2015 blieben so viele Ausbildungsplätze in Deutschland unbesetzt wie nie zuvor. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Wer lesen, schreiben und rechnen kann, will und soll studieren – die duale Ausbildung büßt gegenüber dem Studium seit Jahren an Attraktivität ein.
- Unternehmen und potentielle Azubis finden nicht zusammen.
Gegen den gesellschaftlichen Trend, Punkt 1, ist der einzelne Betrieb ziemlich machtlos, gegen den zweiten Punkt lässt sich etwas tun. Dass Unternehmen zwar Lehrlinge suchen, aber keine finden und trotzdem Jugendliche ohne Ausbildungsplatz in Aussicht die Schule verlassen, liegt auch an den Unternehmen selbst. Und daran, dass sie den Nachwuchs nicht so gut kennen, wie sie glauben.
Wie Azubis über die Berufsausbildung denken
Im Rahmen der Studie "Azubi-Recruiting Trends 2016" befragt u-form Testsysteme, ein Anbieter von Eignungstests in der Ausbildung und bei Bewerbungen, zusammen mit der Hochschule Koblenz und der Berufsorientierungsplattform blicksta jährlich mehrere tausend Auszubildende und ihre Ausbildungsleiter. 2016 fand die Umfrage zum siebten Mal statt, 3.343 Azubi-Bewerber und Auszubildende sowie 1.295 Ausbildungsverantwortliche nahmen teil.
Der Aussage "Mit einer Ausbildung hat man etwas Handfestes und lernt nicht nur pure Theorie", stimmten 90,1 Prozent der befragten Lehrlinge und angehenden Azubis zu.
Für die jungen Menschen ebenfalls wichtig: die finanzielle Komponente einer Ausbildung. 88,1 Prozent schätzen an der dualen Ausbildung, dass sie von Anfang an etwas verdienen.
Dieses Statement trifft für 87,7 Prozent zu.
Bei dieser Aussage fällt die Zustimmung schon geringer aus. Trotzdem: 59,2 Prozent - also eine deutliche Mehrheit - glauben, dass eine Ausbildung genauso gut aufs spätere Berufsleben vorbereitet, wie ein Studium.
Während die Ausbildung einst für die breite Masse und das Studium für einen kleinen Kreis war, ist es heute eher umgekehrt, sagen 54,8 Prozent der befragten Lehrlinge.
Dem stimmen 52,5 Prozent zu.
Dass Studenten von oben auf Auszubildende herabsehen, sehen 46,6 Prozent so. Die Mehrheit glaubt nicht, dass das zutrifft.
42,7 Prozent der Auszubildenden glauben, dass ein Studium nur für Papas Nerven oder Mamas Stolz gut ist. 57,3 Prozent glauben dagegen nicht, dass die obige Aussage zutrifft.
Meister statt Master: Dass Menschen mit einer Berufsausbildung Führungspositionen verwehrt bleiben, glauben nur 30 Prozent der Azubis. 70 Prozent sehen nicht, warum sie ohne Studium nicht trotzdem Chef werden können.
Das zumindest legt die Studie "Azubi-Recruiting Trends 2016" nahe. Für die jährlich Untersuchung befragt u-form Testsysteme, ein Partner der Industrie- und Handelskammern, zusammen mit der Hochschule Koblenz und der Berufsorientierungsplattform blicksta mehrere tausend Auszubildende und angehende Lehrlinge nach ihren Erwartungen. Außerdem werden die Ausbildungsverantwortlichen befragt, wie sie ihre Lehrlinge einschätzen und was sie glauben, was dem Nachwuchs wichtig ist. 2016 nahmen 3.343 Azubi-Bewerber und Auszubildende sowie 1295 Ausbildungsverantwortliche teil.
