Beruf unter der Lupe Pfleger mit Kittel und Bachelor

Krankenschwestern und -pfleger starten mittlerweile auch mit Universitätsabschluss in das Berufsleben. Bislang galt die klassische Ausbildung als Standard. Auf die Absolventen warten in den Einrichtungen neue Aufgaben.

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Der Bachelor-Abschluss: Viele Unternehmen sind nicht zufrieden mit den Absolventen.

Köln Der klassische Arbeitsalltag von Pflegekräften ist bisher fest definiert. Krankenpfleger müssen unter anderem Patienten beim Essen unterstützen, ihnen beim Gang zur Toilette helfen oder die Körperposition von Liegepatienten regelmäßig wechseln.

Aktuell ändert sich dieses Aufgabenfeld allerdings. Und zwar durch die  akademischen Pflegekräfte. Diese drängen mit Hochschulabschluss in die Positionen, die früher vorwiegend von Kräften mit der klassischen Ausbildung  verrichtet wurden. Sie haben Pflegemanagement oder -wissenschaft studiert oder eine duale Ausbildung durchlaufen, bei der sie am Ende einen Bachelor-Titel in der Pflege verliehen bekommen haben.

Ein Blick in die Stellenanzeigen des Handelsblatt-Jobturbos zeigt, dass Mitarbeiter im Bereich Gesundheit und Pflege seit dem Frühjahr besonders gefragt sind. (vgl. Grafik Arbeitsmarkt Gesundheit und Pflege).

An der  Universitätsklinik in Heidelberg wird bald die vierte Kohorte Studierender im Bachelorstudiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ ausgebildet. „Wir streben bis zu 20 Prozent akademisch qualifizierter Mitarbeiter in unserem Krankenhaus an“, sagt Pflegedirektor Edgar Reisch. Eingesetzt werden diese neuen Kollegen vor allem in den Schnittstellen, also dort wo sich am Patienten mehrere Aufgabenfelder überschneiden und die Patienten an verschiedene Stationen übergeben werden. Oder aber diese neuen Pflegekräfte arbeiten Qualitätsstandards aus, die dann in den Stationen der Einrichtungen umgesetzt werden sollen. Und schließlich können diese akademischen Pflegekräfte in Leitungspositionen Managementaufgaben ausführen und Verantwortung für ganze Stationen übernehmen.

„Bei uns setzen sich diese Mitarbeiter mit der Beantwortung pflegerelevanter Fragen auseinander“, erklärt die stellvertretende Pflegedirektorin Christin Biermann-Aufdemkamp beim Kölner St. Marien-Hospital. Ein Beispiel: Wie wird mit den Angehörigen kommuniziert? Besonders auf Stationen, wo Patienten durch Erkrankungen dem Tod nahe kommen, ist diese Frage relevant.

Ebenso wichtig wie managende Kompetenzen ist das Wissen über Aufgaben im Alltag einer Kranken- und Pflegestation. Zum Beispiel: Wie werden Wunden behandelt? „Die Aufgabenfelder werden zunehmend komplexer“, erklärt Pflegedirektor Reisch aus Heidelberg, „es ist daher wichtig, dass die akademischen Mitarbeiter wissen, wie man sich mit dem aktuellen Stand der Forschung auseinandersetzt und diese Erkenntnisse fachgerecht in die Praxis umsetzen kann.“

Die Pflegekräfte mit Universitätsabschluss drängen mit diesem neuen Wissen in die Stationsleitungen und in die Geschäftsführungsposten von Alten- und Pflegeheimen. Viele umgehen dabei den Karriereweg einer klassischen Pflegekraft - langjähriges Arbeiten plus entsprechende Weiterbildungen. Der Markt für solche Führungspositionen ist übersichtlich. „Nur fünf Prozent unserer Stellen kommen aus diesem Segment“ teilt etwa Roland Liebig von der Personalberatung Liebig und Eisentraut aus Oberhausen mit.


