arbeiten in den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales und Lehre und sind oft in Schichtarbeit tätig.
Blue Collar-Worker sind Arbeitnehmer mit Ausbildung, die oft nach Tarifvertrag beschäftigt sind und auf dem Bau, im KFZ- oder Gastgewerbe arbeiten. Viele von ihnen haben Kinder und arbeiten unter 40 Stunden in der Woche.
Mit dieser konfliktreichen Forderung trifft die Gewerkschaft den empfindlichen Nerv der Arbeitgeber. Schon in der Tarifrunde 2015 hat sich Gesamtmetall erfolgreich gegen die „Bildungsteilzeit“ gewehrt. An der Haltung hat sich nichts geändert. Eine kollektiv finanzierte Arbeitszeitverkürzung finde keinen Rückhalt bei den Beschäftigten, heißt es unter nochmaligem Verweis auf die eigene Umfrage. Dort hatten sich nur 16 Prozent der Befragten zu einem solidarischen Ausgleich bereit erklärt. Wer persönliche Auszeiten nehmen will, soll sich die selber erarbeiten, laute das klare Votum der Beschäftigten.
Natürlich geht es in den zum Jahresende anstehenden Tarifverhandlungen für die deutschen Kern-Industriesparten Metall und Elektro auch um Lohnprozente für rund 3,7 Millionen Beschäftigte. Doch das Thema Arbeitszeit wird klar dominieren, zumal weitere Aspekte wie mobiles Arbeiten und ständige Erreichbarkeit hinzukommen.
Die IG Metall hat sich mit Tagesstreiks eine neue Waffe ins Arsenal gelegt, deren Wirksamkeit zwischen den üblichen Warnstreiks und einem regulären, unbefristeten Streik mit vorhergehender Urabstimmung liegt. Es könnte ein heißer Winter werden.