Aus den Antworten lässt sich ableiten, was Azubis von ihrem Arbeitgeber erwarten und wie Unternehmen und Nachwuchs besser zueinander finden. Die gute Nachricht: Die Jugendlichen, die bereits einen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben, sind mit ihrer Lehre sehr zufrieden. "Die meisten wissen gar nicht, wie vorteilhaft eine Ausbildung gegenüber einem direkt-nach-der-Schule-Studium ist. Mehr Erfahrung für das spätere Berufsleben sammelt man nirgendwo", sagt einer der Befragten. Trotzdem konnten letztes Jahr 40,2 Prozent der rund 1.300 befragten Ausbildungsbetriebe nicht alle Lehrstellen besetzen. Damit sich das in Zukunft ändert, sollten Unternehmen wissen, was angehende Azubis wollen:
1. Schnupperpraktika und Einstellungstests
In der Vergangenheit beklagten viele Betriebe, dass sich bei ihnen zwar Jugendliche für einen Ausbildungsplatz bewerben, diese aber – überspitzt gesagt – weder lesen noch schreiben könnten. Die Studie "Azubi-Recruiting Trends 2016" hat sich entsprechend mit den Noten und Qualifikation befasst.
Dabei zeigt sich, dass bei den Unternehmen die Skepsis gegenüber der Aussagekraft von Schulnoten wächst. Rund 53 Prozent der Ausbilder glauben, dass die Zeugnisnoten viel mit der Herkunft zu tun haben und wenig mit Leistungen. 47,6 Prozent machen regelmäßig die Erfahrung, dass die Schulnoten schlechter sind als die „tatsächliche Leistungsfähigkeit der Bewerber“.
Entsprechend können sich Betriebe bei der Azubisuche einen großen Gefallen tun, wenn sie statt auf die Mathenote auf die tatsächliche Eignung schauen. Das sagen auch die befragten Jugendlichen. 59,5 Prozent sind dafür, vom bevorzugten Ausbildungsbetrieb auf ihre Eignung hin überprüft zu werden, anstatt wegen einer Vier in Geschichte von vorneherein aussortiert zu werden. Und 88,6 Prozent der Azubis fänden es gut, wenn die Ausbildungsbetriebe neben den reinen Fähigkeiten auch Persönlichkeitsaspekte testen würden. Dafür braucht es kein teures Testverfahren. Ein Praktikum oder die Möglichkeit, Probe zu arbeiten, kann sicherlich beiden Seiten zeigen, ob es fachlich und menschlich passt.
2. Die richtige Ansprache
Bei der Azubisuche hilft es, wenn man die Zielgruppe kennt. Doch gerade bei den angehenden Fachkräften haben die Betriebe offenbar keine genauen Vorstellungen, wie die angehenden Lehrlinge ticken und was sie von einer Ausbildung und einem Ausbildungsbetrieb erwarten. Das geht schon beim Werben um die angehenden Fachkräfte los. Denn von den wenigsten der gut 300 in Deutschland existierenden Lehrberufen haben Jugendliche eine konkrete Vorstellung.
Wer also in Schulen oder auf Azubimessen anschaulich darstellen kann, wie der Beruf in der Praxis aussieht und wie er im eigenen Unternehmen gelebt wird, der betreibt nicht nur Aufklärungsarbeit, sondern kann auch Bewerber gewinnen. Die übliche Zahlendarstellung – Unternehmensgröße, Umsatz, Mitarbeiter – ist dafür allerdings völlig unerheblich.
Stattdessen sollte lieber der hauseigene Maurerlehrling vorführen, wie er am Computer ein komplexes Muster programmiert und es anschließend mit Mörtel und Stein in die Tat umsetzt. Um Jugendliche zu begeistern, braucht es keinen stundenlangen Fachvortrag, sondern kurze, anschauliche Praxisbeispiele und Ansprechpartner aus dem Unternehmen, die zeigen und erzählen, wie ihr Berufsalltag aussieht.