Wichtige Kenntnisse des Tagesgeschäfts

Allerdings wird nach wie vor Wert darauf gelegt, dass die Hochschulabgänger auch das Tagesgeschäft beherrschen. Im St. Marien-Hospital in Köln setzt die stellvertretende Pflegedirektorin Christin Biermann-Aufdemkamp auf ausreichend praktische Erfahrungen. „Ob Studium oder Ausbildung, uns ist die Praxis wichtig, wie Kenntnisse des Stationsalltags oder Erfahrung im Umgang mit den Patienten“, sagte Biermann-Aufdemkamp, die vor ihrem Studium der Gesundheitskommunikation selbst zur Krankenschwester ausgebildet wurde. „Ich weiß, wie wichtig es ist, die Praxis zu kennen.“   

Gregor Lenkitsch hat sich mit seiner Personalberatung auf den Bereich Pflege und Gesundheit spezialisiert. Der Headhunter aus Münster erklärt: „Wer eine klassische Ausbildung hat, besitzt bessere Karten als jemand, der gleich von der Uni in einer Einrichtung andocken möchte.“ Kandidatinnen und Kandidaten wird in der Regel ein Traineeprogramm angeboten, bei dem sie lernen, wie man Patienten betreut und pflegt. Sie kommen so mit dem gesamten Alltag einer Pflegestation in Berührung.

Diese Erfahrung ist unerlässlich. Sie hilft dabei, den Überblick zu behalten, wenn man mal später im Chefsessel sitzen sollte. „Wer sich bei den Strukturen einer Einrichtung auskennt, kann die Mitarbeiter auch später besser anweisen“, erklärt Lenkitsch. Bei einigen Pflegeverbänden und -einrichtungen sei es schließlich zu einer zunehmenden Zentralisierung von Managementaufgaben gekommen. „Kenntnisse im Tagesgeschäft helfen später dabei, die Aufgaben klug zu delegieren.“ Doch dazu müsste man das Einmaleins der Pflege auch richtig kennen.

Worauf es auch ankommt: Pflegekräfte in leitenden Positionen müssen besonders durch Persönlichkeit hervorstechen. „Sie müssen gut Mitarbeiter führen und gleichzeitig mit großen Budgets umgehen können“, erklärt Lenkitsch. Eine Herausforderung, vor allem in Zeiten, in denen ein Mangel an Pflegekräften herrscht und Mitarbeiter mittlerweile aus den Krisenländern Südeuropas rekrutiert werden.

Die Akademisierung eines ganzen Berufsstandes wird allerdings auch zahlreiche Häuser und Einrichtungen vor neue Herausforderungen stellen. Die stellvertretende Pflegedirektorin Biermann-Aufdemkamp: „Studienabsolventen wollen meist nicht mehr in der Patientenversorgung tätig sein, sondern eher organisatorische und leitende Aufgaben übernehmen.“

Und in der Regel werden die studierten Pflegekräfte eine höhere Bezahlung einfordern. „Bei uns können solche Mitarbeiter ungefähr  50.000 Euro Jahresgehalt bekommen“, erklärt der Pflegedirektor Reisch von der Uniklinik Heidelberg. „Wir treffen diese Entscheidung auf individueller Basis, je nach Aufgabenbereich der Kandidaten“.

Und noch etwas ändert sich. Stand zu Beginn der Akademisierung des Pflegeberufs vor allem die Sorge im Vordergrund, dass Pflegekräfte mit Bachelor und Master den Ärzten mit eigenen Vorstellungen Paroli bieten könnten, so hat sich diese Befürchtung zuletzt als unhaltbar erwiesen. „Natürlich verändern sich die Hierarchien“, sagt Gregor Lenkitsch, „doch das bedeutet: Heute geht es in den Pflegestationen vor allem um Teamarbeit.“ Und da können die akademischen Pflegekräfte ihr Wissen einbringen - und unter den Mitarbeitern weiterverbreiten.

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