Darüber hinaus können erfolgreiche Karriereverläufe ehemaliger Auszubildende von Beginn der Lehre bis zum eigenen Meisterbetrieb besonders plastisch darstellen, warum nicht nur ein Studium zum Erfolg führen kann. Wer dann noch eine Checkliste mitbringt, was angehende Azubis unbedingt können müssen, um erfolgreich eine Lehre zu absolvieren, bewahrt sich und die Jugendlichen vor Enttäuschungen. Denn die Inhalte der Stellenausschreibungen für Ausbildungsplätze verraten in der Regel nicht, ob ein Beruf zu den eigenen Fähigkeiten passt.
Ausbilder schätzen Lehrlinge falsch ein
Und genau das ist der ausschlaggebende Punkt für die Wahl eines Ausbildungsberufes bei den Jugendlichen: 62,9 Prozent wollen, dass ihr künftiger Beruf zu den eigenen Fähigkeiten passt. Dass das den Jugendlichen wichtig ist, hätten übrigens nur 50 Prozent der Ausbilder erwartet.
Die Karriere spielt als Argument für die Attraktivität eines Ausbildungsunternehmens dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die Zukunftsträchtigkeit des Jobs, sagen 62,8 Prozent der Lehrlinge. Wer seine Lehrlinge übernimmt, findet also leichter Nachwuchs als ein Betrieb, bei dem mit dem Gesellenbrief erstmal die Arbeitslosigkeit kommt. Auch hier haben die Ausbildungsleiter die Jugendlichen anders eingeschätzt.
Dass sie in einem Beruf besonders gut verdienen können, kommt erst deutlich später auf der Liste. Wer Azubis für sich gewinnen will, muss also zunächst in einem Berufsfeld tätig sein, was den Neigungen und Fähigkeiten der Bewerber entspricht. Das lässt sich über besagte Checkliste bei jeder Infoveranstaltung überprüfen. Bietet der Beruf an sich dann auch noch eine Zukunftsperspektive, können Unternehmen daran gehen, für den eigenen Betrieb die Werbetrommel zu rühren. Und auch hier gilt: Wisse, was die Kandidaten wollen.
So viel verdienen Auszubildende in den einzelnen Branchen pro Monat
Laut dem aktuellen Azubi-Report 2016 von Ausbildung.de ist der Durchschnittsverdienst eines Azubis während der gesamten Ausbildung von 574 Euro auf 665 Euro brutto pro Monat gestiegen. Befragt wurden über 2000 Neu-Azubis.
Quelle: Azubi-Report
Die durchschnittlichen Monatsgehälter variieren natürlich auch abhängig vom Schulabschluss des Lehrlings. So bekommen Azubis mit Fachabitur im Schnitt 706 Euro brutto im Monat, Realschüler- und -schülerinnen verdienen in der Lehre im Mittel 662 Euro und ehemalige Hauptschüler bekommen durchschnittlich 585 Euro brutto.
Am schlechtesten bezahlt werden Lehrlinge im Handwerk - in der Regel übrigens überwiegend Hauptschüler. Im Schnitt bekommen sie in ihrer Ausbildungszeit monatlich nur 370 Euro brutto.
Deutlich besser gestellt sind Auszubildende aus der Gestaltungs- und Medienbranche. Sie bekommen durchschnittlich 597 Euro brutto im Monat.
609 Euro brutto im Monat gibt es durchschnittlich für Lehrlinge in der Logistikbranche.
Lehrlinge im Einzelhandel bekommen durchschnittlich 610 Euro.
Angehende Krankenschwestern, Pfleger, Altenpfleger und Fitness-Kaufleute bekommen durchschnittlich 619 Euro brutto im Monat.
Das monatliche Durchschnittsbruttogehalt eines Lehrlings aus dem naturwissenschaftlichen Bereich liegt bei rund 675 Euro.
686 Euro brutto im Monat gibt es für angehende Köche, Restaurant- oder Hotelfachleute.
Auszubildende in technischen Berufen verdienen pro Monat 690 Euro brutto.
Wer im Bereich Büro und Personal eine Lehre macht, bekommt im Schnitt 732 Euro brutto pro Monat.
Wer sein Geld mit Geld verdienen möchte, bekommt während seiner Ausbildung durchschnittlich 750 Euro brutto im Monat.
Wer eine IT-Ausbildung macht, bekommt während seiner gesamten Lehre pro Monat durchschnittlich 775 Euro brutto.
Spitzenreiter sind laut dem Azubi-Report jedoch die angehenden Tierpfleger. Sie sind nicht nur die zufriedensten Lehrlinge, mit 777 Euro brutto im Monat bekommen sie auch das meiste Geld.
Unabhängig von Branche und Schulabschluss reicht das Ausbildungsgehalt aber alleine nicht aus, um ein unabhängiges Leben zu führen. Aus diesem Grund sind 62,5 Prozent der Auszubildenden darauf angewiesen, von den Eltern oder anderen Familienmitgliedern finanziell unterstützt zu werden. Oft reduzieren Auszubildende ihre Ausgaben, indem sie während der Ausbildung bei den Eltern wohnen. Ein Viertel der Befragten muss auf Ersparnisse zurückgreifen, um sich während der Zeit der Ausbildung zu finanzieren.
Salopp gesagt: Wer als größter Halsabschneider in der Stadt gilt und nur minderwertige Qualität fertigt, tut sich bei der Lehrlingssuche schwerer als die freundliche Fahrradwerkstatt, deren Angestellte beim Stadtfest jedes Jahr die Würstchen grillen. Denn 22,6 Prozent der Azubis legen großen Wert darauf, dass ihre Branche beziehungsweise ihr Unternehmen einen guten Ruf hat. Auch die Produkte beziehungsweise Dienstleistungen des Lehrbetriebes sind ein wichtiger Faktor bei der Wahl des Unternehmens. Nachhaltig und fair zieht eher als protzig und teuer.
Ein bekannter Name ist dagegen für viele nicht so wichtig. Bekanntheit zieht natürlich auch bei den Jugendlichen, aber innerhalb der eigenen Stadtgrenzen bekannt zu sein genügt vielen völlig. Nicht nur Daimler, auch Pusemuckl & Söhne kann angehende Kraftfahrzeugmechatroniker bekommen, wenn das Unternehmen zum Beispiel gute Zusatzleistungen bietet und die Arbeitsausstattung modern ist. Des Weiteren ist es den Lehrlingen wichtig, dass sie während ihrer Ausbildung gut betreut werden und nicht nur die Werkshalle fegen, sondern tatsächlich fachliches Know How erwerben.
3. Faire Bezahlung
Auch wenn das Gehalt auf der Prioritätenliste der Jugendlichen erst sehr spät kommt, fair sollte es schon sein. Dass die Ausbildungsvergütung in der Regel nicht für eine eigene Bleibe reicht und der Lehrling bei seinen Eltern wohnt und mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, ist zwar ein Grund, warum die Mehrheit nach einem Ausbildungsplatz in Wohnortnähe sucht, ein Grund für unterdurchschnittliche Bezahlung sollte es allerdings nicht sein.
Während Azubis im Bauhauptgewerbe – Tarif sei Dank – mitunter mehr als 1500 Euro brutto im Monat verdienen, knackt ein angehender Gebäudereiniger in Sachsen-Anhalt nur mit Ach und Weh die 300 Euro-Marke.
Dass da der Nachwuchs knapp wird, ist nachvollziehbar. Wer einen Knochenjob machen soll, erwartet dafür wenigstens ordentliches Geld oder vergleichbare Annehmlichkeiten vom Ausbildungsbetrieb. Auch hier kann das einzelne Unternehmen natürlich nur bedingt etwas tun. Der kleine Friseurladen in der Oberlausitz oder in Essen Altenessen zahlt dem Lehrmädchen im ersten Ausbildungsjahr sicher keine 1800 Euro brutto, damit sie bleibt.